# taz.de -- Ökologisches Design: So ein Müll | |
> Viel Abfall ließe sich vermeiden, wenn man das Design nachhaltiger planen | |
> würde. Doch die meisten Firmen haben kein Interesse daran. | |
Bild: Platz eins für dummes Design geht an die Kaffeekapsel. | |
Wenn es ein Symbol gibt für Überfluss, für vermeidbaren Müll, | |
rausgeschmissenes Geld und eine Ökobilanz zum Fürchten, dann sind das | |
Kaffeekapseln. Kleine, mit Kaffeepulver gefüllte Behälter, die, in eine | |
Maschine gesteckt, eine Tasse Kaffee ergeben. Kurze Nutzung, viel | |
ressourcenintensives Aluminium und der Kapselverbrauch allein in | |
Deutschland verursacht 4.000 Tonnen Müll. Pro Jahr. Kaffeekapseln sind ein | |
Beispiel für das Problem. Und eines für die Lösung. Aber dazu später. | |
Wer über Abfall spricht, nennt üblicherweise Hausmüll, trennt zwischen | |
Papier- und Umverpackungen und wirft vielleicht noch einen Blick in | |
Richtung Biotonne. Dabei fängt Abfall früher an. Nicht im Laden, der das | |
Produkt verkauft, nicht in der Fabrik, in der die Teile zusammenbaut | |
werden, und auch nicht beim Abbau der Rohstoffe. Sondern noch einen Schritt | |
davor: bei der Planung. | |
Bei der Entscheidung, ob die Waschmaschine die Beladung misst, bevor sie | |
das Wasser in die Trommel pumpt. Ob das Fertiggericht doppelt oder dreifach | |
verpackt wird. Und woher das Gold kommen soll, das in den Elektronikchips | |
steckt. Abfall beginnt beim Design. | |
Es gibt eine Reihe von Unternehmen, denen das schwer fällt. Und das sind | |
keineswegs nur die Anbieter von Billigwaschmaschinen und Einweg-Stabmixern, | |
die auseinanderfallen, noch bevor man sie das erste Mal in Betrieb genommen | |
hat. Es sind auch Unternehmen wie Apple. | |
## Finger weg! | |
Ausgerechnet ein Konzern, der berühmt ist für die Optik seiner Produkte, | |
für eine hohe Bindung des Kunden an die Marke. Und der damit beste | |
Voraussetzungen dafür mitbringt, dass Kunden die Produkte kaufen. Und wenn | |
sie nicht gestorben sind, starren sie noch heute selig auf ihr iPhone. In | |
der Praxis ist es aber so, dass sie am Lebensende eher auf ihr dreißigstes | |
bis vierzigstes Smartphone schauen werden. Kaum jemand nutzt sein | |
Smartphone heute noch länger als zwei Jahre. | |
Kein Wunder: Wer sein iPhone mal öffnen will, vielleicht, weil es etwas | |
Feuchtigkeit abbekommen hat oder nur, um dem alten Gerät einen frischen | |
Akku zu verpassen, kann seinen Werkzeugkasten gleich wieder zuklappen. Ohne | |
Spezialschraubenzieher geht hier nichts. Noch bevor Nutzer an fest | |
verklebten Akkus und auf der Suche nach dem Speicher scheitern können, | |
stellt Apple klar: Finger weg! Nicht öffnen, nicht reparieren, schon gar | |
nicht selbst. | |
Aber: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Nutzer sein Smartphone an den | |
Hersteller schickt, wochenlang ohne Telefon lebt und geduldig wartet, bis | |
es zurückkommt? Eben. Also doch neu kaufen. | |
Blütenförmige Schrauben von Apple, Kaffee in münzengroßen Einmalkapseln, | |
und bei den Steckern für Handyladegeräte kann immer noch jeder Hersteller | |
machen, was er will. Ein verpflichtendes, einheitliches Format soll es erst | |
ab 2017 geben. So lange fallen in der EU jährlich 51.000 Tonnen | |
