# taz.de -- Eröffnungsreden des Klimagipfels: Große Worte | |
> Über 150 Staats- und Regierungschefs sprechen beim Weltklimagipfel. | |
> Eindringliche Warnungen gibt es reichlich, die erhoffte neue Bewegung | |
> hingegen kaum. | |
Bild: 151 Staats- und Regierungschefs posieren für ein sehr großes Foto – z… | |
Paris taz | Die historische Breite dieser Veranstaltung zeigte sich gleich | |
zu Anfang: Beim Familienfoto unmittelbar nach Beginn des Weltklimagipfels | |
in Paris gelang es nur Fotografen mit extremem Weitwinkelobjektiv, alle | |
anwesenden 151 Staats- und Regierungschefs auf ein Bild zu bekommen. Nie | |
zuvor sind nach Angaben der Vereinten Nationen so viele von ihnen | |
gleichzeitig am selben Ort zusammengekommen. | |
Bei den anschließenden Reden gingen die Probleme dann weiter: Damit jeder | |
zu Wort kam, mussten die Chefs in zwei Räumen parallel sprechen. Und selbst | |
auf diese Weise zog sich das Auftaktevent den ganzen Tag lang hin. Denn | |
eins war auch bei diesem historischen Gipfel wie immer: Viele RednerInnen | |
betonen, dass zur Lösung der Klimaprobleme nur noch wenig Zeit bleibt – um | |
dann die drei Minuten Redezeit, die jedem zugestanden werden, um das | |
Doppelte bis Dreifache zu überziehen. | |
Das Kalkül der französischen Präsidentschaft war: Wir laden die Staatschefs | |
am Anfang ein, dann sind sie in der entscheidenden letzten | |
Verhandlungsnacht nicht im Weg und können zu Konferenzbeginn für Schwung | |
sorgen. Die erste Rechnung geht auf, die zweite nur bedingt. Denn vor allem | |
die wichtigsten Staatschefs wiederholten nur ihre bekannten Positionen und | |
ließen kaum Möglichkeiten erahnen, wo und wie ihre Unterhändler in den | |
nächsten zwei Wochen beweglich sein sollten. Meist überwogen | |
Weltrettungs-Pathos und alte Positionen. | |
Am weitesten kam der anderen Seite noch der Gastgeber entgegen: Eingerahmt | |
von den Flaggen Frankreichs und der Vereinten Nationen zog der Präsident | |
François Hollande eine Parallele zwischen dem Kampf gegen den Terror und | |
dem drohenden Klimawandel. | |
„Wir müssen unseren Kindern nicht nur eine Welt ohne Terror hinterlassen, | |
sondern auch eine Welt, die vor Katastrophen geschützt wird“, sagte er. | |
„Was bei dieser Konferenz auf dem Spiel steht, ist der Frieden.“ Hollande | |
benutzte den Begriff „Klimagerechtigkeit“, den sonst vor allem | |
Entwicklungsländer gebrauchen. | |
## Obamas Wort | |
Auf solche kleinen Zwischentöne in den Manuskripten, die Bewegung | |
signalisieren, hatten Experten noch viel häufiger gehofft. US-Präsident | |
Barack Obama, ein mitreißender Redner, warnte vor einer Zukunft mit | |
wirtschaftlichen Problemen und kollabierenden Staaten und versprach | |
„Hunderte von Milliarden Dollar, die zum Investment bereitstehen, wenn wir | |
endlich zum Geschäft kommen“. Und er betonte seine gewachsene Hoffnung, | |
dass bei dieser Konferenz eine Einigung gelingt. Aber wirklich Neues kam | |
aus Washington nicht. | |
Obamas Rede war vor allem an das US-Publikum gerichtet, er pries die | |
Fortschritte und die allgemeine Verantwortung. Aber kein Wort zu den | |
ungeklärten Finanzierungsfragen, „Low Carbon Economy“ statt | |
„Dekarbonisierung“ und keine Erwähnung des Konzepts von „Verlust und | |
Schäden“, auf das die Entwicklungsländer und Nichtregierungsorganisationen | |
hofften. | |
Auch Chinas Präsident Xi Jinping, der nur unterbrochen durch den | |
Präsidenten von Djibuti auf Obama antwortete, hielt sich bedeckt. Seine | |
Rede strotzte vor Verweisen auf die juristischen Grundlagen, die | |
