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# taz.de -- Kommentar Flüchtlinge in Südeuropa: Italien setzt auf Merkel
> Merkel fordert europäische Solidarität im Umgang mit Flüchtlingen. Das
> macht sie zur Hoffnungsträgerin der Regierung in Rom.
Bild: Das neue Dreamteam? Italines Ministerpräsident Matteo Renzi und Bundeska…
Geradezu hymnisch sind die Töne, in denen das Gros der italienischen Medien
nunmehr seit Tagen über Angela Merkel und Deutschland überhaupt berichtet.
Eben noch, vor ein paar Wochen bloß, war sie die hartleibige
Spardiktatorin, die Griechenlands Regierung in die Knie zwang, kurzum: fast
eine Wiedergängerin des Führers.
Nach ihrer Flüchtlingswende aber wird sie gefeiert, als wäre sie Mutter
Teresa – und daran ändert auch ihre erneute Volte, die [1][Grenzen zu
kontrollieren], wenig. Denn klar bleibt, dass die Flüchtlinge nie wieder zu
einem rein südeuropäischen Problem erklärt werden können,
Seit Jahren tragen Italien und Griechenland die Last, zu den
Hauptankunftsländern geworden zu sein. Seit Jahren schon fordern Italiens
Regierungen eine Europäisierung der Flüchtlingspolitik, beklagen sie immer
wieder, das Land werde „von Europa alleingelassen“. Als markantes Beispiel
hierfür stand die [2][Rettungsmission „Mare Nostrum“], die Rom Ende 2013 �…
nach der Katastrophe von Lampedusa mit 368 Toten – aufgelegt hatte, ohne
europäische Unterstützung zu erfahren.
Und doch war die Rede von einem alleingelassenen Italien nur die halbe
Wahrheit. Ganz im Stillen waren die Dublin-Regelungen nämlich de facto
schon letztes Jahr suspendiert.
## Weiter nach Deitschland
Etwa 170.000 Flüchtlinge kamen 2014 übers Mittelmeer nach Italien, doch nur
65.000 von ihnen stellten dort dann einen Asylantrag. Von den 77.000
eingetroffenen Syrern und Eritreern suchten nicht einmal 1.000 Schutz in
Italien.
Die anderen? Sie zogen weiter, über die Alpen nach Deutschland – das
seinerseits 2014 170.000 Asylanträge verzeichnete – oder nach Schweden,
weitgehend ungehindert von den italienischen oder auch den deutschen
Behörden. Und durch grobe Töne Richtung Italien fiel hin und wieder bloß
der eine oder andere CSU-Politiker auf.
Man könnte es auch so sagen: Was von Ende 2013 bis zum August 2015 lief,
war die Generalprobe, in den Details eher unbemerkt von den Zuschauern. So
verschwieg Italiens Regierung weitgehend die Tatsache, dass sie die
Flüchtlingsaufnahme faktisch schon zur Angelegenheit auch anderer Länder
gemacht hatte; Syrer trafen zwar dieses Jahr immer weniger ein, während die
Zahlen in Griechenland in die Höhe schossen, doch etwa die weiter
ankommenden Eritreer, die sich einer Identifizierung konsequent verweigern,
können ungehindert nach München oder Malmö fahren.
Auf der anderen Seite tat Frau Merkel so, als sei Dublin weiter in Kraft –
ohne dass jedoch Flüchtlinge und Migranten in den letzten Monaten wirklich
über die Alpen zurückgeschickt worden wären.
## Das Image in Deutschland zählt
Jetzt folgt die Inszenierung auf großer Bühne, vor großem Publikum. Laut
unterstreicht Merkel die Solidarität mit den Flüchtlingen, die doch
praktisch auch zur Solidarität mit den Südländern Europas, mit Italien oder
Griechenland, wird. Da überrascht es nicht, dass mancher italienischer
Kommentator gar spekuliert, Angela habe ihren Schwenk nicht zuletzt
vollzogen, um ihre europäische Imagekatastrophe während der
Griechenlandkrise auszubügeln.
An dieser Interpretation darf gezweifelt werden. Erneut – und genauso wie
in der Griechenlandkrise – ist Merkels Fixstern die öffentliche Meinung in
Deutschland, der Chor der Medien, das Drängen der Unternehmerverbände auf
aktive Zuwanderungspolitik.
Rom oder Athen kann es jedoch egal sein, wo die wahren Motive der deutschen
Regierung liegen. Was weit stärker zählt, ist das praktische Resultat, ist
die Tatsache, dass Deutschland nun auf dem Feld der Flüchtlingspolitik das
Prinzip Solidarität einfordert.
## Merkel und Renzi
Und schon dies macht einen kräftigen Unterschied: Jene bisherige stille
Solidarität, geübt „an den Regeln vorbei“, stand immer unter dem Vorbehal…
dass sie jederzeit wieder suspendiert werden konnte. Und sie war nicht
geeignet, die Gewichte in Europa ernsthaft zu verschieben – die elend lange
Diskussion auf den EU-Gipfeln vor der Sommerpause, über die Verteilung von
gerade einmal 40.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf andere
Länder, zeigte dies schlagend.
Deshalb herrscht in Italien jetzt das Gefühl vor, in Deutschland endlich
den starken Alliierten für eine echte Europäisierung der Flüchtlingspolitik
gefunden zu haben. Und Angela Merkel darf ihrerseits auf Italiens Premier
Matteo Renzi als einen der wenigen zählen, der sie im Europäischen Rat nach
Kräften unterstützen wird.
15 Sep 2015
## LINKS
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## AUTOREN
Michael Braun
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