# taz.de -- Kommentar Flüchtlings-Koalitionsgipfel: Anlass zur Sorge | |
> Die Koalition beschließt einiges Sinnvolle für die Flüchtlinge. Doch auch | |
> die CSU-Hardliner haben ihre Forderungen durchdrücken können. | |
Bild: Wie willkommen sind die Flüchtlinge? Union und SPD haben sich auf eine g… | |
Dass die Große Koalition anpackt, ist erst mal erfreulich. Unter dem | |
Eindruck von tausenden Flüchtlingen, die seit dem Wochenende bei | |
Freilassing die Bundesgrenze überschreiten, haben sich Union und SPD noch | |
am Sonntagabend auf eine ganze Reihe sinnvoller Maßnahmen geeinigt: | |
Milliarden Euro gehen an Länder und Kommunen, der Bund stellt Unterkünfte | |
zur Verfügung, Menschen vom Westbalkan dürfen legal in Deutschland leben | |
(zumindest, wenn sie einen Arbeitsvertrag in der Hand haben). | |
All diese Maßnahmen waren dringend nötig. Und auf all diese Maßnahmen | |
hätten wir noch lange gewartet, wenn nicht der Druck der Ereignisse die | |
Regierung zum Handeln gezwungen hätte. Trotzdem bietet das Paket der Großen | |
Koalition auch Anlass zur Sorge, denn die Hardliner aus der CSU haben im | |
Kanzleramt ebenfalls eine Reihe von Forderungen durchgedrückt. Während die | |
Deutschen mit Luftballons am Bahnhof stehen, wollen die Konservativen | |
(teils hart erkämpfte) Rechte von Asylbewerbern kassieren. | |
Beispiel Residenzpflicht: Baden-Württembergs Ministerpräsidient Winfried | |
Kretschmann stimmte im vergangenen Herbst im Bundesrat nur zu, drei | |
Westbalkan-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, weil er im | |
Gegenzug einen Kompromiss ausgehandelt hatte. Asylbewerber dürfen sich | |
seitdem freier im Bundesgebiet bewegen. Kein Jahr später will die | |
Bundesregierung die Residenzpflicht nun wieder verschärfen. | |
Beispiel Sachleistungen: In Erstaufnahmelagern erhalten Flüchtlinge die | |
meisten Leistungen ohnehin in Naturalien. Nur 140 Euro erhält ein | |
Asylbewerber dort in bar, zum Beispiel für Bustickets oder Telefonkarten. | |
Dieses Taschengeld will die Regierung weiter zusammenstreichen. | |
Beispiel Duldungen: Viele abgelehnte Asylbewerber können nicht abgeschoben | |
werden, etwa weil sie krank sind oder ihre Heimatstaaten sie nicht | |
aufnehmen. Sie leben in ständiger Unsicherheit, weil ihre Duldung alle | |
sechs Monate widerrufen werden kann. Diese Frist will die Regierung noch | |
weiter absenken – auf drei Monate. | |
Natürlich: Um die steigende Zahl von Asylbewerbern zu bewältigen, sind | |
Abstriche nötig. Manche davon schmerzen und sind trotzdem unausweichlich. | |
Maßnahmen aber, die ausschließlich auf Kosten der Flüchtlinge gehen, ohne | |
Kosten und Asylbewerberzahlen spürbar zu senken, muss die Opposition nun | |
mit aller Kraft verhindern, notfalls über den Umweg des Bundesrats. Denn | |
klar ist: Errungenschaften, die die Regierung heute im Hau-Ruck-Verfahren | |
opfert, wird sie den Asylbewerbern so schnell nicht wieder zugestehen. Auch | |
dann nicht, wenn die Flüchtlingszahlen irgendwann sinken. | |
7 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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