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# taz.de -- Extrempreise für Immobilien: Abstellkammer in Bestlage
> Ein Makler bietet eine 10-qm-Wohnung in Kreuzberg für fast 100.000 Euro
> an. Ein Witz? Nein: Es zeigt, was auf dem Berliner Immobilienmarkt schon
> möglich ist.
Bild: Raum ist selbst in der kleinsten Hütte, weiß doch jeder Hund (Symbolbil…
Zehn Quadratmeter Wohnfläche machen keinen Spaß, glauben Sie mir. Man kann
zwar zu dem Schluss kommen, dass man keinen Tisch braucht, weil man
schließlich auch im Bett essen kann. Zehn Quadratmeter bleiben zehn
Quadratmeter. London 2007, Auslandssemester: ein Bett, ein Schrank, keinen
Tisch. Zu zehn Quadratmetern sagt man Ja, wenn man keine Kohle hat.
Oder offenbar zu viel davon: Berlins wohl teuerstes Wohnklo gibt es derzeit
im Kreuzberger Bergmannkiez käuflich zu erwerben. 9,7 Quadratmeter
Hochparterre für 99.000 Euro. Macht 10.000 Euro pro Quadratmeter
Altbaudielenboden von 1906. Macht viereinhalb Schritte von der „großen
Altbauflügeltür“ bis zum Fenster, zwei Schritte von der Tür bis zur
Toilette in „gehobener Ausstattung“.
Ja, und selbst wenn die Klobrille aus Gold gegossen wäre, sagen Sie jetzt:
Das ist doch nicht normal? Stimmt, ist es nicht. Der durchschnittliche
Kaufpreis für eine 40 Quadratmeter große Wohnung in Kreuzberg lag im
Dezember laut Verkaufsstatistiken der größten Online-Immobilienportale bei
rund 3.900 Euro pro Quadratmeter für kleine Wohnungen bis zu 40
Quadratmetern Grundfläche. Der Wert für ganz Berlin lag noch mal 1.000 Euro
darunter.
Über 99.000 Euro für eine Abstellkammer mit Toilettenecke mag man sich
amüsieren. Doch die Anzeige ist keineswegs ein Witz. „Selbstverständlich
gibt es ernsthafte Interessenten, sonst hätte der Verkäufer sein Angebot
inzwischen angepasst“, sagt Mario Hackenberg, Geschäftsführer der
Makleragentur, die das Apartment anbietet. Die Wohnung sei für Leute
gedacht, „die ein- oder zweimal im Monat geschäftlich in Berlin sind und
ihren Koffer nicht im Hotel abstellen wollen“. Und selbstverständlich sei
das auch kein Wucher, zwar ein „Ausreißer nach oben“, aber auf jeden Fall
seriös: „Die Nachfrage bestimmt das Angebot, so einfach ist das.“
Ja, so einfach ist das in der Tat. Nun bekommt man zwar beim selben
Immobilienportal für das gleiche Geld beispielsweise auch immer noch zwei
Zimmer in der Kreuzberger Großbeerenstraße. Doch die offensichtlich
nachgefragte Abstellkammer mit Flügeltür im Bergmannkiez zeigt die
Auswüchse, die inzwischen auf dem Berliner Wohnungsmarkt möglich sind.
## 40 Prozent mehr Verkäufe
Ein paar Zahlen: Der bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
angesiedelte Gutachterausschuss für Grundstückswerte zählte im November
2015 40 Prozent mehr Verkäufe von Eigentumswohnungen als im
Vorjahreszeitraum. Und für diese 10.500 Wohnungen gaben die Käufer mit 2,3
Milliarden Euro auch noch 60 Prozent mehr aus als im Vorjahr. Aber auch das
ist ja immer noch so shockingly wenig, kein Vergleich zu London oder New
York, of course.
Einen Hinweis, dass das Apartment in der Riemannstraße auch „als
Ferienwohnung“ geeignet sei, hat der Makler übrigens inzwischen von der
Angebotsseite entfernt. Vielleicht besser so: Bereits Ende 2013 hatte der
Senat die Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen gesetzlich verboten.
Weil Ferienwohnungen, wie auch Eigentumswohnungen, den Mietraum weiter
verknappen und also verteuern. Angebot und Nachfrage, Sie wissen schon.
Die Linksfraktion hatte vergangene Woche vorgeschlagen, man könne doch auf
den 1,6 Millionen Quadratmetern Ferienwohnungen, die es in Berlin gibt,
doch auch immerhin 60.000 Flüchtlinge und 8.000 Obdachlose unterbringen.
Auch Vermieter von Ferienwohnungen hätten schließlich eine soziale
Verantwortung.
Was für eine schöner Ablasshandel! Falls der glückliche Besitzer in spe
also aus Versehen sein kuscheliges Apartment in bester Kreuzberglage in
Zukunft doch mal als Touristenabstellkammer vermietet – kann ja passieren,
mein Gott, irgendwann will man den Kaufpreis ja doch mal wieder drin haben:
In den Massenunterkünften auf dem benachbarten Tempelhofer Feld findet sich
bestimmt ein Interessent, für den wenige Quadratmeter Privatsphäre besser
sind als gar keine. Die Nachfrage nach sozialer Verantwortung dürfte dort
riesig sein.
Aber gut, nehmen wir mal an, Herr oder Frau Rollkoffer ziehen tatsächlich
selbst ein. Ein Tipp: Hören Sie nicht auf zu investieren! In guten Wein,
den sie den Nachbarn vorbeibringen. Falls Sie doch mal drei Unterhosen
Handwäsche haben sollten. Sie werden einen fremden Flur brauchen, um sie zu
trocknen.
17 Jan 2016
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
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