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# taz.de -- Entscheidung Bundesverfassungsgericht: Kein pauschales Kopftuchverb…
> Die Karlsruher Richter revidieren ihre Rechtsprechung: Künftig soll eine
> „konkrete Gefahr“ als Grundlage für ein Kopftuchverbot bei Lehrerinnen
> gelten.
Bild: Eine generelle Kopftucherlaubnis ist die Entscheidung der Richter nicht.
FREIBURG taz | Ein pauschales Kopftuchverbot bei Lehrkräften ist nicht mit
der Religionsfreiheit vereinbar. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht
entschieden. Eine entsprechende Grundsatzentscheidung wird an diesem
Freitag veröffentlicht. Aufgrund einer Computerpanne des Gerichts wurde der
Kern des Beschlusses allerdings schon am Donnerstag bekannt.
Geklagt hatten zwei muslimische Pädagoginnen aus Nordrhein-Westfalen, die
in der Schule aufgrund ihres Glaubens eine Kopfbedeckung tragen wollten.
Eine trug ein klassisches Kopftuch, die andere eine Art Mütze. Damit
verstießen sie aber nach Ansicht der Behörden gegen das
nordrhein-westfälische Schulgesetz. Dort werden den Lehrkräften religiöse
„Bekundungen“ verboten, die geeignet sind, die Neutralität des Landes und
den Schulfrieden zu gefährden. Eine Klägern wurde gekündigt, die andere
abgemahnt.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass dieses Verbot
„verfassungskonform einzuschränken“ ist. Künftig soll keine abstrakte
Gefahr für Neutralität und Schulfrieden mehr genügen, vielmehr muss eine
„hinreichend konkrete Gefahr“ von den jeweiligen Kopftüchern ausgehen.
Eine generelle Kopftucherlaubnis ist das allerdings nicht. Sollten
konservative Eltern gegen eine erkennbar muslimische Lehrerin Proteste
organisieren, könnte darin eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden
gesehen werden, die ein Kopftuchverbot im konkreten Fall doch erlaubt.
## Privilegierung christlicher Symbole
Eine weitere Klausel des NRW-Schulgesetzes wurde von den Richtern ganz
gekippt. Danach gab es eine Ausnahme vom Verbot religiöser Bekundungen für
die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte
oder Traditionen“. Diese Privilegierung christlicher Symbole verstoße gegen
das Grundgesetz, das Benachteiligungen aus religiösen Gründen verbietet, so
die Richter.
Damit korrigiert das Verfassungsgericht seine eigene Rechtsprechung aus dem
Jahr 2003. Im Fall der Stuttgarter Lehrerin Fereshta Ludin hatte Karlsruhe
damals entschieden, dass auch vorsorgliche Kopftuchverbote möglich sind –
wenn es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt. Viele Bundesländer schufen
daraufhin entsprechende Kopftuchverbote in ihren Schulgesetzen.
Der Wandel der Rechtsprechung hat auch damit zu tun, dass 2003 der
konservativere Zweite Senat entschieden hatte und diesmal der liberalere
Erste Senat zuständig war. Grund: 2003 ging es um das Beamtenrecht, für das
der Zweite Senat verantwortlich ist, während die jetzt klagenden
Pädagoginnen nur angestellt waren.
Die neue Entscheidung war aber auch nicht unumstritten und fiel im Ersten
Senat mit 6 zu 2 Richterstimmen. Ausgerechnet der konservative Richter
Wilhelm Schluckebier, der das Urteil vorbereitet hatte, musste ein
Minderheitsvotum schreiben. Ein zweites Sondervotum stammt von Richterin
Monika Hermanns, die in dem Verfahren den befangenen Senatspräsidenten
Ferdinand Kirchhof vertrat.
12 Mar 2015
## AUTOREN
Christian Rath
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