# taz.de -- Kommentar Ermittlungen Netzpolitik.org: Überfällige Notbremsung | |
> Warum wurden die Ermittlungen erst jetzt eingestellt? Das war überfällig. | |
> Ein Ziel hat der Staat weiter im Visier: potentielle Whistleblower. | |
Bild: Der Präsident des Verfassungsschutzes würde eventuell ganz gerne abtauc… | |
In [1][lapidaren Worten erklärt der Generalbundesanwalt], dass die | |
Ermittlungen gegen Netzpolitik.org eingestellt würden. Der | |
Generalbundesanwalt teile die Einschätzung des Bundesjustizministers, dass | |
es sich bei den weitergegebenen Informationen nicht um Staatsgeheimnisse | |
gehandelt habe, und sei außerdem der Ansicht, dass die „Voraussetzungen für | |
die subjektive Tatseite“ nicht gegeben sei, also beispielsweise das Motiv | |
der „Begünstigung einer fremden Macht“ und die willentliche Herbeiführung | |
eines „schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik | |
Deutschland“. | |
Das heißt, dass die Bundesanwaltschaft innerhalb von nicht einmal zwei | |
Wochen ihre Auffassungen in Sachen Landesverrat zumindest in der | |
öffentlichen Sprachregelung ins absolute Gegenteil verkehrt hat. Sogar | |
seinen Rausschmiss hatte der Generalbundesanwalt Harald Range provoziert, | |
als er dem Bundesjustizminister nicht ganz zu Unrecht öffentlich vorwarf, | |
das Verfahren aus politischem Opportunismus zu verhindern – und jetzt mag | |
seine Behörde kein Motiv und kein Staatsgeheimnis mehr erkennen. Warum erst | |
jetzt? | |
Die Sorge in Berlin, Köln und Karlsruhe dürfte sein, dass der öffentliche | |
Druck auf Verfassungsschutz und Innenministerium so weit ansteigen könnte, | |
dass Range nicht der einzige bleiben würde, der den Kopf hinhalten muss. | |
Mitten im Sommerloch, noch dazu bei einem Angriff auf Journalisten und | |
Pressefreiheit, braucht es keine besonders ausschweifende Fantasie, um eine | |
ganze Phalanx von Recherchen, Enthüllungen und bitterbösen Kommentaren von | |
der Tagesschau bis zur Süddeutschen Zeitung gen Sicherheitsapparat rollen | |
zu sehen. | |
Dass Justizminister Maas seinen Bundesanwalt zurückpfiff und schließlich | |
entließ, war die erste Notbremse – die eilige Einstellung des Verfahrens | |
soll nun endgültig den Druck aus dem Kessel nehmen. Jetzt gilt es für die | |
Bundesregierung und das ihr beigeordnete „Team Staatssicherheit“ wieder, in | |
einem Nebel der Unverbindlichkeiten, Erinnerungslücken und mangelnden | |
Zuständigkeiten zu versinken – genauso wie wir die Beamten und Politiker | |
aus den Untersuchungsausschüssen zu den Skandalen um NSU und NSA kennen. | |
## Ziel erreicht: Whistleblower eingeschüchtert | |
Ob ihnen das jedoch gelingt, liegt zum Glück nicht allein in ihrer Hand, | |
sondern auch in der einer kritischen und aufmerksamen Öffentlichkeit. Diese | |
muss mit Nachdruck die längst fällige Aufklärung über den bar jeder | |
Kontrolle und Aufsicht operierenden Sicherheits- und Geheimdienstapparat | |
verlangen. | |
Nötig ist das nicht zuletzt deshalb, da zumindest eines der ursprünglichen | |
Ziele des Ermittlungsverfahrens vorläufig erreicht ist: die Einschüchterung | |
potentieller Whistleblower. Auf diese besteht weiterhin ein erheblicher | |
Verfolgungsdruck, egal, wie berechtigt das Informationsbedürfnis der | |
Öffentlichkeit an den von ihnen mitgeteilten Vorgängen ist. | |
10 Aug 2015 | |
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[1] /Ermittlungen-gegen-Netzpolitikorg/!5221715 | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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