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# taz.de -- Kopftuchstreit in Berlin: Was heißt bitte schön Neutralität?
> Rot-Rot-Grün droht neuer Streit: Linke und Grüne wollen das
> Neutralitätsgesetz ändern, SPD-SenatorInnen halten daran fest – noch
> jedenfalls.
Bild: Würden Sie dieser Frau Ihre Kinder anvertrauen?
Nach dem Urteil im Kopftuchstreit bahnt sich der nächste Streit bei
Rot-Rot-Grün an: um das Berliner Neutralitätsgesetz. Während Justizsenator
Dirk Behrendt (Grüne) erklärte, seiner Ansicht nach sei das
„Neutralitätsgesetz so nicht zu halten“, ließ Bildungssenatorin Sandra
Scheeres (SPD) über ihre Sprecherin ausrichten, das Gesetz habe sich an
Berlins Schulen seit Jahren „bewährt“. Dieser Ansicht ist auch der für
Landesbedienstete zuständige Innensenator Andreas Geisel (SPD). Er sagte am
Freitag: „Wenn es das Berliner Neutralitätsgesetz nicht gäbe, müsste es
sofort geschrieben und verabschiedet werden.“
Das Landesarbeitsgericht hatte am Donnerstag einer Lehrerin Recht gegeben,
die die Bildungsverwaltung auf Entschädigung verklagt hatte, weil sie wegen
ihres Kopftuchs bei einem Casting für Grundschullehrer nicht genommen
worden war. Tatsächlich verbietet das Neutralitätsgesetz von 2005
Landesangestellten an allgemeinbildenden Schulen, in Justiz und Polizei,
religiöse Kleidung im Dienst zu tragen. Theoretisch sind damit auch Kippa
und Nonnenhabit verboten; de facto betrifft das Verbot nur Frauen mit
Kopftuch.
Aber nicht deshalb wurde der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 8.680
Euro zugesprochen, sondern weil das Bundesverfassungsgericht seither zwei
Urteile gesprochen hat, mit denen das Berliner Gesetz kaum überein zu
bringen ist. So darf nach Ansicht der obersten Richter die
Religionsfreiheit von Staatsbediensteten nur eingeschränkt werden, wenn
durch das Tragen religiöser Symbole eine konkrete Gefahr – etwa für den
Schulfrieden – zu erwarten ist. Die pauschale Annahme, solche Symbole
würden zu Konflikten führen, reiche nicht aus.
Seit diesen Urteilen aus Karlsruhe mehren sich die Stimmen in Berlin, über
das Neutralitätsgesetz nachzudenken. So hatte der für Religionen zuständige
Kultursenator Klaus Lederer (Linke) im Dezember erklärt, er erwarte, dass
auch in Berlin die Rechtsprechung des obersten deutschen Gerichts umgesetzt
wird, das Gesetz also geändert werde. Vor einer Novellierung plädierte
Lederer aber für eine „Phase des Nachdenkens“ und für mehr Studien darüb…
ob Kopftuchverbote die Integration behindern oder fördern.
## Diskriminierend oder Bollwerk gegen Islamismus?
Für den Integrationsbeauftragten Andreas Germershausen scheint die Frage
klar beantwortet. Er hoffe, sagte er nach dem Urteil, dass der Senat
zeitnah eine Entscheidung trifft, „die zur Gleichbehandlung von Frauen mit
Kopftuch im Schuldienst und anderen Verwaltungsbereichen führen wird“. Auch
der Sprecher der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş erklärte, mit dem
Urteil sei „eingetreten, was wir dem Berliner ‚Neutralitätsgesetz‘ berei…
seit seinem Inkrafttreten bescheinigen: Es ist diskriminierend.“
Der gegenteiligen Ansicht ist die AfD. Das Urteil des
Landesarbeitsgerichtes sei „ein fatales Signal zur Ermutigung islamischer
Hardliner und Integrationsverweigerer“, sagte der Fraktionsvorsitzende der
Rechtspopulisten, Georg Pazderski.
Der Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza hat sich nach dem
Kopftuch-Urteil des Landesarbeitsgerichtes für eine Reform des Gesetzes
ausgesprochen. Das Beste wäre seiner Ansicht nach die Abschaffung eines
Verbotes religiöser Symbole in Schulen. Dazu werde es aber wohl nicht
kommen, vermutete der Juraprofessor an der Freien Universität.
Wie es nun weitergeht, ist in der Tat völlig offen. Die Koalitionspartner
würden sich nun beraten, erklärte Behrendts Sprecherin am Freitag.
Prognosen darüber, ob und wie das Gesetz tatsächlich geändert wird, wollte
sie nicht geben.
10 Feb 2017
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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Kopftuchverbot
Diskriminierung
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Islam
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