# taz.de -- Experte über Repair-Cafés: „Alternative zur Wegwerfgesellschaft… | |
> In Repair-Cafés wird alles Mögliche produziert, verändert oder repariert. | |
> Bis jetzt aber überwiegend von über 50-Jährigen. | |
Bild: Und, funktioniert's wieder? | |
taz: Herr Charter, Sie forschen seit Jahren zu Repair Cafés – warum? | |
Martin Charter: Repair Cafés sind aus der Zivilgesellschaft nach der | |
Wirtschaftskrise entstanden. Seit ihrer Gründung 2009 in den Niederlanden | |
hat sich ihre Anzahl vervielfacht. Mittlerweile gibt es 1.100 weltweit, die | |
Tendenz ist steigend. Wir wollten das mit Zahlen unterlegen und konnten | |
feststellen, dass die Reparatur durchschnittlich bei sechs von zehn | |
Produkten gelingt – ein überraschend hoher Wert. | |
Wozu braucht es Repair Cafés? | |
Es gibt Anbieter, die Handys reparieren, oder Mechaniker, die Rasenmäher | |
wieder funktionsfähig machen. Aber es ist schwierig, jemand | |
Vertrauensvollen zu finden, der ein spezifisches Produkt wie einen | |
Staubsauger repariert. Die Aufgabe von Repair Cafés ist es, eine zentrale | |
Anlaufstelle für Reparaturen jeglicher Art zu sein. So sind sie | |
pragmatischer Umweltschutz und eine praktische Alternative zur | |
Wegwerfgesellschaft. | |
In Ihrer Studie wird ersichtlich, dass der klassische Betreiber eines | |
Repair Cafés alt und hoch gebildet ist – warum? | |
Im Moment sind durchschnittlich sowohl diejenigen, die Produkte reparieren, | |
als auch die Besucher älter als 50. Es ist ein Kernproblem der Repair | |
Cafés, junge Menschen anzusprechen. Es fängt schon beim Namen an: Repair | |
Café – nicht wirklich ansprechend. | |
Wie könnten junge Menschen motiviert werden? | |
Repair Cafés sollten zu zentralen Plätzen werden, an denen produziert, | |
verändert und repariert wird. Vor allem in Städten entstehen offene | |
Werkstätten, bei denen gemeinsam gewerkt wird. Diese Trends müssen | |
miteinander verbunden werden. Verstärkt sollten die Betreiber auch das | |
Internet nutzen, um an Informationen über Reparaturen zu gelangen und sich | |
weiter zu vernetzen. Zentral ist das für das Marketing. Es muss vermehrt | |
vermittelt werden, welche sozialen, finanziellen und umweltpolitischen | |
Vorteile ein Repair Café hat. | |
Die Dachorganisation der Repair Cafés aus den Niederlanden verlangt auf | |
freiwilliger Basis einmalig 49 Euro, um ihr Logo und nötige Formulare zu | |
verwenden – ist dies der Beginn der Kommerzialisierung der Idee? | |
Nach dieser Entscheidung sind viele Repair Café-Betreiber aus dem Verband | |
ausgeschieden. Ich halte das für einen Irrtum. Das war nicht der Beginn | |
einer Kommerzialisierung. Die Repair Café Foundation wollte die Cafés unter | |
ihrem Logo vereinen, und dass die Betreiber Material von ihr verwenden. | |
Aber davon ist die Foundation inzwischen abgekommen. In Zukunft wird es | |
Repair Cafés nicht nur wie jetzt als Arbeitsgruppen, sondern auch als | |
Ableger von NGOs oder Firmen geben. Die meisten werden aber auch dann auf | |
Spendenbasis operieren. | |
Steckt also kein Geschäftsmodell hinter der Repair-Café-Bewegung? | |
Je nachdem. Ein Mechaniker kann sich beispielsweise für ein Repair Café | |
Zeit nehmen, das aber auch als Werbung für sich nutzen und so Kunden | |
binden. Repair Cafés könnten auch in zahlungspflichtige offene Werkstätten | |
integriert werden. Eine ähnliche Idee ist die Webseite ifixit.com. Auf ihr | |
werden Videos von Reparaturen ins Netz gestellt und die Werkzeuge dazu | |
verkauft. Aber an sich sind Repair Cafés nicht kommerziell. | |
23 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Jonas Achorner | |
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