Elektroladegeräteschrott an. | |
## Lass mal den Markt machen | |
Das alles ist das Gegenteil von ökologischem, nachhaltigem Design. Und ein | |
Symptom dessen, was passiert, wenn man den Markt einfach mal Markt sein | |
lässt. Denn nachhaltiges Design – so glauben die Hersteller – verkauft sich | |
nicht gut. Will ihnen nicht in den Kopf, dass Kunden, die gute Erfahrungen | |
mit einem Gerät machen, das lange hält, reparierbar ist und wenig Energie | |
verbraucht, den Hersteller weiter empfehlen oder ein weiteres Produkt von | |
ihm kaufen und dafür gern auch etwas mehr zahlen? | |
Sie haben nicht mal unrecht. Nur ist auch dieses Problem hausgemacht. Denn | |
ein hoher Preis bedeutet nicht gleich eine lange Haltbarkeit, auch wenn | |
Kunden das gern glauben. Wer einmal viel Geld ausgegeben hat und trotzdem | |
kurz nach Ablauf der Garantie auf einem Haufen Elektroschrott saß, der | |
greift beim nächsten Kauf doch zur billigen Konkurrenz. Solange Kunden | |
nicht zwischen teuer und hochwertig und teuer und minderwertig | |
unterscheiden können, ist eine bewusste Wahl schwierig. | |
Ein Siegel könnte vielleicht helfen, eine Art Mindesthaltbarkeitsdatum für | |
Geräte. Oder eine deutlich längere Gewährleistung, in der Hersteller bei | |
einem Defekt beweisen müssen, dass der Kunde ihn verursacht hat. Dass so | |
etwas kommt, ist eher unwahrscheinlich: Die EPP, die größte Fraktion im | |
EU-Parlament, hat schon angedeutet, dass sie sich wenige Vorschriften | |
wünscht für die anstehende Neuregelung zur Kreislaufwirtschaft. Sie will | |
den Markt einfach mal Markt sein lassen. | |
Der zählt doch! | |
Bei so viel Markt im Müll ist es kein Wunder, dass bei Elektrogeräten noch | |
ein weiteres Problem hinzukommt: die geplante Obsoleszenz, also der | |
gewünschte Defekt eines Geräts. Wenn sich bei einem Schrank ein Bauteil | |
ablöst, lässt sich einigermaßen beurteilen, ob hier beim Aufbau geschlampt | |
wurde oder das Material schlecht verarbeitet wurde. Doch wer kann das | |
Innenleben einer Waschmaschine fachgerecht beurteilen? Oder die Technik | |
einer Smartwatch? | |
Zunehmend werden elektronische Komponenten in Geräte verbaut, die einst | |
rein mechanisch funktionierten. Damit können Hersteller Sollbruchstellen | |
nicht mehr nur in Bauteilen verstecken, sondern auch in der Software. Viele | |
Verbraucher kennen das Problem von Druckern, deren Farbkartusche sich als | |
leer meldet, obwohl noch Farbe vorhanden ist – wäre da nicht dieser Zähler, | |
der nach einer bestimmten Anzahl gedruckter Seiten signalisiert: bitte | |
austauschen. | |
Wie sich ökologisches Design mal ganz anders begreifen lässt, zeigt ein | |
Schweizer Unternehmen. Das hat aus der Kaffeekapselverschwendung eine | |
Geschäftsidee gemacht: Ein kleiner Behälter aus Metall, der sich statt der | |
Kapsel in die Maschinen einsetzen lässt, der selbst befüllt und nach | |
Gebrauch gespült wird. So wird durch ein kleines Teil aus einem maximal | |
unökologischen ein verhältnismäßig nachhaltiges Design. Natürlich nur, wenn | |
die Hersteller der Kaffeemaschine keinen Zähler eingebaut haben. | |
8 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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