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# taz.de -- Kampf der Titaninnen: Merkel vs. Simpson
> Wer ist die bessere Klimakanzlerin? Lisa Simpson, Comicfigur aus
> Springfield, USA – oder Angela Merkel, Politikerin aus Deutschland?
Bild: Die erste gelbe Präsidentin der USA wird im Jahr 2030 gewählt. Sie hei�…
Die grüne Weste von Angela Merkel hat in den letzten Jahren ein paar
hässliche Flecken bekommen. Die Regierungschefin stellt sich vor die
deutsche Autoindustrie, sobald aus Brüssel schärfere Abgasgrenzwerte
drohen; immer noch gibt es für dreckige Energien deutsche Exporthilfen, die
etwa die USA und Frankreich gekündigt haben. Vergangenes Jahr schwänzte sie
im September den Extra-Klimagipfel von Ban Ki Moon in New York.
Vor allem innenpolitisch kocht Merkel den Klimaschutz auf kleiner Flamme.
Während Barack Obama Anfang September nach Alaska reist, sich als
Klimapräsident inszeniert und ein seitenlanges Interview im Rolling Stone
gibt, taucht Merkel ab. Seit Monaten gab es keinen öffentlichen Auftritt,
keine große Rede zum Thema. Fragt man nach der Bilanz der „Klimakanzlerin“
in ihrem eigenen Haus, ruft das Kanzleramt nicht zurück; Flüchtlinge und
Terror sind wichtiger. Und in der entscheidenden Debatte über die deutsche
Klimapolitik, Sigmar Gabriels „Kohleabgabe“, lässt Merkel ihren Vizekanzler
allein die Kastanien aus dem Feuer holen. „Klimakanzlerin?“, fragt
süffisant ein Mitglied der Großen Koalition. „Ich wusste gar nicht, dass
Österreich von einer Frau regiert wird.“
Trotzdem ist Angela Merkel eine große deutsche Klimakanzlerin und einer der
seltenen Lichtblicke auf dieser Klimakonferenz. Kein anderes großes
Industrieland wagt sich bei Energiewende und Klimapolitik so weit vor wie
die Bundesrepublik unter ihrer Führung. Merkels Deutschland ist in den
letzten zehn Jahren zu einer Großmacht beim Klimaschutz geworden. Geschickt
verbindet sie die deutsche Öko-Seele mit ökonomischen Vorteilen für die
Industrie. Unter den grauen Herren, die am Montag in Paris beim Treffen der
Staats- und Regierungschefs im Minutentakt ihre vorhersagbaren Sprüche
aufsagen, sticht Merkel nicht nur durch ihr farbiges Sakko hervor.
Sondern auch dadurch, dass sie mit einer der besten Klimabilanzen prahlen
könnte. Und dadurch, dass sie genau das nicht tut. Zum Teil ist Merkel
natürlich die Einäugige unter den Blinden. Immer noch liegt unser
CO2-Ausstoß mit zehn Tonnen pro Person und Jahr fünfmal so hoch wie die
Erde pro Kopf im Schnitt aushalten würde. Immer noch warnen Experten, dass
Deutschland sein Ziel, im Jahr 2020 40 Prozent weniger Klimagase
auszustoßen als 1990, ohne zusätzliche Anstrengungen nicht schafft.
Aber Merkels positive Rolle für den internationalen Prozess ist kaum zu
überschätzen. Deutschland dient mit seiner Energiewende für viele als
Vorbild: Nicht nur, weil wir zeigen, wie schnell der Aufbau von
Öko-Energien gehen kann, sondern auch, weil es an den Kosten nicht
scheitert, weil wir weltweit die Preise für Solarenergie gesenkt haben und
trotzdem fast alle im Land dafür sind.
Es ist nicht Merkels Verdienst, dass Energiewende und Klimaschutz in
Deutschland populär sind. Aber sie trägt diese Stimmung und formuliert sie,
dann gießt sie sie in Haushaltstitel: Deutschland hat mehrfach die anderen
Industrieländer unter Zugzwang gesetzt, indem es generös für
UN-Klimapolitik Gelder bereitgestellt hat. Außerdem wird mit deutschen
Steuergeldern ein großer Teil der Klimaforschung und des UN-Sekretariats
bezahlt, deutsche Stromkunden haben den Preis der Erneuerbaren weltweit
gedrückt.
