| # taz.de -- Wohnen in der Nähe von Fukushima: Zurück in die Radioaktivität | |
| > Japans Regierung erklärt Gebiete in der Nähe des Unglücksreaktors für | |
| > sicher – obwohl die Strahlung den Grenzwert ums Zehnfache übersteigt. | |
| Bild: Die Wälder Iitates sind ein riesiger Speicher für Radioaktivität, sie … | |
| Chiang Mai taz | Japan investiert Milliarden in die Beseitigung der | |
| Strahlung infolge der Atomkatastrophe von Fukushima und will Erfolge sehen. | |
| Daher hat die Regierung beschlossen, dass ab März 2017 einige Gebiete | |
| wieder bewohnbar sind. Greenpeace Messungen zeichnen aber ein anderes Bild. | |
| Im September 2010 wurde Iitate als eines der schönsten Dörfer Japans | |
| ausgezeichnet. Sechs Monate später ereignete sich das schwerste Erdbeben in | |
| der Geschichte Japans. Iitate hatte Glück, die Schäden waren gering. Der | |
| Super-GAU kam erst Minuten später. Das Beben löste einen Tsunami aus, der | |
| drei Reaktorblöcke im Atomkraftwerk Fukushima zerstörte. Eine radioaktive | |
| Wolke legte sich über die Umgebung von Fukushima. | |
| Zuerst glaubten die Menschen in Iitate, sie hätten erneut Glück gehabt. Das | |
| Dorf liegt etwa 40 Kilometer nordwestlich der zerstörten Reaktoren und | |
| somit außerhalb der 30-Kilometer-Zone, aus der alle Menschen sofort | |
| evakuiert wurden. Doch der Wind trieb die Strahlung in ihre Richtung und | |
| zwanzig Tage nach dem Unglück musste auch Iitate geräumt werden. | |
| Seither wird der Ort „dekontaminiert“. Tausende Arbeiter tragen die oberste | |
| Bodenschicht ab, waschen Straßen und Häuser. Doch Iitates malerische Lage | |
| in den Wäldern des Abukumaplateaus erweist sich nun als Fluch, wie Jan | |
| Vande Putte von Greenpeace erklärt: „Der (japanische) Premierminister | |
| Shinzo Abe will die Leute glauben machen, dass die Regierung riesige | |
| Flächen so gründlich dekontaminiert, dass sie wieder sicher genug sind, um | |
| dort zu leben.“ | |
| In der Realität sei diese Politik aber zum Scheitern verurteilt. Denn die | |
| Wälder Iitates seien ein riesiger Speicher für Radioaktivität, sie würden | |
| für Hunderte von Jahren eine Strahlenquelle bleiben. Sie zu dekontaminieren | |
| sei unmöglich. Jedes Mal wenn es regne, würden in den Wäldern strahlende | |
| Cäsium-Atome ausgewaschen und kontaminierten dann wieder die Wiesen und | |
| Felder rund um Iitate. | |
| ## Regierung beschließt Radioaktivität für beendet | |
| Doch davon will Tokio nichts wissen. Die Regierung hat beschlossen, dass | |
| Iitate ab März 2017 wieder bewohnbar ist. Ein Jahr später verlieren die | |
| ehemaligen Bewohner Iitates dann die Kompensation, die der | |
| Fukushima-Betreiber Tokyo Electric Power (Tepco) den Fukushima-Flüchtlingen | |
| bezahlt. Diese erhalten monatlich knapp 750 Euro. Spätestens dann wären | |
| viele Menschen gezwungen, wieder nach Iitate zurückzukehren. „Den Opfern | |
| der Atomkatastrophe ihre eh schon unzureichende Kompensation zu streichen, | |
| was sie zur Rückkehr in hochradioaktive Gebiete zwingen könnte, ist | |
| wirtschaftliche Nötigung“, sagt Vande Putte. | |
| In der Gegend von Iitate wird der internationale Strahlengrenzwert derzeit | |
| um das Zehnfache übertroffen, wie Messungen von Greenpeace ergeben haben. | |
| Dieser Grenzwert liegt bei einem Millisievert pro Jahr. Doch wer in Iitate | |
| lebt, bekäme innerhalb eines Jahres zwischen 10 und stellenweise gar 20 | |
| Millisevert Strahlung ab. Das ist deutlich mehr als der erlaubte Grenzwert | |
| nach dem Atomunglück von Tschernobyl. Dort gelten Gebiete mit einer | |
| Strahlung von mehr als fünf Millisievert pro Jahr als unbewohnbar. | |
| Vande Putte kritisiert denn auch die Entscheidung der Regierung, Iitate in | |
| zwei Jahren wieder für bewohnbar zu erklären: „Dies ist eine politische | |
| Entscheidung der Abe-Regierung und keine Entscheidung, die auf | |
| Wissenschaft, Daten und der öffentlichen Gesundheit beruht.“ | |
| Mehr als die Hälfte der ehemaligen Bewohner von Iitate wollen denn auch | |
| nicht in ihr einst schönes Dorf zurück. Im Juni haben 3.400 von ihnen eine | |
| Petition unterschrieben, in der die Pläne der Regierung ablehnt werden. Der | |
| Bürgermeister des Orts unterstützt hingegen die Regierung. Diese seien | |
| „Ausdruck der wahren Stimmen der Bürger und ihrer Pläne, den Wiederaufbau | |
| zu beschleunigen“, ließ Yukiei Matsumoto wissen. | |
| Anders sieht dies der Anwalt von Iitates Bürgern: „Das Schicksal der | |
| Menschen von Iitate ist einer der vielen Fälle, wo Japan seine Menschen im | |
| Stich gelassen hat wie etwa bei der Minamata Krankheit | |
| (Quecksilbervergiftung). Wir können nicht erlauben, dass dies wieder | |
| passiert.“ | |
| 21 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Mihatsch | |
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