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# taz.de -- Debatte Machtkampf in der AfD: Petrys Balanceakt
> Die AfD punktet als Antiflüchtlingspartei. Aber intern brodelt es. Der
> Erfolg des Rechtsaußen Björn Höcke könnte für Petry zur Gefahr werden.
Bild: Bei der AfD-Demo am Samstag in Berlin läuft Frauke Petry rechts außen. …
Es läuft derzeit gut für die Rechtspopulisten der AfD. Täglich 50 Eintritte
verzeichnet die Partei nach eigenen Angaben und steuert damit wenige Monate
nach ihrer Spaltung auf einen neuen Mitgliederhöchststand zu, in
Wählerumfragen liegt sie konstant bei 7 Prozent oder darüber.
Sie wird – nach jetzigem Stand – bei den Wahlen im Frühjahr in drei weitere
Landtage einziehen, mit Baden-Württemberg erstmals in einem großen
Flächenland im Westteil der Republik. Selbst der Einzug in den Bundestag
2017 scheint möglich. Alfa, die Abspaltung um Parteigründer Bernd Lucke,
dagegen geht unter.
Was die Eurokrise nicht vermochte, schafft die große Anzahl der
Geflüchteten, die derzeit nach Deutschland kommen. Die AfD hat ihr Thema
gefunden. Klar wie keine andere Partei jenseits der Rechtsextremen setzt
sie auf Abwehr. Die AfD ist die Antiflüchtlingspartei. Und bietet damit
einen Hafen nicht nur für jene, die schon immer Angst vor Fremden hatten,
sondern auch für die, die die Handlungsfähigkeit des Staates schwinden
sehen und Merkels „Wir schaffen das“ anzweifeln. CSU-Chef Seehofer, aber
auch mancher Christ- und Sozialdemokrat schürt diese Ängste und betreibt
damit das Geschäft der AfD.
Viel muss die AfD für ihren Erfolg derzeit nicht tun. Nur Fehler machen
darf sie nicht. Die beiden gefährlichsten: eine allzu große Nähe zum
Rechtsextremismus und interne Zerwürfnisse. Auf beide aber steuert die
Partei wieder zu. Und damit auf einen neuen Machtkampf ähnlich dem, von dem
sich die Partei gerade erst erholt. Parteichefin Frauke Petry wäre dabei in
einer neuen Rolle zu sehen: der des ehemaligen Parteichefs Lucke. Aus der,
die Lucke vor sich hertreibt, könnte die Getriebene werden. Und die AfD
wieder weiter nach rechts rücken.
Hier zeichnet sich ein Muster ab, das dem Gründungsmythos der AfD
innewohnt. In der Partei kommen Menschen zusammen, die denken, ihre Meinung
werde unterdrückt. Das Versprechen: Hier dürft ihr sagen, was ihr denkt,
auch über Schwule und Frauen, Flüchtlinge, die USA und den Islam. Die AfD
widersetzt sich dem Gesinnungskonsens, sie bricht Tabus.
Das Muster geht, vereinfacht gesagt, so: Die Parteispitze will die Stimmen
von rechtsaußen, ohne das bürgerliche Lager zu verschrecken. Deshalb greift
sie ein, wenn die Partei oder einzelne Mitglieder zu weit nach rechts
driften. Das aber kommt bei den „Das wird man doch wohl mal sagen
dürfen“-Bürgern der AfD gar nicht gut an. Es folgen Empörung, Protest,
Druck. In der AfD dürfe alles diskutiert werden, so hat es Parteivize
Alexander Gauland einmal zusammengefasst. Die Grenze sei allein das
Grundgesetz. Lucke sah das anders. Auch deshalb wurde er gestürzt.
## Ein neuer Star
Petry, auf dem Spaltungsparteitag im Juni noch als Hoffnungsträgerin
gefeiert, taucht in der Öffentlichkeit derzeit wenig auf. Die AfD hat einen
neuen Star: den thüringischen Landeschef Björn Höcke. Der Mann, der bei
Jauch die Deutschlandfahne auf seinem Sessel platzierte und der gern von
„blond“ und „deutsch“ und „tausendjährig“ spricht.
