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# taz.de -- Kommentar Notstand in Frankreich: Auf dem Weg zum Polizeistaat
> Die Klage französischer Menschenrechtler gegen die Notstandsgesetze ist
> gescheitert. Wahrscheinlich war sie sogar kontraproduktiv.
Bild: Die Staatsführung will die verhängten Notstandsgesetze noch verschärfe…
PARIS taz | Vielleicht war es naiv von der Französischen Menschenrechtsliga
LDH, ausgerechnet vom Conseil d‘Etat, dem obersten Verwaltungsgericht des
Landes, ein Veto gegen die Notstandsgesetze zu erwarten. Diese Instanz muss
ja nur prüfen, ob die Gesetze von den Behörden korrekt angewandt worden
sind. Ihre Aufgabe ist es nicht, über die Effizienz einer Politik oder über
die Nebenfolgen für die Bürger zu urteilen.
Wie also zu erwarten war, hat es das Pariser Gericht am Mittwoch abgelehnt,
den Notstand aufzuheben. Letztlich wirkt die Klage der LDH sogar
kontraproduktiv. Der Entscheid der Richter, die Beschwerde abzulehnen,
stärkt der Regierung den Rücken, wo doch die Staatsführung diese nach den
Attentaten vom 13. November verhängten Notstandsgesetze noch verschärfen
und in der Verfassung verankern will.
Und ohne dazu eigentlich kompetent zu sein, haben die Verwaltungsrichter in
ihrem Entscheid der Regierung gleich auch noch bescheinigt: „Die
unmittelbare Bedrohung, welche den Notstand rechtfertigte, ist in
Anbetracht der anhaltenden terroristischen Gefahr und den Attentatsrisiken
nicht verschwunden.“
Der Conseil d‘Etat war also die falsche Adresse. Aber an wen sonst hätten
sich die Bürgerrechtler in ihrer Verzweiflung über die Einschränkung der
Freiheit im Namen der Terrorbekämpfung noch wenden können? Es bleibt der
Appell von Richterverbänden, Gewerkschaften und einer Handvoll
Intellektueller, die unter anderem zu einer Kundgebung am Samstag
aufrufen... sofern diese nicht unter Berufung auf den Notstand verboten
wird! Im Urteil wird auch gesagt, der Präsident selbst könne ja jederzeit
den Notstand beenden.
Man möchte den guten Absichten von Hollande ja gern Glauben schenken. Über
die unmittelbare Bedrohung durch Terroristen hinaus muss aber bedacht
werden, was aus diesem polizeilichen Instrumentarium einer im Grundgesetz
festgeschriebenen Sicherheitspolitik werden könnte, wenn es in falsche
Hände gerät: Hausdurchsuchungen ohne Richterbefehl bei Tag und bei Nacht,
auf Verdacht hin angeordneten Hausarrest mit Polizeikontrolle drei Mal pro
Tag, Demonstrations- und Versammlungsverbote à la discrétion des
Innenministeriums und ungehinderte Überwachung – welcher Polizeistaat hätte
nicht davon geträumt?
28 Jan 2016
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Notstand
Paris
Francois Hollande
Demonstrationsverbot
Schwerpunkt Frankreich
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Schwerpunkt Islamistischer Terror
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Ausnahmezustand
Christiane Taubira
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