# taz.de -- Frauen in Führungspositionen: Zielquote Null | |
> Viele Unternehmen halten eine Quote für sinnlos. Doch wer sie hat, ist | |
> glücklich. Das geht aus einem Stimmungsbarometer hervor. | |
Bild: Bisschen Licht und viel Schatten um Frauenministerin Schwesig: Deutsche U… | |
BERLIN taz | Sie stellen sich tot. Am 30. September dieses Jahres, in knapp | |
drei Monaten, sollen ungefähr 3.500 Unternehmen in Deutschland melden, | |
wieviele Frauen sie bis 2017 in ihre Topetagen unterhalb des Aufsichtsrats | |
holen wollen. Aber es herrscht weitgehende Lethargie: Am Donnerstag stellte | |
Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) im Rahmen einer Konferenz ein | |
„Stimmungsbarometer“ vor, das dokumentieren sollte, wie die Unternehmen | |
sich vorbereiten. | |
Die häufigstes Antwort: gar nicht. 54 Prozent der angesprochenen | |
Unternehmen erklärten, eine Einführung von Zielgrößen sei nicht geplant. | |
Das sind ungefähr so viele wie auch angeben, der Regelung nicht | |
zuzustimmen: 51 Prozent. Noch viel mehr finden das ganze Instrument | |
sinnlos: 67 Prozent meinen, es würde keine Wirkung entfalten. | |
Die Pflicht, selbst gewählte Zielzahlen vorzulegen, ist Teil des seit 1. | |
Mai geltenden „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und | |
Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft“. Großunternehmen | |
müssen darüber hinaus auch noch ihren Aufsichtsrat quotieren. Bis | |
mindestens 30 Prozent erreicht sind, müssen sie Frauen einstellen. Tun sie | |
es nicht, bleibt der Stuhl leer. | |
Die freiwilligen Angaben für die Topetagen unterhalb der Aufsichtsräte | |
sollten eigentlich kein Problem darstellen, sie tun es aber offenbar. Erst | |
wollte das Ministerium die Zahlen gar nicht veröffentlichen, dann versprach | |
man sich doch einen Weckeffekt davon. „Wir schicken ihnen nun noch einen | |
‚Liebe-Freunde-Brief‘, in dem wir darauf aufmerksam machen, dass sie am | |
30.9. liefern müssen“, erklärte Schwesig dazu – und ging zu den etwas | |
positiveren Ergebnissen über: 74 Prozent der Unternehmen sehen, dass eine | |
Frauenquote im Aufsichtsrat die Attraktivität der Unternehmen für | |
Bewerberinnen und in der Öffentlichkeit steigert. Und immerhin 51 Prozent | |
versprechen sich mehr Erfolg des Unternehmens von dieser Maßnahme. | |
Zu den insgesamt eher verhaltenen Reaktionen passt, was sich die | |
TeilnehmerInnen der Konferenz, die von der NGO Fidar (“Frauen in die | |
Aufsichtsräte“) organisiert wurde, in den Pausen erzählten: Es ist nämlich | |
laut Quotengesetz auch möglich, seine Zielzahl für die Topetagen auf Null | |
zu setzen – aber nur, wenn man damit keinen Rückschritt macht. Nun | |
versuchten einige Unternehmen, ihre Frauen in Führungspositionen noch | |
schnell loszuwerden, damit sie dann bequem eine Nullquote anpeilen können, | |
so das Gerücht. | |
## Man muss die Stereotype stoppen | |
Es gibt immer wieder Firmen, die es anders machen und damit auch | |
erfolgreich sind: Der Hauhaltsdienstleistungsriese Sodexo aus Frankreich | |
mit 18 Milliarden Euro Umsatz etwa verglich die Leistungen seiner Teams und | |
stellte fest, dass der Output bei den gemischten Gruppen einfach besser war | |
als bei den homogen besetzten. | |
Daraufhin setzte sich das Unternehmen Zielgrößen auf allen Ebenen und baute | |
zudem Barrieren ab: Man kann bei Sodexo flexibel arbeiten, es gibt | |
Mentorenprogramme und Kommunikationstrainings, die die Firmenkultur | |
familienfreundlicher machen soll. „Sie müssen die Stereotype stoppen“, | |
erklärte Sophie Bellon, die Vizevorsitzende des Sodexo-Aufsichtsrats. | |
