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# taz.de -- Debatte Terror und Klima: Im Ausnahmezustand
> Nur zwei Wochen nach den Anschlägen beginnt die Klimakonferenz in Paris.
> Was der Terror mit der weltweiten Klimakatastrophe zu tun hat.
Bild: Vollkommen eingenommen: Fahrzeuge versinken im Wasser.
Ein Land unter Schock, eine Stadt in Tränen und kaum Widerspruch gegen den
dreimonatigen Ausnahmezustand: mehr Rechte für die Polizei, mehr
Überwachung, keine Demonstrationen. Paris, die Stadt der Liebe und der
Aufklärung, hat sich seit zwei Wochen in einen Hochsicherheitstrakt
verwandelt. Militär und Polizei beherrschen die Straßen und das Denken und
Fühlen.
Ähnlich ergeht es vielen Menschen in Ecuador. Kaum bemerkt vom Rest der
Welt rief dort Präsident Rafael Correa zwei Tage nach François Hollande
ebenfalls den Notstand aus – nicht wegen Terrorismus, sondern [1][wegen „El
Niño“] . Das Wetterphänomen, das in diesem Jahr pünktlich zur
Klimakonferenz mit extremen Regen, Dürren und Waldbränden Millionen
Menschen rund um den Pazifik bedroht – und dessen Wucht teilweise mit dem
Klimawandel zusammenhängt.
Der [2][Ausnahmezustand in Frankreich] passt zum Notstand beim Klima. In
Paris geht es in den ersten zwei Dezemberwochen ums Ganze. Das klingt
pathetisch angesichts einer todlangweiligen Konferenzbürokratie. Aber
tatsächlich markieren die Schüsse im „Bataclan“ genauso wie die Beschlüs…
der COP eine Entscheidung über Barbarei oder Zivilisation. In Paris fallen
in diesen Wochen lebenswichtige Entscheidungen: zwischen Leben und
Vernichtung. Zwischen Zukunft und Hoffnungslosigkeit. Die Morde auf den
Straßen negieren unser Leben heute. Die Konferenz muss unser Überleben in
der Zukunft sichern.
Die Situation wird brenzlig: Noch nie waren die Anzeichen der
Klimakatastrophe so deutlich wie 2015, noch nie war die Unruhe in Politik
und Wirtschaft und die Ratlosigkeit bei Investoren so groß. Und noch nie
hat die weltweite Umweltbewegung so viel Druck erzeugt, auf den Straßen und
auf den Bankkonten der Energiekonzerne.
## Ausweitung der dschihadistischen Kampfzone
Die Ausweitung der dschihadistischen Kampfzone auf Paris überschattet die
große [3][UN-Konferenz COP 21]. Trotzdem werden sich 20.000 Besucher auf
dem alten Flughafen von Le Bourget drängeln, Verhandler, Minister,
Präsidenten, Journalisten, Lobbyisten, Ökofreaks. Die „Sicherheit“ wird
hochgefahren, Demonstrationen der Kritiker verboten und eingeschränkt. Von
der sorglosen Ignoranz vergangener Klimatreffen wird in Paris nichts zu
spüren sein.
Die Erinnerung an die Morde von Paris muss unsere Nabelschau beenden. Es
ist unerträglich, dass wir die 10.000 Iraker vergessen haben, die jedes
Jahr durch Terroristen sterben. Und es ist eine der großen Schwächen der
Klimadiplomatie, dass sie die Opfer der „Aggression des Nordens gegen den
Süden“ (Klaus Töpfer) praktisch ausblendet: die Millionen von Toten und
Vertriebenen durch versalzene Felder, Dürre, Überschwemmungen und
Wirbelstürme. Die Morde vom 13. November richteten sich gegen die junge
Pariser Generation. Der Klimawandel bedroht die nächsten Generationen
weltweit.
Die Ermordeten von Paris darf man nicht mit den Opfern des Klimawandels
gleichsetzen. Die Terroristen haben grausam und heimtückisch zugeschlagen.
Wer ein Kohlekraftwerk oder eine Ölraffinerie betreibt, hat keinen Vorsatz,
anderen zu schaden. Dennoch ist es kein Zufall, dass die Mörder von Paris
eng mit dem Nahen Osten verbunden sind. Dass die Region ein Pulverfass ist,
hat auch damit zu tun, dass sie ein riesiges Ölfass ist. Die Ursachen der
Konflikte sind sozial, politisch, religiös. Aber explosiv wird die Lage vor
allem durch die Petrodollars, Petroyuan und Petroeuros, die Waffen kaufen,
staatliche Willkür alimentieren, Terroristen finanzieren.
## Den Ölhahn abdrehen
Millionen von Flüchtlingen fliehen aus einer Gegend, die auch der Reichtum
an Boden"schätzen“ ruiniert hat. Wäre Öl nicht der Brennstoff unserer
Industriegesellschaft, wären die Probleme im Nahen Osten und beim Klima
nicht mit dieser Geschwindigkeit eskaliert. Die wirtschaftlichen und
sozialen Kosten der fossilen Brennstoffe machen aus Bodenschätzen endgültig
Bodenplagen, die tief unter der Erde bleiben sollten. Das wäre nicht nur
gut fürs Klima, sondern auch für den Frieden. Die Ursachen von Flucht,
Vertreibung und Terror zu bekämpfen heißt auch, den Ölhahn abzudrehen.
Solange das Öl fließt und die Kohle raucht, nimmt die Unsicherheit zu.
Dieser Ausnahmezustand hat inzwischen auch die Verursacher des Klimachaos
erreicht. Große Energieversorger stehen vor dem Aus, allein in den USA
haben Kohleunternehmen 90 Prozent ihres Börsenwerts verloren. Die
Finanzmärkte sind in Aufruhr, seit auch die Bank of England davor warnt,
Geld in fossile Energien zu stecken.
## Ende der Bequemlichkeit
Paris soll diese Krise nutzen und einen Ausweg zeigen: „Dekarbonisierung“,
weg von Öl, Gas und Kohle, saubere Energie für alle, eine gerechte
Verteilung der Aufgaben im Klimaschutz, Finanzhilfen für die armen Staaten,
ein Ende der Entwaldung.
Die Klimakonferenz wird nicht am 11. Dezember mit einem Vertrag enden, der
am 12. Dezember die Welt rettet. Aber er kann konkrete Ziele definieren,
nach denen sich Investitionen in Öl und Kohle nur noch ein paar Jahre
lohnen.
Alles gut, alles richtig. Aber es bedeutet vor allem für uns, die
globalisierte Mittelklasse in den Industrieländern: ein Ende der
Bequemlichkeit. Umdenken. Umhandeln. Mehrkosten. Sich von den Katastrophen
und Ängsten nicht lähmen lassen. Den Hintern hochkriegen und für eine
Zukunft kämpfen, die sauberer, fairer und sicherer ist.
29 Nov 2015
## LINKS
[1] /Wetterphaenomen-El-Ni%C3%B1o/!5254292/
[2] /Debatte-Bedrohung-und-Terror/!5249708/
[3] /Schwerpunkt-Klimakonferenz/!t5008262/
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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