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# taz.de -- Pegida-Demo am 9.11. in Dresden: Ein Abend der Symboliken
> Diesmal gab es kaum direkte Konfrontation. Die Kampagne „Herz statt
> Hetze“ wies auf die Geschichtsvergessenheit von Pegida hin.
Bild: Am 9.11.2015 in Dresden. Auf dem Plakat steht: „Wir sagen Ja zu Assad, …
Dresden taz | Und sie liefen doch – wie geplant. Im Vorfeld hatte es viel
Wirbel um die Pegida-Demonstration am 9.11. gegeben: Hitlerputsch,
Reichspogromnacht, Mauerfall. [1][Eine Petition, die ein Verbot der
Veranstaltung forderte], hatte bis zum Abend knapp 100.000
UnterstützerInnen. Die Kulturinitiative „Weltoffenes Dresden“ schaltete am
Montag in der Sächsischen Zeitung eine ganzseitige Anzeige, in der sie das
Handeln der Stadt Dresden als „geschichtsvergessen und verantwortungslos“
kritisierte.
Der Hintergrund: Die Kampagne „Herz statt Hetze“, hatte versucht, auf dem
zentralen Theaterplatz eine Demonstration anzumelden, die
Versammlungsbehörde untersagte dies aber, da Pegida früher angemeldet
hatte. Der Theaterplatz hieß in der Zeit des Nationalsozialismus
Adolf-Hitler-Platz und war Schauplatz großer Kundgebungen des Naziregimes.
Selbst der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte, ein
gewisses Fingerspitzengefühl sei in der Sache angebracht. Doch die
Versammlungsbehörde blieb stur.
„Es ist ein Unding, dass Pegida an diesem Tag an einem so sensiblen Ort
demonstrieren darf“, sagte Josef Sternfeld, Mitglied von „Herz statt Hetze�…
am Rande der Demonstration. Gleichzeitig sprach er sich gegen ein
Demonstrationsverbot aus. Bis zu 6.000 Menschen kamen zur Demo „Wehret den
Anfängen“ laut Studierendeninitiative „durchgezählt“.
Bei Pegida zählte die Initiative bis zu 8.500 TeilnehmerInnen. Den
Theaterplatz zierten an diesem Abend große Kreideschriftzüge. „Lügen-Lutz�…
war dort zu lesen und „Rassismus tötet“. Lutz Bachmann versuchte, im
„Lügenpresse“-T-Shirt seinen AnhängerInnen Mut zuzureden. „Pegida setzt
sich für Frieden und gegen die gerade entstehende Diktatur auf deutschem
Boden ein. Wir sind die Guten“, sagte er und rief zu einem „andächtigen
Spaziergang“ durch die Innenstadt. Parolen waren keine zu hören,
TeilnehmerInnen einer Stolperstein-Mahnwache in der Nähe des Theaterplatzes
wurden mehrfach beschimpft.
1989: Mauerfall
Zum Auftakt sprach bei „Herz statt Hetze“ Hanno Schmidt, ehemaliger Pfarrer
und Mitinitiator des 1989 gegründeten Neuen Forums. Er zeigte sich sauer,
dass Pegida die Symboliken der Wiedervereinigung klaue und verdrehe, sah
aber auch einen Bezug zur deutschen Politik. „Pegida hat seine Wurzeln auch
in einer auf Abschottung bedachten Regierungspolitik – von der
das-Boot-ist-voll-Rhetorik der 90er bis heute, vor allem in Sachsen“, sagte
er. Auch Josef Sternfeld kritisierte die Geschichtsvergessenheit von
Pegida. „Die Wiedervereinigung war ein Ereignis der Befreiung und der
Abschaffung von Grenzen. Wenn Pegida ‚Wir sind das Volk‘ ruft, dann
verkehren sie das Ereignis ins Gegenteil“, sagte er.
Bei der Abschlusskundgebung vor der Neuen Synagoge sprach Nora Goldenbogen,
Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden. Sie stellte den Zusammenhang
her zwischen der Sprache der Pegida-Bewegung und der des
Nationalsozialismus. „Volksverräter, Volksschädling – es ist eine Schande,
dass solche Worte fallen, von denen ich dachte, dass sie aus der Sprache
der Politik verschwunden sind“, sagte sie. Die Demonstrierenden riefen „es
gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, gefolgt von einer Schweigeminute für
die Opfer des Nationalsozialismus. Bereits am Nachmittag hatten
PolitikerInnen an der Neuen Synagoge Kränze niedergelegt. Dort war die alte
Synagoge während der Reichspogromnacht vor 77 Jahren niedergebrannt worden.
Als etwa 30 Pegida-TeilnehmerInnen die Herz-statt-Hetze-Demo passierten,
kam es dann doch noch zu Wortgefechten. Josef Sternfeld zeigte sich nach
der Veranstaltung zufrieden. „An diesem symbolträchtigen Tag sollte es ein
würdiger und andächtiger Protest werden – das ist uns gelungen“, sagte er.
10 Nov 2015
## LINKS
[1] /Kommentar-Anti-Pegida-Petition/!5249310
## AUTOREN
Jonas Seufert
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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