Klimarahmenkonvention und die Verpflichtungen der Industrieländer: Xi | |
machte eine lange Liste der Versäumnisse der Reichen auf und pochte als | |
selbsterklärte Schutzmacht der Entwicklungsländer auf die Unterscheidung | |
zwischen den Gruppen, die sich am Grundsatz „Differenzierung“ festmacht. | |
„Der Kampf gegen den Klimawandel sollte nicht die berechtigten Interessen | |
der Entwicklungsländer außer Acht lassen, Armut zu verringern und den | |
Lebensstandard zu erhöhen“, sagte Xi. Ein kleines Fenster ließ er auf: | |
Chinas Emissionen könnten 2030 ihren Höhepunkt erreichen, und das solle „so | |
bald wie möglich erreicht werden“. | |
## Merkels Wort | |
Bis zum Mittagessen war Angela Merkel die einzige Chefin eines wichtigen | |
Landes, die sich für eine „weitgehende Dekarbonisierung im Laufe des 21. | |
Jahrhunderts“ aussprach. Für viele Experten aber ist genau diese Frage | |
entscheidend für Paris: ob eine Perspektive zum Ende der fossilen | |
Brennstoffe herauskommt. Auf Wladimir Putin, den Chef eines Landes, dessen | |
Staatshaushalt und Wirtschaft direkt von Öl und Gas abhängen, ist dabei | |
kaum zu zählen. Putin pries die CO2-Aufnahme der russischen Wälder und | |
verwirrte die Konferenz damit, dass er nicht in CO2-Reduktionen (minus 30 | |
Prozent bis 2030) rechnete, sondern mit der größeren Zahl von verbleibendem | |
Ausstoß hantierte (nur noch 70 Prozent in 2030). | |
Merkels Rede enttäuschte aber auch deutsche Beobachter. Denn zu der Frage, | |
wie die Dekarbonisierung in Deutschland konkret ablaufen soll, sagte die | |
Kanzlerin kein Wort – im Gegensatz zu Umweltministerin Barbara Hendricks, | |
die sich kurz vor dem Gipfel für einen deutschen Kohleausstieg innerhalb | |
von 20 bis 25 Jahren ausgesprochen hatte. „Das hätte die Kanzlerin in Paris | |
auch zu ihrem politischen Ziel machen müssen“, sagte Hubert Weiger, | |
Vorsitzender des Umweltverbands Bund. | |
Allerdings verließen sich die Industriestaaten nicht nur aufs Reden, es gab | |
auch positive Signale. Am Morgen hatten sie neues Geld für die ärmsten | |
Länder angekündigt: mit insgesamt 248 Millionen Dollar soll der sogenannte | |
LDC-Fonds zusätzlich aufgestockt werden, aus dem arme Länder Klimaschutz | |
finanzieren können – ein Versuch, die moderaten Entwicklungsländer für die | |
Verhandlungen positiv zu stimmen. Schweden, Norwegen, die Schweiz und | |
Deutschland legten weitere 500 Millionen Dollar für Klimaschutz in | |
Entwicklungsländern auf den Tisch. | |
Bereits vor einigen Tagen hatte die neue Linksregierung von Kanada die | |
traditionelle Bremse in der Klimapolitik des Landes gelockert und 2,5 | |
Milliarden Dollar für den Grünen Klimafonds versprochen. Am Montagabend | |
verkündete nun der neue australische Premier Malcom Turnbull, sein Land | |
werde sich ebenfalls von der Obstruktion der Vergangenheit entfernen. „Ich | |
erkläre hiermit, dass Australien bei der zweiten Verpflichtungsperiode des | |
Kioto-Protokolls von 2012 bis 2020 dabei sein wird“, sagte Turnbull. | |
Bisher hatte Australien das abgelehnt. Doch mit Blick auf die kommenden | |
zwei Wochen der Verhandlungen blieben die Fronten unbeweglich. Für die | |
Unterhändler, die nun die Verhandlungen übernehmen, bleibt nach Abreise | |
ihrer Chefs also noch viel zu tun. Aufmunternde Worte bekamen sie immerhin | |
reichlich. „Die Hoffnung der gesamten Menschheit ruht auf Ihren Schultern“, | |
sagte Hollande. Und Obama schloss seine Rede mit den Worten: „Lasst uns an | |
die Arbeit gehen.“ | |
30 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Bernhard Pötter | |
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