# taz.de -- Initiative gegen Hasskommentare: Zivilcourage statt Zensur auf Face… | |
> Facebook, Think Tanks und eine Stiftung starten eine Initiative gegen | |
> Hassrede im Internet. Es geht um starke Gegenrede statt bloßen Löschens. | |
Bild: Rechtsextreme und rassistische Kommentare finden und mit Zivilcourage dag… | |
BERLIN taz | „Kommt mir einer von den Abschaum zu nah, der überlebt keine | |
Minute.“ Solche hasserfüllten rechtsradikalen Kommentare gegen Flüchtlinge | |
wüten auf Facebook. Doch das Löschen von grauenhaften Posts löst das | |
Problem nicht. Dafür braucht es aktive Gegenrede, sogenannte Counterspeech, | |
innerhalb der Community. Das hat auch Facebook erkannt und gemeinsam mit | |
renommierten Think Tanks und einer Stiftung die [1][“Initiative für | |
Zivilcourage Online“] ins Leben gerufen. | |
Europäische NGOs, die sich schon jetzt gegen Hassrede und Extremismus im | |
Internet engagieren, sollen mit einer Million Euro finanziell und bei | |
Marketing-Aktivitäten unterstützt werden. Außerdem will die Initiative | |
wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet stärken und neue Instrumente | |
sowie Lösungsansätze entwickeln. | |
„Facebook ist kein Ort für Hass und Intoleranz“, sagte Facebook-Managerin | |
Sheryl Sandberg gestern in Berlin, wo sie die europaweite Initiative | |
vorstellte. Mit im Boot sind die Londoner Think Tanks, [2][“International | |
Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence“] (ICSR) und | |
[3][“Institute for Strategic Dialogue“] (ISD) sowie die [4][Amadeu Antonio | |
Stiftung], die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus einsetzt. | |
Takedown, sprich das Löschen von Hasskommentaren, „ist nur ein Bestandteil | |
der Strategie, nicht die Lösung“, sagt Peter Neumann, Leiter des ICSR. Denn | |
im schlimmsten Fall verhilft es den Usern sogar zu mehr Ansehen, erklärt | |
Sasha Havlicek, Geschäftsführerin des ISD. Durch die Zensur würden sie | |
sozusagen zu „Online-Märtyrern“ und noch mehr von ihren Anhängern | |
gehuldigt. Nur zusammen mit systematischer Auswertung und vor allem aktivem | |
Dagegenhalten können Takedowns funktionieren, sind sich alle einig. Noch | |
sei man „Lichtjahre von friedfertiger Kommunikation entfernt“, sagt Anetta | |
Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. | |
## Zusammenarbeit ja, von Facebook „alles gut finden“ nein | |
Bisher ist wenig an der Initiative konkret, doch immerhin gebe es nun einen | |
großflächigen Ansatz beim „Kampf der Ideen“, wie Havlicek, die Gegenrede | |
bei Hasskommentaren nennt. Auch Neumann, der sich seit Langem mit | |
Onlineradikalisierung beschäftigt, erklärt: „Wir haben genau eine solche | |
Initiative gefordert.“ | |
Die Zusammenarbeit mit Facebook heiße jedoch beileibe nicht, dass die | |
Organisationen „alles gut finden, was Facebook macht“, betont Neumann. | |
Facebook lege jetzt vor, „aber unser Ziel ist es, dass sich auch andere | |
Partner anschließen.“ | |
Warum die Initiative gerade in Deutschland startet, liege daran, dass die | |
27 Millionen „Nutzer in Deutschland sehr aktiv“ seien, erklärt Sandberg. | |
Doch Hassrede im Netz sei beileibe kein deutsches Problem. Die vorerst auf | |
Europa konzentrierte Initiative werde sich daher hoffentlich auch weltweit | |
bewähren. | |
Und das nicht nur virtuell. Grundsätzlich müsse es nämlich darum gehen, | |
dass „aus Online-Hass keine Offline-Gewalt“ werde, betont Neumann. Sandberg | |
malt derweil amerikanisch-pathetische Bilder von Toleranz, Liebe und | |
Weltfrieden. So romantisch das klingen mag, so brisant ist das Problem, dem | |
sich Facebook nun mit einer Million Euro stellt. | |
## Facebook investiert zunächst nur eine Million in die Initiative | |
Eine verschwindend geringe Summe für den Internetriesen. Allein im dritten | |
Quartal 2015 hat Facebook 717 Mal so viel für Investitionen ausgegeben. | |
Auch Sandberg räumt ein, die Million solle nur der Startschuss sein. „Wir | |
müssen irgendwo anfangen und würden es sehr begrüßen, wenn andere | |
mitziehen.“ | |
Während die „Initiative für Zivilcourage Online“ also noch konkrete Formen | |
annehmen muss, ist Facebook neben Twitter und Google bereits Teil einer | |
Mitte September von Justizminister Heiko Maas gegründeten „Taskforce“, um | |
gegen rassistische und fremdenfeindliche Kommentare vorzugehen. Facebook | |
hat sich verpflichtet, Hasskommentare innerhalb von 24 Stunden zu prüfen | |
und möglicherweise zu löschen, wenn sie deutschem Recht widersprechen. Ende | |
vergangener Woche teilte der Internetriese mit, dass die | |
Bertelsmann-Tochter Arvato dies von Deutschland aus übernimmt. | |
19 Jan 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/onlinecivilcourage | |
[2] http://icsr.info/ | |
[3] http://www.strategicdialogue.org/ | |
[4] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ | |
## AUTOREN | |
Astrid Ehrenhauser | |
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