# taz.de -- Kaffee-Kapsel aus Pflanzen erfunden: Zeitalter der Revolutionen | |
> Umwälzend findet Velibre-Gründer David Wolf-Rooney seine neue | |
> Kaffeekapsel aus Abfall der Rohrzucker- Produktion. Er träumt von einem | |
> Alukapsel-Bann. | |
Bild: Produzieren haufenweise Müll und sind überdies ungesund: Kaffeekapseln … | |
BREMEN taz | David Wolf-Rooney hält zwei identische gelblich graue | |
Becherchen in den Raum, die aussehen wie zu groß geratene Fingerhüte aus | |
Pappe, und seine Glatze scheint ein wenig zu leuchten. „This capsule is | |
worth more than 100 million Euros“, ruft er, ja sogar an Milliarden denkt | |
er schon. Im Büro im schrammeligen kleinen Gewerbegebiet hinterm Bahnhof | |
Bremen-Burg hat nämlich, dem Gründungsgeschäftsführer der Velibre GmbH | |
zufolge, dank zwei Jahren Forschung und unter Einsatz einer Million Euro, | |
eine Revolution stattgefunden. | |
Eine Kaffee-Revolution, ganz bremisch, wie damals, als hier 1673 Europas | |
erstes Café nördlich der Alpen beim Schütting eröffnet hatte. Oder doch | |
zumindest eine Revolution auf dem Kaffeekapselautomaten-Kapselmarkt. Auf | |
dem ist Velibre tätig: Seit 2015 stellt das Unternehmen – die Fabrik steht | |
im bulgarischen Veliko Tarnovo – biologisch-abbaubare und mit den Automaten | |
des Branchenführers Nestlé kompatible Kapseln her. Seit 2016 befüllt es sie | |
mit ausschließlich bio-fairem Kaffeepulver. Jetzt hat es das perfekte | |
Material gefunden, nämlich ein Papier aus Bagasse, dem fasrigen Abfall der | |
Rohrzuckerproduktion. Und man hat den Schritt in die Massenherstellung | |
geschafft. | |
„Die Menge ist theoretisch unbegrenzt“, sagt Stephanie Lichtenberg, die als | |
Head of Operations firmiert. Denn man will nicht nur den eigenen Kaffee in | |
die Pappbecherchen pressen, die am Ende in die Biotonne geworfen werden | |
können, sondern auch die Größen des Kaffekapselmarkts als Lizenznehmer | |
gewinnen. „Unsere Vision ist es, Plastik- oder Aluminiumkapseln vollständig | |
aus dem Markt zu verbannen“, so Wolf-Rooney. Wenn das klappt – und | |
vielleicht hilft ja irgendwo ein Plastik- oder Alukapselverbot – dann ist | |
Rooneys Milliardentraum plötzlich sehr greifbar. | |
Denn seit zehn Jahren boomt das Geschäft. Immer mehr Menschen genießen | |
ihren Kaffee als Kaffeekapselmaschinen-Kaffee. Und selbst wenn man sich die | |
Ökobilanz dieser Trendtechnologie bei einer Globalbetrachtung | |
einschließlich Recycling-Hypothese einigermaßen okay rechnen kann (siehe | |
Kasten), wird die Freude übers Heißgetränk doch durch den verursachten | |
Abfall getrübt. Von weltweit 9.000 Tonnen Alukapselmüll war 2010 die Rede. | |
Und die Menge wächst weiter: Im Jahr 2015 sollen es allein in Deutschland | |
bereits 5.000 Tonnen Alukapselmüll gewesen sein. Plus ebenso viel | |
Plastikkapselmüll. | |
Und jetzt ist dieses Jahr auch noch die gute alte Bremer Firma Jacobs in | |
den deutschen Kapselmarkt gestolpert: Auch das war im Sommer nach | |
Selbsteinschätzung des Unternehmens „eine Revolution auf dem Kaffeemarkt“. | |
Mit den eigenen nespressokompatiblen Kapseln sei man nämlich „der erste | |
Anbieter, der mit einer im Supermarkt erhältlichen Aluminiumkapsel neue | |
Standards setzt“, hatte der Einzelhandelsboss von Jacobs Douwe Egberts, Luc | |
van Gorp, im Juli verkündet. | |
Dagegen wirkt die Velibre-Revolution revolutioniger, selbst wenn in der | |
Schweiz mit Beanerella ein Unternehmen bereits seit 2014 kompostierbare | |
Kaffeekapseln für die eigenen Maschinen herstellt und online vertreibt: Um | |
als Umwälzung wahrgenommen zu werden, ist das ein zu starker Rückzug auf | |
die eigene Nische. Dank Velibre aber wird allen klar: Wir leben in einer | |
Zeit, in der die Entsorgungsmöglichkeiten eines Produkts seinen | |
Wettbewerbsvorteil begründen. Und das ist toll. | |
16 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Kaffee | |
Abfall | |
Recycling | |
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Müll | |
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