# taz.de -- Energie aus Gülle und Mais: Der Aufstand der Biogasbauern | |
> Die Bundesregierung hat die Förderung für Biogas zusammengestrichen. Die | |
> Branche ist sauer. Sie klagt nun vor dem Bundesverfassungsgericht. | |
Bild: Gehäckselter Mais für die Biogasanlage | |
Labenz taz | Es war Hochsommer, die Sonne brannte auf den Güllebehälter des | |
Bauernhofs von Reinhard Wilkes Bruder. In der Hitze bildeten Bakterien eine | |
meterhohe Schaumblase mit Methangas aus den Rinderexkrementen. „Da kam der | |
Auszubildende auf die Idee: Schmeiß mal ne Zigarette rein“, erzählt Wilke. | |
„Gesagt, getan. Fluppdiflupp fluppt die Fluppe da rein, und die hatten eine | |
Stichflamme von drei, vier Metern. Damit war die Idee zu einer | |
Biogas-Anlage geboren.“ Sie erzeugt aus der Energie in der Gülle Strom und | |
Wärme. | |
Seit 2009 ist die Anlage im schleswig-holsteinischen Labenz am Netz, Wilke | |
– stämmig, wohlbeleibt, blond – ist ihr Geschäftsführer. Nach seinen | |
Angaben versorgt sie 6.000 Haushalte mit Strom und 450 Häuser mit | |
Fernwärme. Herzstück sind drei Gärbehälter mit 25 bis 32 Meter Durchmesser, | |
Betonwänden und rotbraunen Plastikdächern, die Mützen von Mainzelmännchen | |
ähneln. | |
Außer mit Gülle füttern Wilkes Leute die Anlage vor allem mit Mais, der | |
noch mehr Energie pro Kilogramm liefert. Das entstehende Methan wird unter | |
dem Dach aufgefangen und in Motoren verbrannt, die Generatoren antreiben. | |
Die Abwärme erhitzt Wasser für die Heizungen. | |
Bisher war das ein sicheres und lukratives Geschäft. Denn wegen des | |
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) musste der örtliche Netzbetreiber die | |
gesamte Stromproduktion 20 Jahre zu einem festen Tarif kaufen. Dieser liegt | |
weit über dem Marktpreis und wird letztlich von den Verbrauchern berappt. | |
2014 kostete Strom aus Biomasse nach Zahlen der Netzfirmen 2,6 Milliarden | |
Euro. | |
Die Pflanzen für die Anlagen belegten [1][11 Prozent der deutschen | |
Ackerfläche]. Schließlich, so die Begründung, sei Biogas nicht so | |
gefährlich wie Atomkraft und könne eine bessere Klimabilanz als zum | |
Beispiel Kohle haben. | |
## Es gibt weniger Geld | |
Doch jetzt erwartet Wilke nur noch eine schwarze Null in seiner | |
Buchhaltung. Denn vor einem Jahr, im August 2014, ist das [2][neue EEG] in | |
Kraft getreten. Es hat die Biogas-Produktion deutlich unattraktiver | |
gemacht. „Wir werden in die Enge getrieben“, klagt der Unternehmer. | |
Die Reform hat die garantierten Preise für Strom aus Kraftwerken gesenkt, | |
die nach der Gesetzesänderung ans Netz gegangen sind; deshalb werden kaum | |
neue gebaut. Sie hat aber auch die Konditionen für ältere Anlagen | |
verschlechtert. Die Labenzer bekommen jetzt nicht mehr den sogenannten | |
Landschaftspflegebonus von 2 Cent je Kilowattstunde Strom. Den gab es, weil | |
sie ihren Mais etwas umweltfreundlicher anbauen. Und die Kürzung galt dann | |
sogar rückwirkend zum 1. Januar 2014, so dass Wilkes Firma 200.000 Euro | |
zurückzahlen soll. | |
Außerdem muss der Netzbetreiber nicht mehr die gesamte Stromproduktion zu | |
den hohen EEG-Preisen kaufen, sondern nur noch 95 Prozent der bisherigen | |
Anlagenleistung. „Das kostet uns 10 bis 15 Prozent unseres Gewinns“, | |
schimpft Wilke. Wie hoch der war, wolle er nicht sagen, wegen der Neider. | |
Nur soviel: Insgesamt nehme seine Anlage wegen des neuen EEG pro Jahr | |
300.000 Euro weniger ein. Vielen der rund 8.000 Biogas-Kraftwerke in | |
Deutschland gehe es ähnlich. | |
## Verfassungsbeschwerde eingelegt | |
Deshalb ist Wilke jetzt wie rund 140 andere Biogasunternehmer im [3][Verein | |
Nachhaltige Energien]. Der lud Ende Juli Journalisten – darunter auch den | |
Autor dieses taz-Artikels – aus Berlin nach Labenz, um die Öffentlichkeit | |
für die Branche zu mobilisieren. „Wir klagen jetzt vor dem | |
Bundesverfassungsgericht und fordern unser Recht“, sagt Wilke. Auch andere | |
Anlagenbetreiber haben Verfassungsbeschwerden eingelegt. | |
Ihr wichtigstes Argument: Die Reform des EEG verletze das Grundrecht auf | |
Eigentum. Denn das alte Gesetz habe ihnen „vermögenswerte Rechte“ – den | |
Anspruch auf den Landschaftspflegebonus zum Beispiel – gegeben. Die würden | |
nun unzulässig beschnitten. Wilke formuliert das so: „Wir haben die Anlagen | |
