# taz.de -- Treffen der EU-Innenminister: Erst abschotten, dann helfen | |
> Die Europaminister beraten über die Flüchtlingspolitik. Nach einer | |
> Einigung sieht es allerdings nicht aus. Und Merkel sitzt auf der | |
> Anklagebank. | |
Bild: Schachern auf EU-Ebene: Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner… | |
Brüssel taz | „Öffnen Sie Ihr Herz, tun Sie etwas!“ Mit diesen Worten | |
appellierte die Tante des ertrunkenen syrischen Flüchtlingsjungen Ailan | |
Kurdi am Montag an die Europäische Union. Dem Sterben im Mittelmeer müsse | |
ein Ende bereitet werden, forderte sie auf dem Schuman-Platz im Brüsseler | |
Europaviertel. | |
Doch die EU-Minister, die zu einem Krisengipfel angereist waren, ließen | |
sich nicht beeindrucken. Erst abschotten, dann helfen: Nach diesem Motto | |
arbeiteten sie die Flüchtlingskrise ab. Schon am Vormittag wurde die | |
Festung Europa verstärkt: Die 28 Europaminister gaben grünes Licht für die | |
zweite Phase des umstrittenen Militäreinsatzes vor der libyschen Küste. | |
Ab Oktober sollen Schiffe von Menschenhändlern auf hoher See aufgebracht | |
und Schleuser festgenommen werden. Sieben Kriegsschiffe, einen | |
Flugzeugträger sowie U-Boote, Drohnen, Hubschrauber und Flugzeuge bietet | |
die EU dafür auf. Deutschland will sich mit zwei Booten beteiligen, | |
allerdings muss der Bundestag noch zustimmen. | |
Nicht so eilig hat es die EU mit der Umverteilung von Flüchtlingen. Erst im | |
Oktober sollen Beschlüsse fallen, hieß es am Montag in Brüssel. Dann soll | |
es noch zwei Jahre dauern, bis 160.000 Hilfesuchende nach einer von Brüssel | |
überwachten Quote auf die EU-Staaten verteilt werden. Bundesinnenminister | |
Thomas de Maizière gab sich zwar optimistisch, dass eine faire | |
Lastenteilung gelingen werde. Nötig seien genaue Zeitpläne, forderte der | |
CDU-Politiker in Brüssel. | |
## Das Treffen stand unter keinem guten Stern | |
Zumindest die Umverteilung der ersten 40.000 Flüchtlinge innerhalb Europas | |
war am Montagnachmittag sicher. Die Minister trafen dafür den formellen | |
Beschluss. Eine Grundsatzeinigung hatte es bereits im Sommer gegeben. | |
Damals hatten die Minister entschieden, dass die Länder auf freiwilliger | |
Basis entscheiden sollten, wer wie viele Migranten aufnimmt. Diese Zusagen | |
blieben aber deutlich unter dem Ziel, weil nur für 32.256 Menschen die | |
Aufnahme zugesagt wurde. | |
Insgesamt stand das Treffen unter keinem guten Stern. Nach Deutschland | |
hatten auch Österreich und die Slowakei wieder Grenzkontrollen eingeführt. | |
Auch Polen und die Niederlande wollten das Schengen-Abkommen aussetzen. | |
Damit gerate die Reisefreiheit in Gefahr, warnte Kommissionschef | |
Jean-Claude Juncker. Alarmiert zeigte sich auch Jean Asselborn. „Es wird | |
ein Dominoeffekt werden, und wir können Schengen vergessen“, warnte der | |
Luxemburger, der den Ministerrat für sechs Monate leitet. Wenn die EU sich | |
nicht auf eine gemeinsame Strategie in der Flüchtlingsfrage einige, sei | |
„Chaos die Folge“. | |
Doch nach Einigung sah es zunächst nicht aus. Die Slowakei lehne die Quote | |
weiter ab, sagte Innenminister Robert Kalinak. Die vergangene Woche habe | |
gezeigt, dass das Quotensystem nicht funktionieren könne, weil die | |
Flüchtlinge nicht einmal in einem Land wie Österreich bleiben, sondern nach | |
Deutschland weiterreisen wollten. | |
Auch Polen schaltete auf stur. Kanzlerin Angela Merkel solle ihre Haltung | |
in der Flüchtlingsfrage überdenken, forderte der polnische Europaminister | |
Rafal Trzaskowski in Brüssel. | |
Die deutsche Entscheidung, die Grenze zu Österreich dichtzumachen, hatte | |
also nicht die gewünschte disziplinierende Wirkung. Zeitweise sah es so | |
aus, als säße Angela Merkel auf der Anklagebank. Nur Frankreich hielt offen | |
zu Deutschland. | |
14 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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