Möglich sei das nur von oben: „Es ist leicht, wenn Sie die Verantwortung | |
haben, es muss vom Topmanagement ausgehen“, meinte sie. | |
Der Trend geht übrigens zur Einbeziehung der Männer, so stellte es Janine | |
Prime fest, die Vizepräsident des berühmten Cataliyst-Instituts, das sich | |
selt Jahren mit den Geschlechterverhältnissen in Führungsjobs beschäftigt. | |
Immer mehr merkten, dass sie ebenso von einem familienfreundlichen | |
Unternehmen profitierten wie Frauen. Sie interessierten sich eigentlich für | |
Gleichstellungsfragen, würden sich nur nicht trauen, mitzureden – aus | |
Angst, andere Männer könnten sie für ein Weichei halten. Frauen sollten sie | |
deshalb aktiv in die Gespräche über Gleichstellung einbeziehen, so Prime. | |
Bisher haben in Deutschland allerdings nur wenige darauf angesprochen. Es | |
sei denn, man hält Totstellen für Kommunikation. | |
10 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
## TAGS | |
Frauenquote | |
Aufsichtsrat | |
Diskriminierung | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Unternehmen | |
Gleichstellung | |
Gleichstellung | |
Zeitverträge | |
Manuela Schwesig | |
Quote | |
Manuela Schwesig | |
Klickzahlen | |
Bundestag | |
Frauenquote | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
App „JustNotSorry“: Schluss mit der Unschuld | |
Eine App soll Frauen abgewöhnen, sich im Berufsalltag ständig zu | |
entschuldigen. Unsere Autorin hat ihr eigenes Postfach analysiert. | |
Ex-Telekom-Personalvorstand über Quote: „Schmidt sucht lieber Schmidtchen“ | |
Thomas Sattelberger hat die Frauenquote bei der Telekom schon 2010 | |
durchgesetzt. Ein Gespräch über böses Gemurre und geölte Routinen. | |
Frauenquote auf EU-Ebene: Angela Merkel will nicht | |
Eine EU-Richtlinie für mehr Frauen in Aufsichtsräten könnte an Deutschland | |
scheitern. Dabei ist der Vorschlag längst weichgewaschen. | |
Frauen in den obersten Bundesbehörden: Vor allem auf den unteren Rängen | |
Wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, will der Bund mit gutem | |
Beispiel vorangehen. Doch nicht einmal 30 Prozent werden erreicht. | |
Befristete Stellen im Familienministerium: Zeitverträge als Anti-Babypille | |
Das Bundesfamilienministerium stellt Wissenschaftler am liebsten befristet | |
ein. Dabei will die Bundesregierung weg von den Zeitverträgen. | |
Debatte Manuela Schwesig: Wer, wenn nicht sie? | |
Der Auftakt von Manuela Schwesig war mühsam, ihre Positionen sind | |
umstritten: Und doch setzte sich ihre Kompetenz durch. | |
VW-Aufsichtsrat nach Piëch-Abgang: Neue Frauen hat das Land | |
Nach dem Piëch-Abgang rücken zwei Frauen in den VW-Aufsichtsrat nach. Auch | |
dank Quote, das zeigt aber auch: Wer sucht, der findet gute Frauen. | |
Große Mehrheit im Bundestag: Frauenquote ab 2016 | |
Der Bundestag hat die Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent in | |
Aufsichtsräten von Großunternehmen beschlossen. Handeln müssen gut 100 | |
Unternehmen. | |
Kolumne Luft und Liebe: Plötzlich wird das Weiche hart | |
Quälinstrumente, Survival Sex, Wichsvorlagen und Viagra: Wenn es ums Geld | |
geht, werden die schmodderigen Themen schnell hart. | |
Gesetz zur Frauenquote: Männer werden nicht gefördert | |
Kurz vor der Abstimmung im Bundestag wird das Gleichstellungsgesetz noch | |
einmal geändert. Die Männerförderung wird so ausgehöhlt. | |
Frauen in Führungspositionen: Aufsichtsräte hui, Vorstände pfui | |
Erstmals seit 2011 sinkt der Anteil von Frauen in Vorständen von | |
börsennotierten Unternehmen. Aufsichtsräte sind immerhin zu 19 Prozent | |
weiblich. |