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# taz.de -- Bürgerinitiative „Wir sind Deutschland“: Jenseits von Pegida
> Nicht ganz „Gutmensch“, nicht ganz „Pack“. Aus dem vogtländischen Pl…
> kommt eine neue Bewegung – weniger rechts als Pegida.
Bild: Oder auch dafür. Die Bürgerbewegung „Wir sind Deutschland“ fährt k…
PLAUEN taz | Keine Transparente, keine Fahnen, keine Sprechchöre, keine
Hooligans, aber auch keine Gegendemonstration am Rande. Polizisten sind
kaum zu sehen. Die „Lügenpresse“ wird freundlich gefragt, für wen sie so
eifrig mitschreibe. Nur am Schluss erinnern leuchtende Handys entfernt an
die Anfänge von Pegida.
Sonst aber wächst im vogtländischen Plauen unter der Überschrift „Wir sind
Deutschland“ an den Sonntagnachmittagen ein neuartiger Protest, der sich
von Pegida und AfD-Demonstrationen unterscheidet. Vor mehr als 25 Jahren
hatten hier in der damals scherzhaft so betitelten Autonomen
Gebirgsrepublik auch jene Montagsdemonstrationen begonnen, die 1989 das
Ende der DDR einleiteten.
Dem Aufruf der Plauener Bürgerinitiative „Wir sind Deutschland“ sind am
Sonntag bei der achten Auflage nach Polizeiangaben etwa 4.000 Menschen aus
der Region gefolgt. Das Motto ist: „Jeder darf reden“. Die Redner kommen
aus sehr unterschiedlichen Bewegungen, ihre Themen sind so vielfältig wie
ein Gemüsegarten.
Die auf Handzetteln verteilte und auf der Homepage einsehbare Agenda reicht
von Weltfriedensappellen und Forderungen nach einem Stopp deutscher
Rüstungsexporte über Kritik an TTIP bis zur kostenlosen Verpflegung an
Kindertagesstätten und Schulen. Die Flüchtlinge sind ein wichtiges Thema,
sie dominieren aber nicht alle anderen wie bei Pegida.
## „Unser Feind ist das Wirtschaftssystem“
Die Redner sprechen am Sonntag neben Asyl vor allem über Frieden und
Kapitalismuskritik. Einige sind Insidern aus dem Internet bekannt und
finden hier live ein Massenpublikum wie Rico Albrecht von der
„Wissensmanufaktur“, einer Organisation, in der Verschwörungstheoretiker,
Neue Rechte und Klimawandelleugner mitmachen. Er benennt die unzureichende
Flüchtlingsversorgung in den Lagern nahe den Konfliktgebieten als eine der
Fluchtursachen nach Europa.
„Wir alle sind auf der Flucht vor der Wirtschaft“, lenkt der Publizist und
Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen den Protest auf soziale Grundfragen.
„Unser Feind ist das Wirtschaftssystem“, ruft er unter Beifall und fordert
einen „anderen Gesellschaftsvertrag“. Es reiche nicht aus, nur wütend zu
werden, man müsse die Dinge selbst in die Hand nehmen. Die Demokratie sei
eine anstrengende Staatsform, „die wir jeden Tag üben müssen“.
Moderator Gunnar Gemeinhardt und einem Plauener Bürger fällt auf, welche
verlorenen Träume und erlittenen Kränkungen aus den ersten Jahren nach der
Wiedervereinigung manche Ostdeutsche noch beschäftigen. Der Ruf nach einer
gemeinsamen Verfassung wird laut. Sozialer Wohnungsbau, Rente, Hartz IV
oder die Versorgung von Kindern sind Themen. Eine esoterisch beeinflusste
junge Frau aus dem Norden warnt aber vor zu viel Angst und schließt mit dem
Gruß „Friede sei mit euch!“.
## Eine heterogene Gruppe
So gemischt wie die Redner klangen auch die Zuhörer. Da ist der ältere
Linke, der aber „gegen Asyl“ ist und ein „Dahoam ist dahoam“ wiederholt,
beim Stichwort Waffenexporte wiederum aufbraust. Da sind zwei Frauen, die
sich bei Kapitalismuskritik an sozialistische Erfahrungen erinnert fühlen
und allergisch reagieren. Um Deutschland würden sie aber am liebsten eine
Mauer gegen die Flüchtlinge bauen.
Am kommenden Sonntag wird sich erstmals ein Plauener Ableger von „Wir sind
Deutschland“ in Bautzen in der Lausitz zeigen. Spannung verspricht die
geplante Ausdehnung nach Dresden, wo man zwei Drittel der
Pegida-Demonstranten umlenken will, wie ein Insider verrät. Dafür tut man
sich mit den Freien Wählern zusammen. Der sächsische Landeschef Steffen
Große bestätigte die Kontakte. Eine auffallende Dresdner Erscheinung
verblüffte schon einmal mit ihrer Anwesenheit in Plauen: Kathrin Oertel war
lange das Gesicht von Pegida, bevor sie sich mit dem Scharfmacher Lutz
Bachmann überwarf. „Nur interessehalber“ schaue sie vorbei, hieß es.
10 Nov 2015
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Flüchtlinge
Schwerpunkt Pegida
Bürgerinitiative
Rechtspopulismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt AfD
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Online-Petition
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