Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Linke-Politiker über Ausschuss zum NSU: „Mehr Fragen als Antwort…
> Petra Pau und Martina Renner fordern einen neuen
> NSU-Untersuchungsausschuss. Gespräch über die Rolle der Behörden,
> politische Verantwortung und Dreistigkeit.
Bild: Wie groß war ihr Netzwerk? Fahndungsplakat mit Zschäpe, Mundlos und Bö…
taz: In Thüringen hat diese Woche der zweite NSU-Untersuchungsausschuss
begonnen. Braucht auch der Bundestag einen neuen Anlauf, um den vielen
offenen Fragen und Ungereimtheiten nachzugehen?
Petra Pau: Ein zweiter Untersuchungsausschuss ist notwendig. Die
Bundeskanzlerin höchstpersönlich hat 2012 eine rückhaltlose Aufklärung
versprochen. Von diesem Ziel sind wir weit entfernt. Es gibt nach wie vor
mehr Fragen als Antworten. Und mit normalen parlamentarischen Gremien wie
dem Innenausschuss kommen wir nicht mehr weiter. Wenn man die bisherigen
Ergebnisse unserer parlamentarischen Anfragen, die Zeugenaussagen vor dem
Oberlandesgericht München und Recherchen von Journalisten zusammenstellt,
wird deutlich, dass uns im ersten Untersuchungsausschuss zum NSU im
Bundestag wichtige Akten sowie Namen von Verantwortlichen fehlten.
Ihre Fraktion alleine kann keinen Untersuchungsausschuss beschließen. Wären
denn Union, SPD und Grüne dabei?
Pau: Dieser zweite Ausschuss im Bundestag darf kein Instrument der
Opposition werden. Wir müssen anknüpfen an unsere gute Zusammenarbeit im
ersten NSU-Ausschuss. Wir waren damals immer dann stark, wenn alle
Fraktionen gemeinsam aufgetreten sind. Das schließt inhaltliche
Kontroversen natürlich nicht aus.
Was heißt das? Gibt es eine Abmachung mit den anderen Fraktionen?
Pau: Wir arbeiten gemeinsam an einem Vorschlag, den wir unseren Fraktionen
machen wollen. Unter den Fachleuten, die sich im Bundestag mit dem
NSU-Komplex befassen, ist das Konsens.
Martina Renner: Aus meiner Arbeit im NSA-Untersuchungsausschuss weiß ich,
dass es bei den Grünen großes Interesse gibt, die Arbeit in einem neuen
Untersuchungsausschuss fortzusetzen.
Bislang zögerten alle Fraktionen und wollten die Arbeit des
NSU-Sonderermittlers Jerzy Montag abwarten. Sein Bericht zu den
Ungereimtheiten rund um den toten V-Mann „Corelli“ wird erst im Mai
veröffentlicht …
Renner: Die Legislaturperiode ist inzwischen fast zur Hälfte vorbei. Wenn
wir uns noch mal an die Arbeit machen wollen, wird es höchste Zeit.
Pau: Im Innenausschuss haben uns die Behörden zuletzt systematisch
Antworten verweigert – gerade auch im [1][Fall des V-Manns „Corelli“]. Wir
konnten seinen Fall mit den normalen Instrumenten des Parlaments überhaupt
nicht bearbeiten. Da hatte ich manchmal das Gefühl, die Behörden betteln
regelrecht um einen neuen Untersuchungsausschuss. Und der Fall „Corelli“
ist ja bei Weitem nicht der einzige offene Komplex.
Das BKA, die Bundesanwaltschaft, verschiedene Ausschüsse im Bundestag und
in den Landtagen haben den NSU-Komplex intensiv durchleuchtet. Was macht
Sie so sicher, noch relevante, neue Puzzleteile zu finden?
Pau: Wir verstehen uns nicht als bessere Polizisten. Uns geht es um
Strukturen, um politische Verantwortung. Es darf uns einfach nie wieder
passieren, dass wir die Gefahr von neonazistischem Terror so unterschätzen.
Unser erster Untersuchungsausschuss im Bundestag hat seine Arbeit mit einem
Blatt weißen Papiers begonnen. Wir hatten fast keine Ergebnisse aus den
Ländern. Unser Vorwissen war minimal. Von vielen V-Leuten im NSU-Umfeld
wussten wir noch nichts. Wie sollten wir damals nach diesen Spitzeln
fragen?
Welche zentralen Fragen muss der nächste Untersuchungsausschuss bearbeiten?
Renner: Er soll das große Netzwerk rund um Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
genauer durchleuchten. Es geht um die Frage, welche weiteren Personen aus
der Neonaziszene und von Blood and Honour bei der Vorbereitung der Taten
halfen. Gab es weitere Unterstützer oder sogar Tatbeteiligte? Zentral ist
aber auch die Rolle der Behörden, insbesondere die des Bundesamtes für
Verfassungsschutz: Welche Informationen hatten Spitzel, von denen wir
vielleicht noch gar nichts wissen? Hatten sie konkrete Aufträge, der
Bildung rechter Terrorzellen nachzugehen? Wie nah waren sie wirklich dran
am NSU?
