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# taz.de -- Markenexperte über Flüchtlingshilfe: „Aufsetzen auf den Zeitgei…
> Das Thema Nachhaltigkeit sei abgefrühstückt, meint Markensoziologe
> Errichiello. Jetzt setzten Unternehmen auf Mitmenschlichkeit und
> Toleranz.
Bild: Kann die Deutsche Bahn mit Flüchtlingsengagement ihr Image aufpolieren?
taz: Herr Errichiello, Audi hat angekündigt, 1 Million Euro für
Flüchtlingsprojekte zur Verfügung zu stellen. In den Zügen der Deutschen
Bahn sollen Flüchtlinge und ihre Helfer kostenlos fahren dürfen. Viele
Unternehmen machen sich derzeit für Flüchtlinge stark. Sind das humanitäre
Gesten oder ist das reine PR?
Oliver Errichiello: Wie die Modewelt ist auch die Unternehmenswelt
bestimmten Moden unterworfen. Nachdem man Ökologie und Nachhaltigkeit
abgefrühstückt hat, sich das inzwischen jeder auf seine Fahnen schreibt und
sich selbst Coca-Cola als „Green Product“ inszeniert, hat man jetzt das
Thema Mitmenschlichkeit und Toleranz für sich entdeckt.
Das ist natürlich nichts anderes als ein Aufsetzen auf den Zeitgeist, damit
man’s möglichst jedem recht macht. Das Problem ist nur, dass Marken oder
Unternehmen nicht deshalb funktionieren, weil sie’s jedem recht machen,
sondern weil sie für eine bestimmte Spezifik stehen.
In der Politik gilt das Thema Flüchtlinge nicht als eines, mit dem man
Wahlen gewinnt. Kann man mit dem Thema denn den Verkauf ankurbeln?
Das hängt ganz von der Marke ab. Für Audi mag es vollkommen unpassend
erscheinen, während es für eine Marke wie die Drogeriekette dm existenziell
ist, dass sie immer wieder auf den Bereich Mitmenschlichkeit setzt. Diese
One-size-fits-all-Denkweise, die wir in der Wirtschaft oft vorfinden, ist
absoluter Mumpitz und bringt nichts.
Gab es ihrer Erfahrung nach in der Vergangenheit schon mal eine ähnlich
hohe Bereitschaft, sich einer sozialen Frage zu widmen?
Ja, im Falle der Nachhaltigkeit. Ich habe vor einigen Tagen einen neuen
Begriff von einer Marketingleiterin eines sehr großen Unternehmens gelernt.
Sie sagte, Nachhaltigkeit sei heutzutage ein Hygienefaktor. Den müsse man
einfach haben und damit spielen.
Kein Unternehmen kann es sich heutzutage erlauben, nicht zu sagen, dass es
etwas für Nachhaltigkeit macht. Selbst Kik wirbt auf der Website damit, sie
würden Filialen mit Ökostrom betreiben. Dabei bestünde das eigentlich
nachhaltige Handeln doch darin, ordentlich mit den Mitarbeitern,
Lieferanten und Ressourcen umzugehen.
Inwieweit sind Flüchtlinge für die großen Unternehmen als Konsumentengruppe
interessant?
Ich glaube, wenn ich gerade mein Leben gerettet habe, ist es mir relativ
egal, ob ich gerade die Cola von Aldi oder Coca-Cola trinke. Von daher
erübrigt sich diese Frage. Es gibt ja diese Bedürfnispyramide von Maslow.
Markenpolitische Fragen stellen sich erst, wenn ich mich in Ruhe und
Sicherheit befinde.
Es geht erst mal darum, dass die Menschen wieder ein halbwegs normales
Leben führen können. Wenn ein Unternehmen also auf die Idee kommen sollte,
unter Flüchtlingen Kunden zu suchen, wäre das für mich menschenunwürdig.
Wenn sich so viele Unternehmen für Flüchtlinge starkmachen – kann man dann
den Rückschluss ziehen, dass ein Großteil der deutschen Gesellschaft
Flüchtlingen wohlwollend gegenübersteht? Ist die Unternehmenskommunikation
quasi ein Spiegel der Gesellschaft?
Nein, im Gegenteil! Man legt an Unternehmen heutzutage so hohe Standards
an, dass diese immer schon von sich aus vorbauen, um keine Angriffsfläche
zu bieten. Und man muss sich auch fragen: Wer macht denn die Kommunikation
in den Unternehmen?
Das sind doch alles aufgeklärte Leute mit MBA und mindestens sechs Monaten
Auslandsaufenthalt, die mit 19 Jahren mal eine Rucksacktour durch Thailand
gemacht haben, weil sie auch einmal kurz wild sein wollten. Das ist aber
nicht der gesellschaftspolitische Spiegel.
16 Sep 2015
## AUTOREN
Marco Wedig
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Marketing
Greenwashing
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Flüchtlinge
EU-Innenminister
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