# taz.de -- Buch über die Neue Rechte: Vorstoß in die Mitte | |
> In ihrem Sachbuch analysieren Liane Bednarz und Christoph Giesa, wie sich | |
> in Deutschland eine neue Rechte formiert. | |
Bild: Plakat von Pegida bei einer Demo in Dresden | |
Durch die Flüchtlingsdebatte haben rechte Bewegungen wie Pegida und die AfD | |
wieder mächtig Auftrieb erhalten. Die beiden Journalisten Liane Bednarz und | |
Christoph Giesa haben sich der Gedankenwelt ihrer Galionsfiguren, Idole und | |
Stichwortgeber angenähert und sind dabei rasch bei den Vordenkern der neuen | |
Rechten gelandet: bei Figuren wie Götz Kubitschek etwa, der auf einem | |
Rittergut in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) lebt, ein sogenanntes Institut | |
für Staatspolitik mitbegründet hat und mit Thüringens AfD-Chef Björn Höcke | |
befreundet sein soll. | |
Diese neue Rechte orientiert sich an den Ideen der Konservativen Revolution | |
der 1920e Jahre – an Intellektuellen wie Moeller van den Bruck, Oswald | |
Spengler und Carl Schmitt, die von einem „dritten Weg“ zwischen Demokratie | |
und Kommunismus träumten und sich von den Nazi-Braunhemden abgrenzten, die | |
ihnen zu pöbelhaft waren. Aber auch sie verachteten die Demokratie, | |
propagierten eine Politik der Stärke im Namen einer imaginierten | |
Volksgemeinschaft, nahmen keine Rücksicht auf Minderheiten und sahen sich | |
selbst als heimliche Elite an. | |
Auch die neuen Rechten von heute pfeifen auf Demokratie, Westbindung und | |
Toleranz. Ihre Feindbilder sind der „Parteienstaat“, Europa und der Euro | |
sowie die offene Gesellschaft – die „Homo-Lobby“ und die „Asyl-Industri… | |
vor allem aber Flüchtlinge und Muslime als Agenten einer angeblichen | |
Islamisierung. Sie inszenieren sich als Stimme des Volkes und Opfer von | |
Political Correctness, „Sprachverboten“ und „Genderwahn“ und rufen zum | |
„Widerstand“ auf. Ihre Medien heißen Junge Freiheit, eigentümlich frei, | |
Blaue Narzisse oder Sezession, und sie streben einen völkischen, | |
antiwestlichen und antiliberalen Staat an. Putins Russland ist ein Vorbild. | |
Dabei haben sie Strategien der Linken übernommen: Durch Demonstrationen, | |
sprachliche Subversion und gezielte Tabubrüche wollen sie Einfluss auf den | |
öffentlichen Diskurs nehmen, um so die „kulturelle Hegemonie“ (Antonio | |
Gramsci) zu erringen. Unterstützung erhalten sie von ultrakonservativen | |
Publizisten, etwa im Focus, in Cicero und der Welt, und bei rechten | |
Christen. Der Blick auf Leitmedien, Talkshows und Bestsellerlisten zeige, | |
dass die neue Rechte in den letzten Jahren „deutliche Fortschritte“ gemacht | |
und beträchtliche Erfolge erzielt habe, so die Autoren. | |
## Offen für autoritäres Denken | |
„Gefährliche Bürger“ ist ein wichtiges, lesenswertes Buch. Nur der Fokus | |
ist etwas eng. Denn in der Tat sind antimuslimische Verschwörungstheorien, | |
antiliberales PC-Bashing und eine schrille rechte Opferrhetorik salonfähig | |
geworden. Das liegt aber weniger an der neuen Rechten, sondern daran, dass | |
Teile des Bürgertums in den letzten Jahren nach rechts gerückt sind. | |
Publizisten wie Thilo Sarrazin, Matthias Matussek, Alexander Gauland und | |
Akif Pirinçci, um nur die bekanntesten Beispiele zu nennen, waren bis vor | |
Kurzem angesehene Angehörige der bürgerlichen Mitte, sie haben sich erst in | |
den letzten Jahren radikalisiert. Und ein Blog wie Die Achse des Guten war | |
nie liberal, wie Giesa und Bednarz schreiben, sondern ursprünglich stramm | |
neokonservativ. Neu ist, dass deren Autoren ihre autoritären Fantasien nun | |
statt auf George W. Bush auf Viktor Orbán projizieren. | |
Das Problem ist deshalb weniger die neue Rechte, sondern ein Bürgertum, | |
dass sich für autoritäres und antiliberales Denken so offen zeigt. | |
8 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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