Pau: Für mich geht es auch um den 4. November 2011, den Tag, an dem das
NSU-Kerntrio aufflog. Beim letzten Mal sind wir gar nicht dazu gekommen,
die merkwürdigen Geschehnisse an diesem Tag zu durchleuchten. Auch die Zeit
danach ist wichtig. Da rückt das Bundesamt für Verfassungsschutz in den
Fokus: Hat es sich wirklich der rückhaltlosen Aufklärung gewidmet oder
seine Kräfte eher darauf konzentriert, die Verantwortlichkeiten zu
verschleiern?
Sie beschuldigen die Behörden, vor allem den Verfassungsschutz, Ihnen
wichtige Unterlagen verheimlicht und die Aufklärung blockiert zu haben.
Wieso sollte das im nächsten Anlauf besser werden?
Renner: Wir haben inzwischen einfach mehr Wissen – und selbst dazugelernt.
Wir würden mit Sicherheit mit mehr Nachdruck die Beweise einfordern. Und
wenn das nicht hilft, muss notfalls das BKA im Rahmen seiner noch laufenden
Ermittlungsverfahren zum NSU selbst Akten beim Verfassungsschutz sichern.
Zum Teil steht Aussage gegen Aussage. Der Exspitzel „Tarif“ behauptet, er
habe das Trio unterbringen sollen und seinen V-Mann-Führer aus dem
Bundesamt um Rat gefragt. Der Verfassungsschützer bestreitet das. Sie
halten beide Seiten für wenig glaubwürdig. Wie wollen Sie da noch
weiterkommen?
Pau: Da helfen uns hoffentlich neue Akten aus dem Bundesamt für
Verfassungsschutz.
Wenn die V-Leute eine so wichtige Rolle spielen: Wollen Sie die
Neonazispitzel beim nächsten Mal als Zeugen in den Bundestag laden?
Pau: Da bin ich, ganz ehrlich, hin- und hergerissen. Im ersten
Untersuchungsausschuss wollten wir Neonazis keine Bühne für ihr
dummdreistes Agieren bieten. Solange es keine Anhaltspunkte gibt, dass uns
eine Aussage wirklich weiterbringt, bin ich dagegen.
Wann könnte der zweite NSU-Ausschuss starten?
Pau: Hoffentlich nach der Sommerpause, sobald die Fraktionen einen
gemeinsamen Untersuchungsauftrag erarbeitet haben. Dann bliebe uns sogar
noch mehr Zeit als im ersten Anlauf.
24 Apr 2015
## LINKS
[1] /Rechtsextremer-V-Mann-Corelli/!155400/
## AUTOREN
Astrid Geisler
## TAGS
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
Verfassungsschutz
Terrorismus
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Schwerpunkt Rechter Terror
Verfassungsschutz
Bundestag
Bundestag
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Thüringen
Grüne
Schwerpunkt Rechter Terror
Schwerpunkt AfD
Sachsen
## ARTIKEL ZUM THEMA
V-Mann „Corelli“ im NSU-Komplex: Erst ein Handy, jetzt vier Sim-Karten
Der Verfassungsschutz findet bei sich erneut Unterlagen des Ex-Spitzels
„Corelli“. Er gehört zu den strittigsten V-Leuten im gesamten Fall.
Neuer Chef für Thüringer VS: Der maximale Reformer
Thüringens Verfassungsschutz wird jetzt von Stephan Kramer, einst
Generalsekretär des Zentralrats der Juden, geführt.
Zweiter NSU-Ausschuss kommt: Fraktionen einig über Aufklärung
Der Bundestag wird einen zweiten NSU-Ausschuss einrichten. Im Fokus:
Unterstützer der Rechtsterroristen – und der Verfassungsschutz.
CDUler über neuen NSU-Ausschuss: „Wesentliches ist bis heute ungeklärt“
Der Bundestag bekommt einen zweiten NSU-Ausschuss. CDU-Politiker Clemens
Binninger sagt, nur so seien offene Fragen beantwortbar.
Untersuchungsausschuss zur NSU-Affäre: Beweise nur gegen Gewähr
Die Familie eines toten Zeugen fühlt sich vom Ausschuss in
Baden-Württemberg diffamiert. Ein Vertrag soll die Übergabe von Asservaten
regeln.
Naziangriff in Weimar: Geplant und brutal
In Weimar greifen Rechtsextreme eine DGB-Kundgebung an und verletzen vier
Menschen. Politiker sind entsetzt über das Maß an gezielter Gewalt.
Neuer NSU-Ausschuss: Grüne dafür, SPD zögert
Muss der Bundestag einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss ins Leben
rufen? Die SPD vermisst die große neue Frage.
Petra Pau über NSU-Aufklärung: „Vom Ziel sind wir weit entfernt“
Im ersten NSU-Untersuchungsausschuss haben Namen von Verantwortlichen
gefehlt. Die Linkspolitikerin Petra Pau fordert einen zweiten.
NSU-Ausschuss in Thüringen: Direkter Draht in rechte Szene?
Im NSU-Untersuchungsausschuss in Erfurt sitzt auch Björn Höcke von der AfD.
Dessen Kontakt zu einem NPD-Mann sorgt die Linke. Die AfD gibt sich empört.
NSU-Prozss am OLG München: Wissen ohne Folgen für Meyer-Plath
Der sächsische VS-Chef sagte als Zeuge im NSU-Prozess aus. 1998 hatte er
fünf Berichte über das Nazi-Trio erhalten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.