# taz.de -- Berichterstattung über Pariser Attentate: Schockbilder zum Marktpr… | |
> Woher kommen die ganzen Bilder der Pariser Attentate? Oft haben Zeugen | |
> mit Smartphones gefilmt – und machen nun Geschäfte mit ihren Videos. | |
Bild: Erst lange nach dem Schusswechsel zwischen Polizei und Terroristen trafen… | |
Berlin taz | Es hat nicht einen Tag gedauert, da wurde aus den | |
Terroranschlägen in Paris schon ein Geschäft gemacht. Videos, die Szenen | |
von den Attentaten dokumentieren, zirkulieren seit dem 13. November im | |
Internet. Die Macher haben sich für die Abgabe des Bildmaterials an | |
Zeitungen und Fernsehsender zum Teil hohe Summen auszahlen lassen. | |
Mitarbeiter der Nachrichtensendung Le Petit Journal (auf Deutsch: „Die | |
kleinen Nachrichten“) auf dem privaten TV-Sender Canal+, die einen teils | |
satirischen Stil pflegt und bekannt dafür ist, mit versteckter Kamera | |
hinter alle möglichen Kulissen zu schauen, hatten in den vergangenen Tagen | |
[1][mehrmals gefilmt], wie auf offener Straße mit Amateurvideos gedealt | |
wurde. Diese zeigen zum Beispiel die Schusswechsel in Saint-Denis zwischen | |
der Polizei und den Terroristen, die sich in einem Appartement verschanzt | |
hatten. Um 4 Uhr morgens, zu Beginn der Polizeiaktion, waren rundherum nur | |
Anwohner zugegen, die das Geschehen mit ihren Smartphones aufnahmen. Im | |
Laufe des darauffolgenden Vormittags boten einige von ihnen ihre Aufnahmen | |
den Journalisten feil. | |
„Das fünfte Video ist fatal, es ist wie ein Film!“, bewirbt einer der | |
jungen Männer sein Material gegenüber Journalisten – niemand bemerkt dabei | |
offenbar die versteckte Kamera des Petit Journal. „400 Euro, das ist | |
geschenkt“, sagt er. Es wird aufgeregt verhandelt. Eine Journalistin, die | |
angibt, bei der BBC zu arbeiten, kauft vier Videos und fährt anschließend | |
schnell davon. Das alles passiert auf einem belebten Platz. | |
Nicht alle Medienvertreter machen das Geschäft mit. Pascal Jalabert, | |
Chefredakteur des Büros für allgemeine Informationen, Ebra, legte | |
stattdessen im Fernsehen auf France TV Info Details über die Deals mit den | |
Terror-Videos offen: „Wenn man Kugelhagel sieht und einen Polizisten, von | |
weit weg, nachts, dann sind es 500 Euro. Nur der Ton kostet 100 Euro“, | |
erzählt er. | |
Bis zu 50.000 Euro sollen über den Tisch gegangen sein | |
Doch während französische Journalisten sich bisher weitgehend zurückhalten | |
mit dem Kauf von gewaltvollen Bildern, greifen vor allem Vertreter der | |
englischen Boulevardpresse zu: Nach Informationen des Petit Journal sollen | |
für ein Video ganze 50.000 Euro über den Tisch gegangen sein. Bezahlt hat | |
die britische Zeitung Daily Mail. | |
Es ging um die Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras in der Pizzeria Casa | |
Nostra, auf deren Terrasse unter den Schüssen der Terroristen fünf Menschen | |
ums Leben kamen. Ein Journalist des Petit Journal sei bei den Verhandlungen | |
und der Geldübergabe zwischen Anbieter und Käufer dabei gewesen – keiner | |
der Anwesenden habe geahnt, dass er eine versteckte Kamera bei sich trug. | |
Auf den Bildern des Deals ist jedoch kein Gesicht eindeutig zu erkennen. | |
Aussagen der Direktion des Fernsehsenders BMF-TV könnten dem Bericht recht | |
geben. Der Direktor der Station, Hervé Béroud, gibt an, dass genau jene | |
Videos ihm für ebenfalls 50.000 Euro angeboten wurden. Er lehnte allerdings | |
ab. „Wir sind nicht gegen das Prinzip, gewisse Dokumente zu kaufen“, | |
stellte Béroud klar. Aber man müsse abwägen. „Man darf nicht in ein | |
Wettrennen um das Spektakuläre hineingeraten, und genauso wenig in ein | |
Wettrennen der Versteigerungen. Außerdem muss das Dokument informieren.“ | |
Abgesehen davon, dass der Handel mit den Amateurvideos von einem Mangel an | |
Respekt gegenüber den Opfern zeugt, birgt er auch das Risiko der | |
Fehlinformation. Das zeigt etwa ein Foto, auf dem angeblich die | |
Selbstmordattentäterin Hasna Ait Boulahcen zu sehen ist, die in Saint-Denis | |
ums Leben kam, und das in zahlreichen Medien verbreitet wurde. Tatsächlich | |
handelt es sich bei der Abgelichteten, um eine in Marokko lebende Frau, die | |
mit den Anschlägen überhaupt nichts zu tun hat. Auch in diesem Fall war es | |
die Daily Mail, die das Bild von einem Unbekannten gekauft hatte. | |
„Der Journalist hat nicht recherchiert, sondern einfach nur veröffentlicht, | |
was er hat“, beklagt die Frau, die in Wirklichkeit Bakkatha heißt, in einem | |
Interview mit Al Jazeera+. Ihr Alltag hat sich seit der fehlerhaften | |
Identitätszuordnung verändert, viele Menschen aus ihrem Umkreis reden nicht | |
mehr mit ihr. | |
Indessen sind im Petit Journal auch die Verkäufer der Amateur-Videos zu | |
Wort gekommen. „Das ist was Aktuelles, ich weiß, dass ich damit Geld machen | |
kann. Warum sollte ich also darauf verzichten“, rechtfertigt einer der | |
Männer sich und erzählt, dass er arbeitslos ist. | |
27 Nov 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.canalplus.fr/c-emissions/c-le-petit-journal/pid8325-sur-place.ht… | |
## AUTOREN | |
Lea Fauth | |
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