| # taz.de -- Verstoß gegen „Neutralität“: Kita will Kopftuch verbannen | |
| > Eine Hamburger Kita will eine zum Islam konvertierte Erzieherin | |
| > loswerden. Ihr Kopftuch verstoße gegen die neue „Neutralitätsanordnung“. | |
| Bild: Geht doch: Kita-Erzieherin mit Kopftuch | |
| Hamburg taz | Der Streit um die Kopfbedeckung einer Hamburger Erzieherin | |
| beschäftigt jetzt den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Die Frau ist | |
| freigestellt und darf nicht in ihrer Kita arbeiten. Der Fall lag schon beim | |
| Arbeitsgericht in Hamburg, doch dies setzte das Verfahren nun aus und | |
| stellt den Luxemburger EU-Richtern Fragen zur „Vorabentscheidung“. Denn in | |
| der Sache könnten jüngste deutsche und europäische Richtersprüche | |
| kollidieren. | |
| Die Erzieherin war beim privaten Träger Wabe e. V. beschäftigt, der in | |
| Hamburg und Umgebung 23 Kitas betreibt. Die junge Frau nahm nach der Geburt | |
| ihres Kindes Elternzeit. Sie war schon 2011 zum Islam konvertiert, | |
| entschied sich aber erst während der Elternzeit, „aus religiösen Gründen | |
| ein islamisches Kopftuch zu tragen“, wie ihr Anwalt Klaus Bertelsmann | |
| berichtet. | |
| Als sie zu Jahresbeginn ihre Arbeit wieder aufnehmen wollte, wurde ihr mit | |
| Verweis auf eine gerade erlassene „Neutralitätsanordnung“ von Wabe e. V. | |
| untersagt, mit Kopftuch tätig zu sein. Ihr Anwalt spricht von einem | |
| „Trick“. | |
| „Sie lehnte es ab, das Kopftuch abzulegen“, berichtet er. „Es folgten | |
| mehrere Abmahnungen. Danach kam eine Kündigung.“ Diese sei zurückgenommen | |
| worden, nachdem der Arbeitgeber von einer neuen Schwangerschaft erfuhr. | |
| Doch inzwischen habe dieser eine Kündigung beim Amt für Arbeitsschutz | |
| beantragt, was in solchen Fällen nötig ist. | |
| ## Der EuGH muss helfen | |
| Doch die Frau wehrte sich auch gegen die Abmahnungen. In diesem | |
| Rechtsstreit suchte nun das Arbeitsgericht Hamburg Hilfe beim Europäischen | |
| Gerichtshof. | |
| Denn erst im März 2015 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass | |
| ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Schulen verfassungswidrig | |
| ist. Ein Verbot sei erst dann zu rechtfertigen, wenn eine „hinreichend | |
| konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität | |
| festgestellt sei. | |
| Bisheriger Auslegung zufolge gilt diese Regel auch für staatliche Kitas. | |
| Der stadteigene Hamburger Kita-Träger „Elbkinder“ zum Beispiel toleriert | |
| denn auch mit Religion verbundene Bekleidung, sofern dies im Job nicht | |
| stört. „Wir billigen das Tragen von Kopftüchern, wenn das Gesicht frei | |
| bleibt“, sagt Sprecherin Katrin Geyer. | |
| Denn die Arbeit mit Kindern sei Beziehungsarbeit, „dazu gehört, dass | |
| Augenkontakt zwischen Kind und Erzieherin immer möglich sein muss“. Auch | |
| dürfe die Kleidung nicht die Freiheit einengen, damit die Erzieherinnen in | |
| der Lage sind, sich mit den agilen Kindern zu bewegen. | |
| Doch hier geht es um die Frage, ob dies auch für private Kindergärten gilt. | |
| Im März 2017 hatte der Europäische Gerichtshof anlässlich eines Falls in | |
| Belgien entschieden, dass das Kopftuchverbot eines privaten Arbeitgebers | |
| zulässig sei, wenn es auf einer unternehmensinternen Regel basiert, die | |
| politische, philosophische oder religiöse Zeichen unterschiedslos | |
| verbietet. | |
| ## Eltern legten Wert auf „absolute Neutralität“ | |
| Ebenso argumentiert auch Wabe e. V. „In politischer, weltanschaulicher und | |
| religiöser Hinsicht setzen wir als sozialer und Bildungsträger auf absolute | |
| Neutralität“, sagt Sprecherin Katja Wohlers. Die sei „fester Bestandteil“ | |
| des pädagogischen Konzepts. Wabe e. V. sei „überkonfessionell“. Für viele | |
| Eltern gebe dies den Ausschlag bei der Kita-Wahl. | |
| Dass die Erzieherin aus religiöser Überzeugung ihr Kopftuch in der Kita | |
| nicht ablegen möchte, widerspreche „aus Sicht von Wabe e. V. unserem | |
| Neutralitätsgebot“, so Wohlers. Luxemburg werde nun klären, ob das | |
| Neutralitätsgebot von Wabe e. V. den europarechtlichen Vorgaben entspreche, | |
| „wovon wir nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs | |
| ausgehen“, so die Sprecherin. | |
| Die Luxemburger Richter sollen klären, wie weit hier das Grundrecht der | |
| Unternehmerfreiheit greift und ob es reicht, dass ein Chef mit so einem | |
| Verbot den subjektiven Wünschen seiner Kunden entsprechen möchte. Und sie | |
| sollen klären, ob dieses EU-Recht einer nationalen Regelung entgegen steht, | |
| wonach, wie in Deutschland, so ein Verbot gar nicht pauschal, sondern nur | |
| aufgrund einer „hinreichend konkreten Gefahr“ gelten kann. | |
| Anwalt Bertelsmann erwartet das Ergebnis in etwa 18 Monaten und ist | |
| zuversichtlich. Es sei unverständlich, wieso ein großer Kita-Träger | |
| versuche, das islamische Kopftuch aus seinem Betrieb zu verdrängen. Eine | |
| Ungleichbehandlung wegen der Religion könne es nur geben, wenn dadurch | |
| konkrete Störungen drohten. „Eine Arbeit mit Kopftuch ist aber ganz normal, | |
| auch im Erziehungsbereich“, sagt Bertelsmann. „Die Kinder kennen das ja | |
| auch aus ihrem täglichen Erleben.“ | |
| 6 Dec 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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