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# taz.de -- All genders welcome?: Noch lange nicht normal
> Dass nicht jeder auf dieselbe Weise liebt, steht in Hamburgs Schulen auf
> den Lehrplänen – aber in den Köpfen hat sich noch nicht viel verändert.
Bild: Röcke und Leggins können auch Jungs gut stehen: SchülerInnen demonstri…
Hamburg taz | Nuri erinnert sich noch gut an sein Coming-Out. „Mit zwölf
Jahren stellte ich fest, dass ich mich zu Jungen hingezogen fühle. Anfangs
war es für mich ganz normal, aber als ich merkte, dass meine Mitschüler
sich für Mädchen interessierten, bekam ich Zweifel.“ Er war verunsichert
und fragte sich, warum gerade er anders empfinde und was das für
Konsequenzen haben könnte.
Mit 14 outete sich Nuri bei seinen Freunden. „Ich hatte Glück, weil es für
sie überhaupt kein Problem war.“ Auch Anfeindungen hat er nie erlebt.
„Selbst wenn mal ein Spruch kam, wurde ich immer geschützt“, erzählt der
17-Jährige. Innerhalb einer Woche wusste es seine ganze Stufe. Ein schwuler
Lehrer kam auf ihn zu und bot ihm ein Gespräch an.
Trotzdem merkte auch Nuri, dass Homosexualität noch immer nicht zur
Normalität geworden ist: „Plötzlich kannten mich alle, als ‚der Schwule�…
Negativ sei das nie gewesen, doch Bekannte von ihm hätten auch andere
Erfahrungen gemacht.
Bettina Kleiner von der Universität Hamburg hat die Erfahrungen von
lesbischen, schwulen, bisexuellen und Trans-Jugendlichen in der Schule
untersucht. Sie stellte fest, dass diese Jugendlichen entweder als „das
Besondere“ wahrgenommen werden oder unsichtbar bleiben und ihre sexuelle
Identität verbergen. Viele fühlen sich nicht akzeptiert und leugnen ihr
sexuelles Empfinden in der Öffentlichkeit aus Angst vor Diskriminierung.
Auch Gymnasial- und Beratungslehrerin Annette Etezadzadeh stellt fest, dass
sich in der Schule noch nicht viel verändert hat: „Meistens outen sich ein
bis fünf Schüler in einem Jahrgang. In der Regel sind sie vor ihrem Outing
schon beliebt – weniger anerkannte Personen haben da größere Probleme.“
Erziehungswissenschaftlerin Kleiner empfiehlt, genau hinzusehen, wie über
Geschlecht und Begehren gesprochen werde und wo es „anders“ erzählt und
gelebt werde. „Geschlechternormen müssen auf verschiedenen Ebenen
reflektiert werden“, sagt sie.
Annette Etezadzadeh kennt das Problem. Sie ist in ihrem Kollegium die
einzige offen lesbisch lebende Lehrerin: „Häufig sind nur die Lehrer
sensibilisiert, die privat mit dem Thema verbunden sind“, sagt sie.
Role-Models und Realerfahrungen seien wichtig, um Vorurteile abzubauen.
„Man muss die Thematik fächerübergreifend in den Unterricht integrieren und
zeigen, dass es unterschiedliche Lebensweisen gibt“, sagt Etezadzadeh, die
Englisch und Musik unterrichtet. Das könne durch Bilder von
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder durch Projektwochen passieren.
Immerhin hat das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung eine
Handreichung für LehrerInnen veröffentlicht, wie sie das Thema in den
Unterricht integrieren können.
Eine Adresse, an die sich Schulen wenden können, ist das
Schulaufklärungsprojekt „Soorum“, das 1994 von jungen Lesben und Schwulen
als ehrenamtliches Projekt im Magnus-Hirschfeld-Centrum gegründet wurde.
Die Freiwilligen von Soorum bieten Workshops an, die sich in erster Linie
an Schulklassen wenden. „Wir wollen dabei helfen, Fragen zu beantworten und
Klischees abzubauen“, sagt Carolin Seiler, die sich in dem Projekt
engagiert. „Besonders viele Fragen kommen zum Outing. Die Jugendlichen
interessiert, wie man selbst feststellt, dass man nicht heterosexuell ist
und wie das Umfeld darauf reagiert.“
Soorum wurde dieses Jahr mit dem Pride Award des Hamburger Christopher
Street Day ausgezeichnet. Ein wichtiges Zeichen in Zeiten, in denen
reaktionäre Gruppen gegen eine „Frühsexualisierung“ von Kindern wettern.
Die Sozialpädagogin Melanie Groß hat darüber geforscht, sie meint, dass es
in den vergangen Jahren einen Backlash gegeben habe: „Es hat viele
Fortschritte in der Sexualerziehung gegeben, aber momentan fallen wir durch
Initiativen wie die ‚Besorgten Eltern‘ wieder zurück.“
Bettina Kleiner legt Wert auf die Feststellung, dass sie nicht der Meinung
ist, dass alle Lehramtsstudierenden eine Veranstaltung zum Thema sexuelle
Vielfalt besuchen müssen.
18 Sep 2015
## AUTOREN
Larissa Robitzsch
## TAGS
Gender
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schule
Trans
Gleichberechtigung
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Berlinale
Kinder
Flüchtlinge
Queer
Tanz
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Transgender
Transgender
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