nach dem alten EEG kalkuliert und uns auf die Zusagen des Gesetzgebers | |
verlassen. Jetzt stehen wir im Regen und viele Anlagen vor der Insolvenz.“ | |
Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium dagegen bezeichnet die Reform | |
als „verfassungskonform“. Die alten Förderbedingungen würden „im | |
Wesentlichen“ weiter gelten. | |
Biogas hat eben kaum Freunde. Verbraucherschützer und Wirtschaftsbosse | |
mögen es nicht, weil es die teuerste erneuerbare Energie ist: 2014 | |
kassierten Biogasanlagen den Netzbetreibern zufolge mit 21 Cent pro | |
Kilowattstunde [4][mehr als doppelt so viel] wie Windkraftwerke an Land. | |
Die Biogas-Anbieter argumentieren dagegen, dass sie die Lücken schließen | |
könnten, die entstehen, wenn kaum Wind weht oder die Sonne nicht scheint. | |
Aber bislang laufen die meisten Biogasanlagen so gut wie immer und sind | |
nicht sehr flexibel. | |
## Treibhausgase vom Mais-Acker | |
Auch die Klimabilanz ist laut Umweltbundesamt [5][nur halb so gut] wie die | |
von Windenergie, da Treibhausgase entstehen, wenn etwa Mais für Biogas | |
angebaut wird. Und das ist Standard. Wilke etwa lässt in sein Kraftwerk nur | |
rund 32 Prozent Gülle – 50 Prozent sind Mais, der Rest andere pflanzliche | |
Stoffe. | |
Manche Entwicklungsaktivisten sagen, Pflanzen wie Mais sollten lieber | |
gegessen als verheizt werden. Dann sänken die Lebensmittelpreise, so dass | |
sich mehr Menschen weltweit genügend Nahrung kaufen könnten. Doch diese | |
These ist umstritten, da von hohen Agrarpreisen ausgerechnet die größte | |
Gruppe der Unterernährten profitiert: Bauern in Hungerländern. | |
Den Mais für die Biogasanlage in Labenz baut zum Beispiel Tilmann Hack an. | |
Ein schlagfertiger Landwirt mit Brille und norddeutschem Akzent. Die | |
Vielfalt auf seinen Feldern ist gering: Auf einer Hälfte pflanze er Mais, | |
auf 35 Prozent Weizen, auf dem Rest Raps, und der komme nur alle 6 Jahre | |
auf dasselbe Feld, so Hack. Das dürfte die intensive Landwirtschaft mit | |
ihren monotonen Feldern und ihrem hohem Pestizid- und Düngereinsatz sein, | |
die das Bundesamt für Naturschutz maßgeblich dafür verantwortlich macht, | |
dass [6][Tier- und Pflanzenarten aussterben]. | |
## Biogas oder Bio-Landwirtschaft | |
Gleichzeitig trügen solche Betriebe dazu bei, dass [7][kaum noch Bauern auf | |
die pestizidfreie Biolandwirtschaft umstellen], kritisiert Agrarexperte | |
Martin Hofstetter von der Umweltorganisation Greenpeace. Wegen der | |
EEG-Subventionen könnten konventionelle Biogas-Landwirte mehr Pacht für | |
ihre Äcker zahlen als Biobauern und ihnen so das Land wegschnappen. | |
Analysen des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts zeigen, dass in | |
Landkreisen mit besonders stark gestiegenen Pachtpreisen der [8][Bioanteil | |
an der Agrarfläche besonders niedrig] ist. | |
Das liegt auch daran, dass die Stromverbraucher wegen des EEG nach | |
Berechnungen der Forscher den Maisanbau für Biogasanlagen mit [9][bis zu | |
2.000 Euro pro Hektar] bezuschussen. Ökolandbau hingegen finanziert der | |
Staat je nach Bundesland mit maximal 500 Euro je Hektar Ackerland. Selbst | |
Hack räumt ein: „Die Biobauern haben es einfach schwer.“ | |
Dennoch hofft auch er, dass die Biogas-Leute wenigstens bei den | |
Verfassungsrichtern auf Gegenliebe stoßen. Doch bisher ist unklar, ob | |
Karlsruhe die Klagen annimmt. Und bis ein Urteil fällt, kann es Jahre | |
dauern. | |
10 Aug 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://mediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/a/b/abb03_rgb.jpg | |
[2] http://www.gesetze-im-internet.de/eeg_2014/ | |
[3] http://www.nachhaltige-energien-ev.de/ | |
[4] http://www.netztransparenz.de/de/file/EEG-Jahresabrechnung_2014.pdf | |
[5] http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/emissionsbilanz-erneuerbarer-en… | |
[6] https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/presse/2015/Dokumente/Artenschutzreport_Do… | |
[7] /Wachstum-von-Oekoflaechen-stagniert/!5215547 | |
[8] https://www.oekolandbau.de/erzeuger/oekonomie/betriebswirtschaft/wirtschaft… | |
[9] https://www.ti.bund.de/de/bw/personal/wissenschaftliches-personal/de-witte-… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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