Gerhard Schröder als rot-grüner Kanzler hat das Klimagedöns total
verschlafen. Die konservative Angela Merkel hat 1995 als Umweltministerin
die Klimakonferenzen auf den Weg gebracht, hat 1997 das wichtige
Klimaabkommen von Kioto verhandelt und 2009 für ein Abkommen in Kopenhagen
gekämpft. Manche Beobachter sagen, sie verstehe vom Klima mehr als von
vielen anderen Dingen, die sie als Kanzlerin entscheidet.
Vor Paris hat sie beim G-7-Gipfel in Elmau die Industriestaaten auf die
„Dekarbonisierung“ eingeschworen. Zu zaghaft, aber den Kohle- und
Öl-Junkies am G-7-Tisch, den USA, Japan und Kanada, dieses Ziel
abzutrotzen, ist genau die Art von Führung, die die jetzige Klimakonferenz,
die COP21, braucht: ein halbwegs realistisches Ziel, das eine Zukunft ohne
fossile Energien vorstellbar macht. Würde sich die Merkel-Linie in Paris
durchsetzen, wäre vieles gewonnen. Bernhard Pötter
***
Die erste gelbe Präsidentin der USA wird im Jahr 2030 gewählt. Sie heißt
Lisa Simpson, und eine ihrer ersten Maßnahmen ist es, neben der Renaissance
des Lesens und Schreibens die Ozeane wieder aufzufüllen – so verkündet sie
es zur Auftaktpresskonferenz im Weißen Haus.
Lisa Simpson, Tochter von Marge und Homer, aufgewachsen in Springfield, ist
eine der einflussreichsten Umweltbotschafterinnen der Welt. Die Folge, in
der sie Präsidentin wird, ist aus dem Jahr 2000 , und seitdem hat sie sich
in unzähligen der fast 600 Folgen der erfolgreichsten Zeichentrickserie
ever für die Umwelt eingesetzt. Einmal angelt sie einen mutierten,
dreiäugigen Fisch und setzt sich danach für Umweltinspektionen im
Atomkraftwerk von Springfield ein. Sie engagiert sich für Mülltrennung,
selbstredend ist Lisa Vegetarierin.
Die Simpsons treffen die Amerikaner mitten in ihrem Alltag. Dass sie dabei
nicht nur Stereotype reproduzieren und persiflieren, sondern das
amerikanische Lebensgefühl beeinflussen, ist vielfach untersucht: Die
Simpsons sollen nicht nur die Wahrnehmung von Homosexuellen positiv
beeinflusst haben. Das Wall Street Journal traute Homer schon vor Jahren
zu, eine mögliche Renaissance der Atomkraft zu verhindern, weil sein
verpeiltes hantieren mit Kernbrennstäben im Springfielder AKW die Risiken
der Technologie ziemlich subtil ins Unterbewusstsein der Amerikaner
einschmuggelt. Satire kann niemand entkommen.
Besonders wirkmächtig wird Lisa beim Thema Klimawandel. Der ist zwar in den
USA unter Wissenschaftlern Konsens, die Republikaner aber halten ihn für
eine grüne Spinnerei. James Inhofe zum Beispiel. Der Senator aus Oklahoma
warf im März im US-Senat einen Schneeball in Richtung Präsident Barack
Obama (metaphorisch – er war nicht da), um zu beweisen, dass es keinen
Klimawandel gibt, weil: Ist ja noch ziemlich kalt. Lisa Simpson selbst
stellt daraufhin ein Video online, in dem sie ihrem Vater Homer erklärt,
dass es durchaus schneien kann, auch wenn die Welt wärmer wird. Homer
kapiert’s natürlich nicht. Aber wer will schon wie Homer sein?
Homer sagt übrigens in einer Folge einen Satz, der über unseren Köpfen
schwebt, wenn es um die globale Erwärmung geht: „Nur weil’s mich nicht
kümmert heißt es nicht, dass ich’s nicht verstehe.“ Ingo Arzt
30 Nov 2015
## AUTOREN
Bernhard Pötter
Ingo Arzt
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