| # taz.de -- Grüne und sichere Herkunftsstaaten: Bloß nicht festlegen | |
| > Bei der Diskussion um sichere Herkunftsländer würde die Parteispitze ein | |
| > hehres Prinzip opfern – wenn sie im Gegenzug genug dafür bekäme. | |
| Bild: „Das Thema hat einen hohen Symbolwert, auch für uns“, sagt Fraktions… | |
| Berlin taz | Mürvet Öztürks Sätze sind eine Ohrfeige für die Grünen, für | |
| ihren Landesverband sowieso, aber auch für die Bundespartei. „Für die | |
| Verschärfung des Asylrechts auf Kosten Schutzsuchender stehe ich nicht zur | |
| Verfügung“, schreibt die hessische Landtagsabgeordnete in einer Erklärung, | |
| die sie am Dienstag veröffentlichte. „In der Fraktion und Koalition sehe | |
| ich für mich keine Zukunft mehr, die Flüchtlings- und Integrationspolitik | |
| so zu gestalten, wie ich es seit Jahren politisch vertrete.“ Deshalb trete | |
| sie mit sofortiger Wirkung aus der Grünen-Fraktion aus. | |
| Mürvet Öztürk, 43, ist eine Kennerin der Flüchtlings- und | |
| Migrationspolitik: Die Islamwissenschaftlerin ist seit 2001 bei den Grünen. | |
| Sie sitzt seit sieben Jahren im Hessischen Landtag und war dort die | |
| integrationspolitische Sprecherin der Fraktion. Ihr Austritt ist ein | |
| Seitenhieb auf die schwarz-grüne Koalition in dem Bundesland, die sie eher | |
| kritisch begleitet hatte. | |
| Vor allem aber attackiert Öztürk den generellen Kurs der Grünen. Gegenüber | |
| dem Hessischen Rundfunk verwies sie auf die geplante Ausweitung der | |
| sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Die Große Koalition möchte auch | |
| Albanien, Kosovo und Montenegro für „sicher“ erklären, um | |
| Zuwanderungszahlen aus den Balkanstaaten zu senken. | |
| Bei den Grünen ist das Instrument umstritten. Da die Ökopartei in neun | |
| Bundesländern mitregiert, könnte sie ein Gesetz im Bundesrat verhindern. | |
| Mürvet Öztürk vermutet offenbar, dass sich die Grünen gegen mehr sichere | |
| Herkunftsländer nicht wehren werden. Sie könnte mit ihrem Verdacht richtig | |
| liegen. | |
| ## Reine Symbolpolitik von CDU, CSU und SPD | |
| Die Berliner Grünen-Spitze fährt eine Doppelstrategie. Sie bemüht sich, die | |
| Beschlüsse der Koalition zur Flüchtlingspolitik zu kritisieren. | |
| Gleichzeitig vermeidet sie es aber tunlichst, rote Linien in den | |
| Verhandlungen zu ziehen. Dies lässt sich bei den sicheren Herkunftsländern | |
| gut beobachten. „Das Thema hat einen hohen Symbolwert, auch für uns“, sagte | |
| Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Dienstag. „Ich glaube, dass diese | |
| Maßnahme keinen Effekt hat. Wirkungsvoller sind Aufklärungskampagnen vor | |
| Ort.“ Daneben brauche es besseren Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen aus | |
| den Westbalkanstaaten, damit sie nicht übers Asylrecht gehen müssten. | |
| Ähnliche Aussagen hört man von allen grünen Spitzenleuten. Es wird betont, | |
| dass die Maßnahme reine Symbolpolitik von CDU, CSU und SPD sei, da sie zwar | |
| hartes Durchgreifen suggeriere, aber nicht zu sinkenden Flüchtlingszahlen | |
| führe. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit des Arbeitsmarktzugangs | |
| hervorgehoben. Bekommen wir das eine, so kann man Göring-Eckardt und andere | |
| interpretieren, dann opfern wir eben das andere. | |
| Die Grünen präsentieren sich ganz anders als noch vor einem Jahr. Als | |
| Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann damals im | |
| Alleingang einer Asylrechtsverschärfung und einer Ausweitung der sicheren | |
| Herkunftsländer zustimmte, ging ein Aufschrei durch die Partei. Auch | |
| Spitzenleute wie Fraktionschef Anton Hofreiter erklärten die Entscheidung | |
| damals für falsch. | |
| Dieses Mal versuchen die Grünen, öffentlichen Streit zu vermeiden. | |
| Führungsleute in Bund und Ländern stimmen sich ständig ab und formulieren | |
| gemeinsame Positionen, zu denen zum Beispiel schnellere Asylverfahren und | |
| bessere Integrationskonzepte gehören. Fest steht schon jetzt: Die sicheren | |
| Herkunftsländer sind in dieser Gemengelage Verhandlungsmasse, mehr nicht. | |
| 9 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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