# taz.de -- Flüchtlinge und Kaufkraft in Deutschland: Mehr Hummus! | |
> 800.000 neue Flüchtlinge sind 800.000 neue Kunden. Dadurch könnte das | |
> Angebot in den Regalen der Supermärkte breiter werden. | |
Bild: Bald auch in Ihrem Supermarkt: Hummus. | |
Die deutsche Ernährungswirtschaft sieht die steigenden Einwanderungszahlen | |
als Chance. Denn die Zuzügler sind potenzielle neue Konsumenten und | |
Arbeitskräfte. | |
„Wenn mehr Menschen in Deutschland leben, gibt es auch mehr Kunden und | |
damit mehr Umsatz für die Lebensmittelbranche“, sagte Christoph Minhoff, | |
Hauptgeschäftsführer des [1][Spitzenverbands der deutschen | |
Lebensmittelwirtschaft (BLL)], der taz. Dass dieser Effekt relevant sein | |
wird, darauf deuten die Zuwanderungsprognosen hin: Die Bundesregierung | |
erwartet dieses Jahr [2][800.000 Flüchtlinge beziehungsweise | |
Asylantragsteller]. | |
Das entspricht fast 1 Prozent der jetzigen Bevölkerung – etwas mehr | |
Menschen, als in Deutschland 2014 geboren wurden. Auch für das kommende | |
Jahr wird mit mehr Zuwanderern gerechnet. Und alle müssen essen. | |
Für die Ernährungsbranche kann das ein ansehnliches Umsatzplus bringen, wie | |
eine Modellrechnung der taz zeigt. Das gilt sogar, wenn die 800.000 nur ein | |
Minimum für Nahrungsmittel und Getränke ausgeben würden, nämlich die 141,66 | |
Euro, die dafür bei der Berechnung der [3][Hartz-IV-Regelsätze] zugrunde | |
gelegt werden. | |
## Kampf gegen die Stagnation | |
Denn auch diese sehr konservative Annahme würde ein Ausgabenplus von | |
jährlich 1,36 Milliarden Euro bedeuten, also 0,73 Prozent des [4][gesamten | |
Handelsumsatzes mit Lebensmitteln im vergangenen Jahr] in Höhe von 186,8 | |
Milliarden Euro. | |
Das ist ein signifikantes Plus in einem Markt, der 2014 der | |
Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie zufolge preisbereinigt | |
nur um 1,8 Prozent zulegte und im langjährigen Trend eher mit Stagnation zu | |
kämpfen hatte. | |
Die Flüchtlinge werden wohl auch das Lebensmittelangebot in Deutschland | |
verändern. Die Industrie freue sich über „die Einflüsse, die die | |
Flüchtlinge mitbringen“, so Branchenvertreter Minhoff. Schon jetzt bieten | |
die Unternehmen 170.000 Lebensmittelartikel an. | |
„Es werden sich sicherlich in den Produkten die Essensvorlieben von noch | |
mehr Kulturen wiederfinden.“ Der Chef der Biomolkerei Söbbeke, Paul | |
Söbbeke, sagte der taz, er glaube, dass sich orientalische Lebensmittel wie | |
Hummus und Couscous weiter verbreiten werden. | |
## Der harte Weg zum Arbeitsmarkt | |
Für die Agrarwirtschaft könnten Flüchtlinge auch neue Arbeitskräfte sein. | |
Schon jetzt hat sie jedes Jahr 300.000 Saisonarbeiter aus dem Ausland, die | |
zum Beispiel bei der Ernte helfen. „Die Beschäftigung von Flüchtlingen in | |
der Landwirtschaft ist absolut sinnvoll. Wenn wir mehr Möglichkeit hätten, | |
würden wir das auch begrüßen“, sagte der Generalsekretär der Deutschen | |
Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, der taz. Bisher sei es [5][zu schwierig, | |
Asylsuchende einzusetzen]. | |
Während ihr Antrag bearbeitet wird, dürfen sie [6][monatelang nicht | |
arbeiten]. Danach erhalten sie nur dann eine Arbeitserlaubnis, wenn sich in | |
einer „Vorrangprüfung“ der Arbeitsagentur kein Kandidat aus der EU für die | |
Stelle findet. „Das ist ein relativ kompliziertes Verfahren, das die Dinge | |
nicht gerade einfach macht“, so Krüsken. Erst nach 15 Monaten Aufenthalt | |
fällt diese Beschränkung weg. | |
„Wir wünschen uns, dass die Hürden, die das Asylrecht vorsieht, deutlich | |
gesenkt werden. Flüchtlinge müssten zu den gleichen Bedingungen arbeiten | |
können wie die regulären Saisonarbeitskräfte, die jetzt schon in | |
Deutschland tätig sind“, forderte der Generalsekretär. | |
Kritik, dass die Landwirtschaft mit Hilfe von Flüchtlingen ihr für viele | |
Tätigkeiten sehr niedriges Lohnniveau fortführen will, wies Krüsken zurück: | |
„Wir haben den Mindestlohn. Der gilt auch für Flüchtlinge.“ Allerdings | |
zahlt die Landwirtschaft wie einige andere Branchen dank Ausnahmeregelungen | |
[7][weniger als die 8,50 Euro pro Stunde]. Derzeit müssen die Bauern 7,40 | |
Euro im Westen und 7,20 Euro im Osten zahlen. Erst 2017 steigt der Betrag | |
auf einheitlich 8,60 Euro. | |
15 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bll.de/de/der-bll/wir-ueber-uns | |
[2] http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2015/08/neue-asylprognos… | |
[3] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/09/2014-09-16-grundsi… | |
[4] http://www.bve-online.de/themen/branche-und-markt/lebensmittelhandel/grafik… | |
[5] /!5219562/ | |
[6] /!5024703/ | |
[7] http://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/6/nav/1842/article/26473.h… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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