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# taz.de -- Urteil zu Kopftuch im öffentlichen Dienst: Berlin muss blechen
> Landesarbeitsgericht verurteilt Berliner Senat zur Zahlung von 8.600 Euro
> Entschädigung an eine Lehrerin mit Kopftuch, die nicht eingestellt wurde.
Bild: Klägerin-Anwältin Maryam Haschemi Yekani im April 2016 bei der ersten V…
Das Land Berlin muss einer Lehrerin eine Entschädigung von 8.680 Euro
zahlen. Die Frau, die ein muslimisches Kopftuch trägt, hatte sich um eine
Stelle als Grundschullehrerin beworben und war mit Verweis auf das Berliner
Neutralitätsgesetz abgelehnt worden. Das Landesarbeitsgericht wertete dies
am Donnerstag als unzulässige Diskriminierung aufgrund der Religion –
anders als die erste Instanz, die die Klage der Frau im vorigen April
abgewiesen hatte. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) twitterte umgehend:
„Das ist der Anfang vom Ende des Berliner #Neutralitätsgesetzes. Und ein
guter Tag für die #Antidiskriminierung.“
Auch Maryam Haschemi Yekani, die Anwältin der Klägerin, reagierte erfreut:
Das Gericht sei neueren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gefolgt,
nach denen ein pauschales Kopftuchverbot ein unverhältnismäßiger Eingriff
in die Religionsfreiheit sei. „Nun muss das Berliner Neutralitätsgesetz
angepasst werden“, erklärte sie. Ähnlich äußerten sich das
Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes Berlin und das Netzwerk
gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan). Beide Organisationen
hatten die Klägerin unterstützt.
Das Berliner Neutralitätsgesetz von 2005 verbietet bestimmten
Landesbediensteten wie PolizistInnen und LehrerInnen das Tragen von
weltanschaulichen und religiösen Symbolen oder Kleidungsstücken im Dienst.
Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in mittlerweile zwei
Fällen geurteilt, dass ein pauschales Verbot nicht mit der grundgesetzlich
garantierten Bekenntnisfreiheit vereinbar sei. Es müsse schon eine konkrete
Gefährdung für das friedliche Zusammenleben vorliegen, so die Richter. Im
ersten Fall ging es um zwei Lehrerinnen in NRW, im zweiten Fall um eine
Kita-Erzieherin in Baden-Württemberg.
Schon nach dem ersten BVerfG-Urteil von Anfang 2015 hatten Gutachter des
Abgeordnetenhauses festgestellt, dass mit diesen Vorgaben des obersten
Gerichts das Neutralitätsgesetz nicht mehr haltbar sei, der
wissenschaftliche Dienst des Landesparlaments hatte bereits Alternativen
formuliert. Der rot-schwarze Vorgängersenat hatte eine Reform des Gesetzes
jedoch immer abgelehnt. Das könnte sich nach den Worten von Behrendt nun
offenbar ändern. Andererseits bleibt Schulsenatorin Sandra Scheeres dabei,
dass sich „das Neutralitätsgesetz seit Jahren an Berlins Schulen bewährt“
habe.
## Zweifel an Verfassungsmäßigkeit
Aber auch die Vorsitzende Richterin Renate Schaude legte am Donnerstag noch
vor der Urteilsverkündung nahe, über eine Änderung des Gesetzes
nachzudenken. Man könne durchaus Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des
Neutralitätsgesetzes haben, sagte sie, „und das haben wir auch“. Es sei
offenkundig, dass von der Klägerin und ihrem Kopftuch für sich genommen
keine Gefahr für den Schulfrieden ausgehe.
Dagegen hatte die Bildungsverwaltung argumentiert, man habe der Klägerin
eine Stelle angeboten. Tatsächlich erlaubt das Neutralitätsgesetz mit
Kopftuch in berufsbildenden Schulen zu arbeiten. Dies hatte die Klägerin
abgelehnt, weil sie sich dennoch diskriminiert fühle.
Die CDU forderte den Senat auf, gegen das Urteil Revision beim
Bundesarbeitsgericht einzulegen. „Der Schulfrieden erfordert es, dass das
Berliner Neutralitätsgebot uneingeschränkt fortbesteht“, erklärte der
innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger. Scheeres
Sprecherin Beate Stoffers gab sich dagegen zurückhaltend: Man werde sich
erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung ansehen.
9 Feb 2017
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Kopftuchverbot
Gleichstellungsgesetz
Diskriminierung
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