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# taz.de -- Zweierlei Maß im hannöverschen Landtag: Kreuze ja, Kopftuch nein
> Niedersachsens große Koalition will Richterinnen das Kopftuch verbieten,
> dabei wollte es noch keine tragen. Kreuze in Gerichtssälen
> problematisiert Schwarz-Rot nicht.
Bild: Wenn schon ein Verbot religiöser Symbole – dann schon von allen, forde…
HANNOVER taz | Das Zeichen für den Tod und die Auferstehung Jesu Christi
hängt im niedersächsischen Vechta noch in zwei Sälen des Amtsgerichts. Die
Kreuze sind nicht viel größer als ein DIN-A4-Blatt und doch ein großes
Symbol für den christlichen Glauben – in einem staatlichen Gericht.
„Sie sollen ein Symbol für christlich-humanistische und soziale Werte sein
wie Toleranz, Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Gleichheit“, sagt
Mechthild Beckermann, die Direktorin des Amtsgerichts Vechta. Einen Verstoß
gegen das Neutralitätsgebot sieht sie nicht. „Einen religiösen Bezug finden
Sie ja auch in der Präambel unseres Grundgesetzes.“ Fühle sich ein
Verfahrensbeteiligter von dem Kreuz gestört, könne man den Sitzungssaal
wechseln, so Beckermann.
Laut dem niedersächsischen Justizministerium können die Gerichte selbst
darüber entscheiden, ob sie solche Symbole über die Richterbank hängen. Wie
viele Kreuze es in den Sitzungssälen gebe, dazu habe das Ministerium keine
Daten, sagt Sprecherin Marika Tödt.
Dass die Kreuze noch immer in niedersächsischen Gerichten wie in Vechta
oder auch Cloppenburg hängen, bekommt gerade eine neue Brisanz. SPD und CDU
haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass „wir das Tragen eines
Kopftuchs für alle Mitglieder des gerichtlichen Spruchkörpers sowie
Staatsanwältinnen inklusive Referendarinnen im Sitzungsdienst untersagen“.
Konkret bedeutet das, dass Richterinnen oder Schöffinnen ihre Haare im
Gerichtssaal nicht verhüllen dürfen.
Der Grüne Helge Limburg kritisiert diesen Vorstoß. „Es fällt auf, dass der
Koalitionsvertrag von SPD und CDU nur ein muslimisches und nur von Frauen
getragenes religiöses Symbol verbieten will“, sagt er. Das sei eine
doppelte Diskriminierung – und eine Ungleichbehandlung der Religionen. „Wer
religiöse Symbole verbieten will, muss dies für alle Religionen
gleichermaßen tun“, sagt Limburg.
Die neue Justizministerin Barbara Havliza (CDU) müsse dann auch alle Kreuze
aus den Gerichten verbannen. „Die hängen dort nämlich jetzt schon seit
Jahren, während eine Kopftuch tragende Richterin bislang nur eine Fantasie
der Groko ist.“ Ob die Kreuze verboten werden sollen, will Limburg in der
nächsten Landtagssitzung erfragen.
Emine Oguz, die Geschäftsführerin des türkischen Islamverbandes Ditib in
Niedersachsen, sieht ebenfalls eine besondere Diskriminierung muslimischer
Frauen. „Aufgrund solcher Gesetze wird das Kopftuch abgestempelt“, sagt
Oguz. Der Gesetzgeber dürfe gut ausgebildeten Frauen nicht unterstellen,
sie seien nicht neutral, nur weil sie eine religiöse Kleidervorschrift
beachteten. „Solche Gesetze führen dazu, dass sich die rechte Ecke der
Gesellschaft bestätigt fühlt.“
Laut Sprecherin Tödt ist dem Justizministerium bisher kein Fall einer
betroffenen Richterin bekannt. „Bisher ist der Wunsch nach Tragen eines
Kopftuches lediglich vereinzelt bei Referendarinnen“ der
Staatsanwaltschaften aufgetreten, so Tödt.
Die Grünen stören sich noch an einem weiteren Satz im Koalitionsvertrag:
„Schariagerichte werden wir nicht dulden.“ Damit bediene die Groko
Vorurteile gegen die muslimische Minderheit in Niedersachsen, sagt der
Abgeordnete Belit Onay. „Mir sind keinerlei Schariagerichte in
Niedersachsen bekannt.“ Zulässig sei eine solche Selbstjustiz ohnehin
nicht.
6 Dec 2017
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Islam
Staat
Religionsfreiheit
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Kopftuch
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Kopftuchverbot
Kopftuchverbot
Schwerpunkt Rassismus
Bremen
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