| # taz.de -- CDUler über neuen NSU-Ausschuss: „Wesentliches ist bis heute ung… | |
| > Der Bundestag bekommt einen zweiten NSU-Ausschuss. CDU-Politiker Clemens | |
| > Binninger sagt, nur so seien offene Fragen beantwortbar. | |
| Bild: Eine der offenen Fragen: Warum ermordete der NSU die Polizistin Michele K… | |
| taz: Herr Binninger, bis heute gibt es offene Fragen zur NSU-Mordserie: | |
| Genug für einen zweiten Untersuchungsausschuss im Bundestag? | |
| Clemens Binninger: Wenn man die Anzahl dieser Fragen zum Maßstab nimmt, | |
| dann sicher ja. Vieles ist bis heute ungeklärt. Wir standen beim ersten | |
| Untersuchungsausschuss unter großem Zeitdruck und mussten Dinge | |
| ausklammern, obwohl sie zu unserem Ausschussauftrag gehörten. In der | |
| jetzigen Legislatur haben wir versucht, auf offene Fragen im Innenausschuss | |
| Antworten zu bekommen, mussten aber feststellen, dass uns Grenzen gesetzt | |
| sind und es Fragen gibt, die nur mit dem Format eines | |
| Untersuchungsausschusses beantwortet werden können. | |
| In Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg, Hessen und NRW tagen derzeit noch | |
| NSU-Untersuchungsausschüsse. Welche Komplexe blieben da noch für Ihr | |
| Bundestagsgremium? | |
| Nehmen Sie den Ausschuss in meiner Heimat Baden-Württemberg: Dieser wurde | |
| zu spät eingesetzt und wird in wenigen Monaten seine Arbeit schon wieder | |
| beenden. Bezüge zwischen der dortigen rechten Szene nach Thüringen oder | |
| Sachsen konnten so nicht geklärt werden. Das wäre zum Beispiel ein Punkt, | |
| den man sich nochmal ansehen müsste. Offen sind aber auch etliche ganz | |
| wesentlichen Fragen. | |
| Und zwar? | |
| Die Auswahl der Tatorte durch den NSU, die Frage nach weiteren Mittätern, | |
| die Zuordnung von DNA-Spuren, die Geschehnisse am 4. November 2011 in | |
| Eisenach und Zwickau, als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ums Leben kamen, | |
| die Frage, warum beim Kassel-Mord ein Verfassungsschützer am Tatort saß und | |
| ob die Polizistin Michèle Kiesewetter wirklich ein Zufallsopfer war. All | |
| das ist nicht wirklich geklärt. | |
| Und Sie glauben, der Bundestag kann dies noch erhellen? | |
| Ich warne vor zu großen Erwartungen. Die Aufgabe des Ausschusses wäre es, | |
| nachzuprüfen, was und ob alles getan wurde, um diese Fragen aufzuklären. | |
| Wir müssten versuchen, zumindest für die Ungereimtheiten eine Erklärung zu | |
| finden. Das wäre ein Maßstab für unsere Arbeit. Trotzdem kann am Ende auch | |
| die bittere Wahrheit stehen, dass manche Fragen vielleicht nie beantwortet | |
| werden. | |
| Aber Sie hoffen auf mehr? | |
| Natürlich. Es bleibt für mich etwa nach wie vor rätselhaft, dass in den 13 | |
| Jahren des Untertauchens des Trios der NSU angeblich kein Thema in der | |
| rechten Szene gewesen sein soll. Dass es nicht einen einzigen V-Mann gab, | |
| der zumindest den Aufenthaltsort des Trios kannte, obwohl mindestens einer | |
| viele Jahre sogar in der gleichen Stadt wohnte, in Zwickau. Das ist nach | |
| wie vor schwer vorstellbar. | |
| Der erste Ausschuss verzichtete noch darauf, V-Leute selbst zu befragen. | |
| Wird das jetzt anders? | |
| Wir wollten damals, so kurz nach dem Schock über die NSU-Verbrechen, | |
| amtsbekannten Neonazis keine Bühne bieten. Das hätte ein falsches Signal | |
| gesendet. Jetzt, mit dem zeitlichen Abstand, und nachdem einige V-Leute | |
| schon im Münchner NSU-Prozess oder anderen Ausschüssen ausgesagt haben, | |
| wäre ich für eine Ladung offen, wenn es Sinn macht. Aber noch ist da nichts | |
| beschlossen. | |
| Die Sicherheitsbehörden werden nicht begeistert sein, wenn Ihre Quellen | |
| vorsprechen. | |
| Danach geht es nicht. Es muss geklärt werden, ob die V-Leute und Behörden | |
| tatsächlich nie einen Hinweis auf den NSU hatten und ob sich das mit der | |
| Aktenlage glaubhaft machen lässt. Im Übrigen dürfte die notwendige Zuarbeit | |
| der Sicherheitsbehörden an den Ausschuss bei einer Fortsetzung deutlich | |
| weniger aufwändig sein. Wir hatten ja im letzten Untersuchungsausschuss den | |
| Beweisbeschluss gefasst, die angeforderten Akten bis zum Ende des Münchner | |
| NSU-Prozesses zu behalten. Sie liegen uns im Bundestag also noch vor und | |
| müssten nur ergänzt werden. | |
| Gibt es denn eine Erkenntnis aus dem ersten Ausschuss, die Sie bereits | |
| revidieren müssen? | |
| Ja, möglicherweise. Zum Beispiel die Email des Verfassungsschutzes Hessen | |
| von 2006 an seine V-Mann-Führer, dass sie sich bei ihren Quellen umhorchen | |
| sollen, ob diese etwas zu den „Ceska-Morden“ wüssten - eine gute Woche vor | |
| der Ermordung von Mehmet Kubasik und Halit Yozgat. Wenn es diese Email | |
| wirklich gab, würde das einiges ändern und dringende Fragen aufwerfen. Dann | |
| nämlich wäre der Verfassungsschutz doch früher und konkreter mit der | |
| Mordserie beschäftigt gewesen, und nicht erst nach der Tat in Kassel, wovon | |
| wir damals ausgegangen sind. | |
| Im Bundestag laufen bereits zwei Untersuchungsausschüsse. Ist ein dritter | |
| noch zu schaffen? | |
| Einer, der zum Fall Edathy, würde vorher sicher abgeschlossen. Außerdem | |
| würden wir ja nicht bei null starten, sondern mit einigem Vorwissen. | |
| Dadurch könnte man sich sehr gezielt mit einem kleinen Untersuchungsauftrag | |
| zunächst auf die offenen Fragen konzentrieren. Eine wichtige Voraussetzung | |
| für eine Fortführung ist für mich aber, dass wir weiter | |
| fraktionsübergreifend zusammen arbeiten und parteipolitische Interessen | |
| zurückstellen. Da sehe ich aber keine Probleme, da wir Berichterstatter aus | |
| allen vier Fraktionen uns einig sind. | |
| Wann kann es denn losgehen? | |
| Noch haben wir formell nichts beschlossen. Wenn die Fraktionsspitzen dem | |
| aber zustimmen, könnte der Untersuchungsauftrag formuliert und beschlossen | |
| werden, sodass ein Start Anfang November realistisch wäre. | |
| 13 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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