# taz.de -- El Niño kommt mit voller Kraft: Waldbrände und Schlammlawinen | |
> Trockenheit in Indonesien, Überflutungen in Amerika. Das natürliche | |
> Klimaphänomen El Niño ist in diesem Jahr so stark wie lange nicht mehr. | |
Bild: Gelber Rauch liegt über der indonesischen Provinzhauptstadt Palangka Ray… | |
Berlin taz | Wenn die Stichworte „Verkehr“ und „vergiftete Luft“ fallen, | |
denken derzeit viele zuerst an den Abgastestbetrug von VW. Das mag, die | |
eigene Betroffenheit als Passant verkehrsreicher Straßen in Deutschland vor | |
der Nase, durchaus nachvollziehbar sein – aber es ist ziemlich kurzsichtig. | |
Denn auf der anderen Seite der Welt, in Indonesien und Malaysia, leiden | |
derzeit Millionen Menschen unter einer Luftverschmutzung, die für Europäer | |
kaum vorstellbar ist und die die europäische Verkehrspolitik durchaus | |
mitverursacht hat. | |
Und: Durch die Erderwärmung, die durch auf dem Klimagipfel im Dezember in | |
Paris beschlossene Maßnahmen begrenzt werden soll, könnte künftig alles | |
noch schlimmer werden. Denn der Klimawandel könnte das natürliche | |
Klimaphänomen El Niño verstärken, das die Luftverschmutzung in Indonesien | |
begünstigt. | |
Während einer El-Niño-Phase regnet es in Indonesien weniger als normal. Das | |
hat weitreichende Folgen, denn nach den Ernten werden dort Felder | |
traditionell abgebrannt; zudem werden Wälder mit Brandrodungen zerstört, um | |
Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Das dort hergestellte Palmöl wird | |
unter anderem Kraftstoffen in Europa zugesetzt, um den Anteil regenerativer | |
Energien im Verkehrssektor zu erhöhen. | |
Indonesien ist der weltweit größte Palmölproduzent; der Export des | |
Biorohstoffs steigt rasant: Waren es im Jahr 2008 noch 15,6 Millionen | |
Tonnen, so wurden im vergangenen Jahr schon 24,4 Millionen Tonnen | |
ausgeführt. Normalerweise löschen die ganzjährig hohen Niederschläge in | |
Indonesien die von Menschen gelegten Feuer schnell. Während der | |
El-Niño-Trockenphase brennen die Feuer jedoch weiter und breiten sich in | |
die Torfschichten unter der Erde aus. Anhaltende riesige Ruß- und | |
Qualmwolken sind die Folge, die die Atemluft der Menschen vergiften. | |
Die El-Niño-Phase, die unter anderem unterdurchschnittliche Regenmengen in | |
Indonesien bringt, ist Teil der natürlichen Klimavariabilität, die | |
Wissenschaftler die El Niño Southern Oscillation (Enso) nennen. Konkret ist | |
damit der schwankende Zustand des Systems aus Ozean und der Atmosphäre über | |
dem äquatornahen Pazifik und den pazifischen Küsten von Südamerika, | |
Australien und Indonesien gemeint. Die Wissenschaftler unterscheiden die | |
El-Niño-Phase, die La-Niña-Phase und die neutrale Phase. | |
Während einer El-Niño-Phase ist in Äquatornähe der Ostpazifik wärmer und | |
der Westpazifik kälter als üblich, während es bei El-Niña umgekehrt ist. | |
Die neutrale Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass weder das eine noch das | |
andere Extrem auftritt. Der Begriff El Niño – spanisch für „das Christkin… | |
oder „der kleine Knabe“ – wurde von Kolonialisten geprägt, die regelmä�… | |
auftretende Erwärmungen der Küstengewässer von Ecuador und Peru | |
beobachteten; La Niña ist das Gegenstück und bedeutet „das kleine Mädchen�… | |
## Meist kommt El Niño im Herbst oder Winter | |
Die über Monate anhaltenden über- oder unterdurchschnittlichen | |
Wassertemperaturen im zentralen Pazifik haben erhebliche Auswirkungen auf | |
das Wetter und die Regenmengen in den angrenzenden und weiter entfernten | |