Am Samstag hatte die AfD-Bundesspitze zur Großdemonstration nach Berlin
geladen. 5.000 Anhänger kamen. Petry hielt eine hölzerne Rede, der Applaus
war freundlich, euphorisch war er nicht. Höcke brachte in Erfurt jüngst
nicht nur 8.000 Menschen auf die Straßen, er rockte die Menge auch. Und
schafft es so in die Medien. Bis in die Talkshow zur besten Sendezeit am
Sonntagabend.
Höcke gehört zur neuen Rechten, er markiert den Rand der Partei. Er
bezeichnet sich selbst als Patriot, argumentiert völkisch und
deutschnational, in seinen Reden scheint die Weimarer Republik in ihrer
Spätphase auf. Höcke ist anschlussfähig bis weit ins rechtsextreme Lager.
## Zu viel Höcke könnte ein Problem werden
Nach seinem bizarren Auftritt bei Jauch sah Petry, dass zu viel Höcke ein
Problem werden könnte – für die AfD und auch für sie selbst. Gemeinsam mit
ihrem Kovorsitzenden schrieb sie in einer Mail an die Mitglieder, Höcke sei
nicht legitimiert, für die Bundespartei zu sprechen, mahnte Augenmaß und
sachliche Befassung mit anstehenden Problemen an. Solche Mails hatte früher
Bernd Lucke verschickt.
Höcke konterte mit einer knappen Presserklärung: „Wir haben einen
Bundesvorstand, der in der Lage ist, ein großes Meinungsspektrum innerhalb
der AfD zu erhalten“, hieß es darin. Am Abend trat er in München auf, rief,
die AfD müsse provozieren, und sagte zu seinem Auftritt bei Jauch unter
großen Applaus: „Ich würde es wieder so machen.“ Unterordnen wird Höcke
sich nicht.
Die Unterstützung des rechten Flügels ist ihm dabei sicher. Die
Patriotische Plattform griff Petry umgehend frontal an. Petry sei nicht
„echte Opposition“, Höcke repräsentiere die Partei besser als sie. Solche
Mails hatte bislang Lucke gekriegt. Auch Gauland sprang Höcke bei. Der
rechte Flügel, der durch die Spaltung deutlich größer und einflussreicher
geworden ist, hatte im Juni noch Petrys Sieg über Lucke und den rechten
Durchmarsch im Bundesvorstand möglich gemacht. Höcke selbst hatte damals
auf eine Kandidatur verzichtet. Aber er hat seinen Mann in der
Führungscrew: André Poggenburg, Landeschef in Sachsen-Anhalt.
## Macht gegen Überzeugung
Frauke Petry steht vor einem Balanceakt. Sie kann Björn Höcke nicht zu viel
Raum lassen, zu sehr kritisieren aber kann sie ihn auch nicht – beides
führt zum Konflikt und möglicherweise zum Kampf um die Macht. Vielleicht
wird sie versuchen, mit ihren Leuten die rechte Flanke selbst zu besetzen.
Das könnte die Einlassung ihres Lebensgefährten erklären, des
NRW-Landeschefs Marcus Pretzell, die Polizei müsse die Grenze sichern und
als Ultima Ratio auch auf Flüchtlinge schießen.
Vieles hängt also von Höcke ab. Die Landtagswahlen im März wird er nicht
gefährden wollen. Anders als die Machtpolitikerin Petry, die inhaltlich
anpassungsfähig ist, gilt Höcke aber als Überzeugungstäter. Er hat das Zeug
dazu, die Stimmung weiter aufzuheizen. In Thüringen, in der AfD und damit
auch in der gesamten Gesellschaft. Das ist gefährlich. Es birgt aber auch
die Möglichkeit, dass sich die AfD am Ende doch noch selbst zerlegt.
9 Nov 2015
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Flüchtlinge
Frauke Petry
Björn Höcke
Neue Rechte
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