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# taz.de -- Trans*-Experte über Sprache: „Denken im Genitalraster“
> Medien berichten oft falsch oder pathologisierend über Trans*, aktuell
> bei Caitlyn Jenner. Leo Yannick Wild erklärt, wie man es besser macht.
Bild: Screenshot von Berichterstattung in der „Gala“ über Caitlyn Jenner.
Was ist Ihnen bei der Berichterstattung über [1][Caitlyn Jenners
Geschlechtsangleichung] aufgefallen?
Leo Yannick Wild: Der „Klassiker“ ist die Mär von der
„Geschlechtsumwandlung“ oder „Verwandlung“, [2][etwa in der Gala]: als …
Harry Potter im Spiel, der jemanden quasi verzaubert. „Umwandeln“ hieße, da
ist eine Art „Betrug“ im Gange. Das suggerieren auch Medien, die schreiben,
„Jenner posiert als Frau“ oder „wird zur Frau“. Ganz übel ist die Rede
davon, jemand sei oder sei noch keine „richtige“ Frau, oder im Fall von
trans* Männern „kein richtiger“ Mann. Was ist da der Maßstab? Das ist
Denken im Genitalraster, und in dem Raster möchte sicher niemand das eigene
Geschlecht bemessen lassen.
Wie wäre es denn besser?
Wie über Jenners Vergangenheit gesprochen wird, ist ebenfalls von der
falschen Idee geprägt, das „Hebammengeschlecht“ sei das „wahre“ Geschl…
Nur selten ist die Rede von „ihr“ statt „ihm“, dabei wäre ein Verzicht…
die falsche Fremdzuschreibung als „er“ oder „Mann“ auch auf wenigen Zei…
ganz einfach: „Vor ihrer Geschlechtsangleichung war sie im Zehnkampf
erfolgreich.“
„Geschlechtsangleichung“ wäre also das bessere Wort?
Das Wort „Geschlechtsangleichung“ bringt viel kenntnisreicher zum Ausdruck,
dass die Hebamme oder der Geburtshelfer damals daneben lag, die Familie und
das soziale Umfeld auch. Erst als Kind, jugendlicher oder erwachsener
Mensch kann die Person anderen sichtbar machen, was ihr nach innen schon
lange klar ist.
Ist Caitlyn Jenner nun eigentlich transsexuell oder transgender? Was ist
der Unterschied zwischen diesen beiden Bezeichnungen?
Wie sich ein Mensch hinsichtlich der eigenen Trans*-Thematik beschreibt,
ist individuell, und welche Beschreibung Caitlyn Jenner für sich wählt, ist
in ihrem Ermessen. Selbstbeschreibungen von Menschen aus dem trans*
Spektrum sind vielfältiger, als es eine zweigeschlechtlich orientierte
Gesellschaft auf den ersten Blick erfasst. Im anglophonen Raum wird
„Transgender“ häufig als Oberbegriff für eine Vielzahl von
Selbstbeschreibungen verwendet, im deutschsprachigen Raum wird er eher im
engeren Sinn verwendet als Selbst- oder Fremdbezeichnung von Menschen, die
sich nicht oder nicht ausschließlich mit dem „Hebammengeschlecht“
identifizieren.
Und „transsexuell“?
„Transsexuell“ führt wegen des „-sexuell“ auf eine falsche Spur, ist a…
der in Recht und Medizin übliche Begriff und wird zum Beispiel von Menschen
genutzt, die sich als eindeutig dem „Gegengeschlecht“ angehörend erleben.
Aber gleich ob diese oder andere Selbstbeschreibungen wie transident,
trans* oder weder*noch: trans* Menschen sind mit fremdbestimmendem
Transsexuellengesetz und psychopathologisierenden medizinischen Diagnosen
konfrontiert, das ist oft eine gemeinsame Erfahrung.
Mit dem Verein TransInterQueer haben Sie 2011 in der Broschüre „Trans* in
den Medien“ beschrieben, wie Journalist_innen angemessen über Trans*
schreiben. Hat sich das seitdem gebessert?
TransInterQueer e.V. erhält als Zentrum für trans* und inter* Themen
ständig Medienanfragen, aber inzwischen seltener solche wie: „Wir brauchen
bis morgen Früh eine Frau, die zum Mann werden will.“ Es melden sich
häufiger Journalist_innen, die sich mit der Broschüre schon im Vorfeld
befasst haben. Was problematisch bleibt: Die meisten Journalist_innen
glauben, zu trans* Themen „einfach mal“ schreiben zu können, Vorkenntnisse
hin, angemessenes Wording her. Wer aber würde „einfach mal“ über den
G7-Gipfel oder die Fifa-Skandale schreiben?
Welche Bedeutung haben Caitlyn Jenner und ihr öffentlicher Auftritt in der
Vanity Fair für die deutsche Trans*-Community?
Nach wie vor gibt es im deutschsprachigen Raum wenige öffentlich sichtbare
Rollenmodelle. Selbst wenn viele Berichte über sie verunglückt sind, bietet
ihre Person für trans* Menschen die Möglichkeit, sich zu ihr zu verhalten,
sich zu solidarisieren, oder zum Beispiel die eigene Biographie in
Vergleich zu setzen. Da draußen sind sicher viele trans* Menschen, vom
Teenager bis zum Mensch über 50, die allein durch die Sichtbarkeit von
Jenner einen nächsten Anker haben, Trans* zu thematisieren.
2 Jun 2015
## LINKS
[1] /Transgender-in-Amerika/!5202154
[2] http://www.gala.de/stars/news/bruce-jenners-neue-identitaet-gestatten-caitl…
## AUTOREN
Malte Göbel
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