Regionen; abhängig sind sie auch, zu welcher Jahreszeit die Enso-Extreme | |
auftreten. Meist tritt El Niño – wie jetzt – im Herbst oder Winter auf. | |
„In diesen Jahreszeiten sorgt er typischerweise im Süden Nordamerikas, im | |
Süden Südamerikas, an der peruanischen Pazifikküste, im Osten Afrikas und | |
in Südostchina für ergiebigere Niederschläge“, heißt es in einer aktuellen | |
Analyse des staatlichen Deutschen Wetterdienstes. Gleichzeitig regne es im | |
Süden Afrikas, im Nordosten Südamerikas bis zur Karibik, in Australien, | |
Indonesien und auf den Philippinen weniger als üblich. Trete El Niño im | |
Sommer auf, falle der indische Sommermonsun trockener als üblich aus. | |
Während einer La-Niña-Phase treten in Südostasien und Nordaustralien | |
häufiger Starkregen auf; in Südamerika regnet es hingegen weniger als | |
normal. | |
Kein El-Niño-Ereignis gleicht dem anderen, aber derzeit ist es besonders | |
schlimm. „Dieser El-Niño ist der stärkste seit mehr als 15 Jahren“, sagt | |
Michel Jarraud, Chef der Weltwetterbehörde WMO. „Die tropischen und | |
suptropischen Zonen erleben bereits schwere Dürreperioden und | |
zerstörerische Überschwemmungen, die den Stempel von El Niño tragen.“ | |
Wie dramatisch die Lage ist, zeigt sich in Ecuador. Dort hat Präsident | |
Rafael Correa in dieser Woche den Ausnahmezustand in 17 von 24 Provinzen | |
ausgerufen. Damit solle im Fall einer Naturkatastrophe die „notwendige und | |
unverzichtbare“ Nothilfe gewährleistet werden. Ecuador befürchtet nicht nur | |
unwetterartigen Regen, sondern auch Überschwemmungen an der Küste durch den | |
derzeit erhöhten Wasserstand. | |
## Überflutungen und Schlammlawinen | |
Auswirkungen hat die aktuelle El-Niño-Phase, die bis ins nächste Jahr | |
andauern dürfte, auch auf Kalifornien, das zuletzt unter einer jahrelangen | |
Dürre litt. Wissenschaftler erwarten nun ergiebige Niederschläge für die | |
diesjährige winterliche Regenzeit. Dieser Regen – und der Schnee in den | |
Bergen – wird einerseits dringend benötigt, um die weitgehend leeren | |
Stauseen aufzufüllen; andererseits kann er unwetterartige Ausmaße erreichen | |
– mit den entsprechenden Schäden. So gab es Mitte Oktober im Großraum Los | |
Angeles Starkregen mit Überflutungen und Schlammlawinen. | |
Ob der Klimawandel El-Niño-Phänomene verstärkt oder häufiger hervorruft, | |
ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Aber dass es | |
Einflüsse gibt, darüber sind sich viele Forscher einig. „Das natürlich | |
auftretende El-Niño-Ereignis und der von Menschen verursachte Klimawandel | |
können sich auf eine Art und Weise beeinflussen, die wir noch nie erlebt | |
haben“, warnt Weltwetterbehördenchef Michel Jarraud. | |
Und für den Deutschen Wetterdienst ist klar: „Aufgrund der globalen | |
Erwärmung erhöht sich die Verdunstung und beschleunigt sich der globale | |
Wasserkreislauf, und zwar meist im Sinne einer Verschärfung bestehender | |
Anomalien.“ Dies gelte auch für die Anomalien, die durch natürliche | |
Klimavariabilitäten, etwa der El Niño Southern Oscillation, im | |
Niederschlagsgeschehen entstünden. Im Klartext: Es drohen stärkere | |
Überflutungen und schärfere Dürren. „Auch das aktuelle El-Niño-Ereignis | |
zeigt mit dem bereits festzustellenden Schadensgeschehen, dass durch den | |
Klimawandel die Resilienz des Menschen gegen eine natürliche Variabilität | |
wie dem El-Niño-Phänomen reduziert wird.“ | |
19 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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