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# taz.de -- Guter Wille, falscher Weg?: Die Rückkehr der Castoren
> Das Bremer Verwaltungsgericht hält die Sperrung der Bremer Häfen für
> Atom-Transporte für verfassungswidrig. Nun landet der Präzedenzfall in
> Karlsruhe.
Bild: Bald wieder an den Bremer Häfen? Nukleares Warnschild.
BREMEN taz | Die Sperrung der Bremer Häfen für Atomtransporte ist nach
Überzeugung des Bremer Verwaltungsgerichts verfassungswidrig. Damit folgt
es dem Feststellungsantrag dreier Kernkraft-Unternehmen und überweist den
Fall nach Karlsruhe. Die Bremer Richter sehen insbesondere die
Regelungs-Kompetenz des Bundes in atomaren Fragen verletzt.
Als erstes Bundesland hat Bremen 2012 eine Änderung seines
Hafenbetriebsgesetzes beschlossen, der Vorgang hatte hohen Symbolwert: De
facto waren die Atomtransporte über Bremen bereits weitgehend zum Erliegen
gekommen, in den letzten Jahren vor 2012 gab es zwischen null und drei
Transporte – per anno. Dennoch war die Atom-Industrie alarmiert: Sie
fürchtet, dass das Bremer Beispiel Schule machen könnte.
Kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes beantragten mehrere Atom-Firmen eine
Ausnahme-Genehmigung – um gegen deren erhoffte Ablehnung klagen zu können.
Diese Klagen hatten gestern Erfolg. Gerichtspräsident Peter Sperlich
bestätigte – „nach schwierigen Beratungen und viel Kopfzerbrechen“ – z…
das Recht einer Kommune oder eines Landes, Häfen teilweise zu entwidmen
oder auch ganz zu schließen. „Man könnte“, so Sperlich, „ja auch auf die
Idee kommen, den Umschlag von Robbenfellen zu untersagen.“
Verfassungswidrig sei eine solche Teil-Entwidmung aber dann, wenn sie
Bereiche berühre, die explizit durch Bundesgesetze geregelt seien. Das sei
in Gestalt des Atomgesetzes der Fall.
Diese Sichtweise des Gerichts deutete sich bereits an, als Sperlich gleich
zu Beginn der mehrstündigen Verhandlung ausführlich auf die politische
Genese des Gesetzes einging, das mit den Stimmen der rot-grünen
Regierungsmehrheit sowie der Linkspartei zustande kam.
Die grüne Abgeordnete Anne Schierenbeck mutierte dabei zur unfreiwilligen
Zeugin der Anklage: Ihre Debatten-Beiträge in der Bürgerschaft lieferten
reichlich Munition für die Auffassung, dass die Teil-Endwidmung des Hafens
nicht nur „einer neuen, nachhaltigen Energiepolitik“ dienen sollten, wie es
in der Gesetzes-Begründung heißt. Vielmehr, so die Überzeugung des
Gerichts, wurde über das Hafenbetriebsgesetz „ein Vehikel gesucht, um die
Atompolitik der Bundesregierung anzugreifen“. Juristisch ausgedrückt: Die
Behinderung der Atomtransporte war „nicht nur Nebenfolge, sondern Zweck“
der Gesetzes-Initiative.
Die Strategie der Verteidigung blieb chancenlos: Die versuchte,
Schierenbecks kämpferische Einlassungen als „Einzelmeinung“ zu
relativieren. Sperlich verwies auf den laut Parlaments-Protokoll „großen
Applaus“, den Schierenbeck erhalten hatte, und konterte: „Das war kurz nach
Fukushima und kurz nach der sehr erfolgreichen Wiederwahl von Rot-Grün. Da
sollte der Bundesregierung mit dem Hafengesetz atompolitisch kräftig gegen
das Schienbein getreten werden. „Politisch sei das legitim“, juristisch so
nicht – sondern als „Verstoß gegen die Bundestreue“ zu werten. Rot-Grün…
Hamburg hat bereits während der Koalitionsverhandlungen auf eine
anti-atomare Hafeninitiative verzichtet.
Sollte Bremen in Karlsruhe Recht bekommen, würden sich die Atom-Unternehmen
damit nicht zufrieden geben. „Auch der Europäische Gerichtshof kommt für
die Klärung in Frage“, sagt deren Anwalt. Dort würde dann geprüft, ob das
Hafenbetriebsgesetz gegen EU-Normen, die Freizügigkeit des Warenvekehrs,
die Dienstleistungsfreiheit und insbesondere den Euro-Atomvertrag verstößt.
Die Greenpeace-Aktivisten, die vor dem Gericht eine Mahnwache abhielten,
konnten dem Vorlage-Beschluss nach Karlsruhe dennoch etwas Gutes
abgewinnen: “Wenn das jetzt ein paar Jahre dauert“, sagt
Greenpeace-Aktivist Malte Peters, „werden in dieser Zeit keine Transporte
abgewickelt.“ Auch, wenn das in Bremen ohnehin nur wenige wären: „Jeder
einzelne ist einer zu viel.“ In der Tat bleibt das Bremer
Hafenbetriebsgesetz bis zur Karlsruher Entscheidung in Kraft.
10 Jul 2015
## AUTOREN
Henning Bleyl
## TAGS
Protest
Greenpeace
Fukushima
Anti-Atom-Bewegung
Hamburger Hafen
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