# taz.de -- Luftverschmutzung in Deutschland: Dicke Luft dank Diesel-Autos | |
> Hunderttausende Bundesbürger leiden unter zu hohen Belastungen durch | |
> Stickoxide, vor allem Anwohner von Hauptstraßen. | |
Bild: In Stuttgart ist die Luftverschmutzung besonders hoch. | |
BERLIN taz | Mindestens 380.000 Bundesbürger leiden unter zu hohen | |
Belastungen durch gesundheitsschädliche Stickoxide. Das geht aus der | |
Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der | |
Grünen-Fraktion hervor, die der taz vorliegt. Besonders betroffen sind | |
Menschen im Ruhrgebiet, in Berlin, Hamburg und Stuttgart. Stickoxide | |
entstehen unter anderem durch Verbrennung in Dieselmotoren. VW hatte im | |
September Betrug bei der Abgasreinigung in Diesel-Pkws eingestanden. | |
Bärbel Höhn, Fraktionsvize der Grünen, rechnet sogar mit mehr Betroffenen. | |
„Ich gehe von nahezu einer Million betroffener Bürger aus, wenn die | |
Ergebnisse der Messstellen richtig hochgerechnet werden.“ So meldete das | |
besonders belastete Stuttgart weniger als 2.000 Betroffene, weil dort nur | |
die Bürger in unmittelbarer Nähe der Messstellen mitgezählt würden. | |
Betrachtet werden Gebiete, in denen in den Jahren 2010 bis 2013 die | |
Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten wurden. Stickoxide können | |
besonders die Atemwege schädigen. Etwa ein Viertel der | |
Stickstoffdioxidbelastung in den Städten stammt laut Deutscher Umwelthilfe | |
von Diesel-Pkws. Weitere Anteile haben andere Dieselfahrzeuge – etwa Lkws, | |
Busse und Bagger – sowie Benzinautos. Etwa ein Drittel der | |
Stickstoffdioxidbelastung stammt nicht aus dem Verkehr, sondern aus | |
Heizungen und der Industrie. | |
Höhn: „Die Autohersteller bauen billige Technik zur Abgasreinigung in die | |
Autos, um ihre Margen zu steigern.“ Die Zeche dafür zahlten die Menschen, | |
die sich nur die billigeren Wohnungen an den Hauptverkehrsstraßen leisten | |
könnten. | |
## „Endlich wurde der Nebel gelichtet“ | |
Der Grünen-Umweltpolitiker Peter Meiwald kann dem Abgasskandal etwas Gutes | |
abgewinnen. „Endlich wurde der Nebel gelichtet und die Frage beantwortet, | |
warum Autos die Schadstoffgrenzwerte theoretisch zwar einhalten, aber | |
praktisch die Stickoxidemissionen in den Städten nicht abnehmen.“ Nun | |
müssten strenge Schadstoffmessungen im Fahrbetrieb eingeführt werden. | |
Auch das Bundesumweltministerium stellt fest: Die tatsächlichen | |
Stickoxidemissionen von Dieselfahrzeugen, insbesondere von Diesel-Pkws und | |
leichten Nutzfahrzeugen, „haben nicht in dem Maße abgenommen, wie es durch | |
die stufenweise verschärften Abgasgrenzwerte auf Ebene der Europäischen | |
Union zu erwarten gewesen wäre“, heißt es in einem Bericht des Ministeriums | |
an den Bundestagsumweltausschuss. | |
Maßgeblich dafür sei, dass es auf europäischer Ebene nicht zu einer | |
frühzeitigen Begrenzung der Schadstoffemissionen im realen Betrieb gekommen | |
sei. „Hierdurch wird die Wirksamkeit der von den zuständigen Behörden | |
ergriffenen Maßnahmen stark eingeschränkt.“ Gemeint ist damit offenbar die | |
Einrichtung von Umweltzonen zur Verbesserung der Luftqualität in den | |
Städten. | |
Die EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska kündigte unterdessen | |
schärfere Kontrollen an. „Die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten haben | |
versagt“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. „Wir wollen künftig | |
kontrollieren und überprüfen, ob die nationalen Behörden ordnungsgemäß | |
arbeiten.“ Zudem sollten die Mitgliedstaaten die Ergebnisse von | |
Fahrzeugtests untereinander austauschen. | |
6 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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