# taz.de -- Debatte ums Kopftuch an Schulen: „Pädagogisch ein fatales Signal… | |
> Hinter dem Kopftuch steht die Vorstellung, dass der Frauenkörper ein | |
> Sexobjekt ist, sagt der Psychologe und Autor Ahmad Mansour. | |
Bild: Zuschauerinnen verfolgen im April 2016 die Klage einer Lehrerin mit Kopft… | |
taz: Herr Mansour, was haben Sie dagegen, dass Frauen mit Kopftuch an | |
Schulen unterrichten? | |
Ahmad Mansour: Zunächst habe ich nichts dagegen, dass Frauen Kopftuch | |
tragen. Aber ich lehne das Kopftuch für mich als religiöses Symbol ab. | |
Dahinter steht die Vorstellung, dass der Frauenkörper ein Sexobjekt ist, | |
das man verhüllen muss, und damit eine patriarchalische Ideologie, in der | |
Frauen nicht gleichberechtigt gesehen sind. Dieses Symbol finde ich an | |
Schulen hoch problematisch – zumal in diesen Zeiten, wo viele SchülerInnen | |
ohnehin fragwürdige Ideen zu Geschlechterrollen haben. | |
Was für Ideen? | |
Wir haben schon jetzt teilweise Mädchen, die im Grundschulalter Kopftuch | |
tragen! Da kann man mir nicht erklären, dass sie das freiwillig tun. Es | |
gibt bundesweit Tausende Mädchen, die nicht am Schwimmunterricht | |
teilnehmen, die ihren Partner nicht frei wählen dürfen, die von ihren | |
Familien und religiösen Autoritäten abgewertet werden, weil sie sich | |
„unislamisch“ bekleiden. Diesen Schülerinnen noch eine Lehrerin | |
vorzusetzen, die Kopftuch trägt, fände ich pädagogisch und soziologisch ein | |
fatales Signal. | |
Sie unterstellen also, Frauen, die Kopftuch tragen, hängen alle einem | |
konservativen, patriarchalen Islam an? | |
Das Wort „unterstellen“ mag ich in diesem Kontext nicht. In der Begründung | |
des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts, dass zwei Lehrerinnen | |
recht gegeben hat, wurde deutlich gesagt, die Frauen hätten glaubhaft | |
vermitteln können, dass das Kopftuchtragen eine religiöse Pflicht ist. Aber | |
wenn etwas als Pflicht angesehen wird, ist es definitiv keine freie | |
Entscheidung. Und die theologische Grundidee dahinter hat auch mit | |
Gleichberechtigung wie gesagt nichts zu tun. | |
Auch Lehrer ohne Kopftuch können reaktionäre Einstellungen haben. Trotzdem | |
traut man ihnen zu, neutral zu sein. Warum? | |
Das stimmt nicht. Wenn etwa ein bekennender AfD-Anhänger Schulleiter wird, | |
will ich das auch thematisieren. Es stimmt, niemand weiß, was in den Köpfen | |
von Lehrern vorgeht, aber wenn sie ihre Einstellung etwa durch das Tragen | |
eines Kopftuchs oder einer Kippa an der Schule zur Schau tragen, dann muss | |
das thematisiert werden! | |
Was sagen Sie zu dem Argument, Frauen mit Kopftuch können auch positive | |
Vorbilder sein, indem sie zeigen, dass muslimische Frauen hier etwas werden | |
können, dass man in dieser Gesellschaft angekommen ist? | |
Angekommen sein bedeutet, die Werte unseres Grundgesetzes ohne | |
Einschränkung zu achten und im Zweifel auch über religiöse Normen zu | |
stellen. Das schließt mit ein, dass Frauen mit oder ohne Kopftuch alles | |
erreichen können sollen. Aber es gibt Bereiche, die ich neutral halten | |
will, weil sie sehr wichtig sind für eine Sozialisation, in der gewisse | |
Werte vermittelt werden können. Das ist vor allem die Pädagogik. Natürlich | |
können Frauen mit Kopftuch an Unis forschen, Professorinnen werden, in | |
Banken arbeiten oder Politikerinnen werden, wenn sie gewählt werden. Aber | |
für die Kinder brauchen wir Vorbilder, die zeigen, wie man aus diesen | |
patriarchalen Geschlechterrollen rauskommt, und sie nicht auch noch | |
vorleben. | |
3 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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