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# taz.de -- Deutscher Klimaschutz: Euer Wald ist wurscht
> Die Deutschen haben ihren Frieden mit dem Wald gemacht – nachdem das
> Sterben 2003 für beendet erklärt wurde. Doch Indonesien brennt.
Bild: Sieht aus wie ein echter Wald, ist aber Menschenwerk.
Die Deutschen und ihr Wald: ein mystisch aufgeladenes Verhältnis. „Und ewig
singen die Wälder“, röhrender Hirsch und röhrender Heino, Jägerschnitzel
und Schwarzwaldklinik. Der Wald verkörpert einerseits das
rückwärtsgewandte, lederhosige, volkstümelnde Deutsche. Andererseits ist er
eng mit dem Aufstieg der Grünen als politische Kraft verknüpft, mit dem
Aufbegehren gegen die Ausbeutung der Natur und die Zerstörung der
natürlichen Lebensgrundlagen.
Das „Waldsterben“ war einer der prägendsten innenpolitischen Diskurse der
1980er-Jahre, es wurde zum Symbol für die Grenzen der Industrie- und
Wachstumspolitik und als solches zum Geburtshelfer der ökologischen
Bewegung. Bis heute ist der deutschen Tea Party, die munter zwischen Welt,
„Achse des Guten“, „Politically Incorrect“ und AfD hin und her oszillie…
in ihrem kruden Themenmix aus Islam-Angst, Klimawandelskepsis, GEZ-Phobie
und Anti-„Gutmenschentum“ das Waldsterben ein Menetekel für den angeblichen
Alarmismus der Öko-Spinner.
Was durchaus befremdlich ist. Denn erstens gibt es in Deutschland ja
sowieso keinen richtigen Wald. Der Mythos von der wilden Natur ist Unfug,
da praktisch die gesamten Waldbestände Mitteleuropas Menschenwerk sind,
urwüchsig ist da nichts. Die Deutschen ziehen Volkslieder krähend durch
eine Mischung aus Holz-Plantage und exaltierter Parklandschaft, so
ursprünglich wie ein Märchenwald mit angeschlossenem Wildgehege.
Zum anderen war das Waldsterben durchaus real. Wie bei allen komplexen
Fragen wurde nicht jeder Einflussfaktor gleich richtig gedeutet, mussten
Modelle immer wieder neuen Erkenntnissen angepasst werden. Im Kern aber war
das Waldsterben genau das, als was die grüne Bewegung es verstanden hatte:
ein echtes Öko-Problem und ein Alarmzeichen für eine aus dem Ruder laufende
Umweltbelastung. Erst mit der großindustriellen Reduktion von Schwefel- und
Stickoxiden verbunden mit verbesserten Kenntnissen des Ökosystems Wald
gelang es, das Sterben in den Griff zu bekommen.
## Die abgewendete Gefahr
Ähnlich dem Ozonloch ist das Waldsterben also kein Beleg für Panikmache,
sondern dafür, dass mit sinnvollen Handeln verhängnisvolle Entwicklungen
erfolgreich abgewendet werden können. Daran sollten die Verhandlungspartner
in Paris jetzt denken, wenn sie auf der Klimakonferenz über den Wald
debattieren. Denn im Gegensatz zu Europa verfügen andere Länder noch über
große und großartige Waldbestände von globaler Bedeutung, sowohl
hinsichtlich der Biodiversität als auch als CO2-Speicher. Weitere
Entwaldung wird das Klima direkt beeinflussen und indirekt durch
Freisetzung von mehr CO2 Auswirkungen auf die Erderwärmung haben.
Die Deutschen haben ihren Frieden mit dem Wald gemacht, spätestens, als das
Waldsterben 2003 offiziell für beendet erklärt wurde. Das Gefühl der
abgewendeten Gefahr aber trügt, denn die globalen Waldzerstörung geht
weiter. Die hierzulande kaum wahrgenommenen katastrophalen Waldbrände in
Indonesien in diesem Jahr sind nur ein besonders prägnantes Beispiel dafür.
Es sind nicht nur Orang-Utans und Frösche, die Opfer dieser Verheerungen
werden. Über den Umweg der Erderwärmung betrifft die globale Katastrophe
der Waldzerstörung die gesamte Menschheit stärker, als es das
vergleichsweise dann eben doch läppische Absterben des deutschen
Wald-Imitats jemals vermocht hat.
Es ist also höchste Zeit, den globalen Waldschutz als das zu begreifen, was
er auch für Deutschland ist: unser ureigenstes, existenzielles Problem, für
das wir in gleicher Weise verantwortlich sind wie die Länder, die anders
als wir ihre Waldflächen immerhin noch bis heute erhalten haben.
1 Dec 2015
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Waldsterben
Indonesien
Schwerpunkt Klimawandel
Bäume
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