| # taz.de -- Kopftuch und staatliche Neutralität: „Für Berlin ist das die be… | |
| > Das Kopftuch als reaktionäres Zeichen verändert unsere Gesellschaft, sagt | |
| > die Anwältin Seyran Ateş. Sie will nun für das Land Berlin das | |
| > Neutralitätsgesetz retten. | |
| Bild: Seyran Ates ist selbst gläubige Muslimin und angehende Imamin. Hier steh… | |
| taz: Frau Ateş, als Anwältin des Landes Berlin in einem neuen | |
| Kopftuchstreit haben Sie erklärt, mit dem Fall eine Grundsatzentscheidung | |
| zum Neutralitätsgesetz erreichen zu wollen. Warum? | |
| Seyran Ateş: Wir hoffen natürlich, das Neutralitätsgesetz zu retten. Wir, | |
| also das Land als meine Mandantin und ich, sind der Ansicht, dass das | |
| Neutralitätsgesetz für Berlin die beste Lösung ist. Es ist ein ausgewogenes | |
| Gesetz, das an Grundschulen das Tragen von religiösen Symbolen verbietet, | |
| an Berufsschulen dagegen erlaubt, wo ältere Kinder unterrichtet werden, die | |
| sich selbst eine Meinung bilden können. Man darf auch nicht vergessen: Die | |
| Nonnentracht und die jüdische Kippa sind von dem Verbot ebenfalls | |
| betroffen. | |
| Aber es gibt zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die besagen, dass | |
| ein pauschales Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen und Erzieherinnen deren | |
| Religionsfreiheit verletzt. | |
| Ja, aber dem widerspricht der Europäische Gerichtshof, der in einem Urteil | |
| gesagt hat, ein Arbeitgeber hat das Recht, von seinen Angestellten | |
| religiöse Neutralität zu verlangen und somit das Tragen von religiösen | |
| Symbolen am Arbeitsplatz zu untersagen. Für uns ist das die richtige | |
| Entscheidung – und sie kommt von einem noch höheren Gericht. Wir hoffen, in | |
| dem aktuellen Rechtsstreit den Widerspruch zwischen beiden Gerichten zu | |
| unseren Gunsten auflösen zu können. Wir werden durch alle Instanzen gehen – | |
| die Gegenseite will dies wohl auch. | |
| Erklären Sie doch bitte als angehende Imamin: Wofür steht das Kopftuch? | |
| Inzwischen ist die ganze Welt davon betroffen, vor allem die islamische | |
| Welt wird durch den Streit übers Kopftuch polarisiert. Es ist umstritten, | |
| ob es eine religiöse Pflicht ist, und es gehört ja nicht zu den fünf Säulen | |
| des Islam, sonst gäbe es diese heftigen Diskussionen gar nicht. Aber in | |
| jedem Land, in dem der reaktionäre Islam an Boden gewinnt, nimmt die Zahl | |
| der Kopftuchträgerinnen zu. Und überall in der islamischen Welt wehren sich | |
| Millionen von Frauen dagegen. Denn es geht beim Kopftuch auch um eine | |
| Verschlossenheit halsabwärts. Letztlich zielt es auf die Sexualität des | |
| Mannes, der sich angeblich anders gar nicht zügeln kann. | |
| Aber ist es wirklich so schlimm, wenn ein paar Lehrerinnen ein Kopftuch | |
| tragen? | |
| Es geht nicht um ein paar Lehrerinnen, sondern darum, dass das Kopftuch | |
| unsere Gesellschaft bereits verändert hat. In den 70er, 80er Jahren gab es | |
| in Berlin fast keine Kopftücher, heute tragen es immer mehr Frauen – und | |
| immer mehr kleine Mädchen fangen schon im Kindergartenalter damit an. Schon | |
| jetzt gibt es Streit an Schulen über religiöse Fragen, etwa ob Mädchen | |
| Kopftuch tragen müssen oder ob man im Ramadan fasten muss. Das Land muss | |
| sich aus diesen religiösen Fragen heraushalten, seine Neutralität wahren, | |
| auch die Lehrerinnen als Amtsträgerinnen. Sie sind Vorbilder und dürfen in | |
| der aufgeheizten Situation nicht durch Tragen religiöser Kleidung dieser | |
| Legitimität verleihen. | |
| 18 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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