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# taz.de -- Geschäftsführer VDS über Gendern: „Genderwirrwarr beenden“
> Der Verein Deutscher Sprache freut sich über das Verbot der sogenannten
> Pünktchensprache in Frankreich – und wünscht sich für Deutschland
> Ähnliches.
Bild: Bäcker oder Bäcker*innen?
Im November machte der französische Premierminister Edouard Philippe mit
seinem [1][Verbot genderneutraler Konstruktionen] Schlagzeilen. Jetzt
meldet sich der Verein Deutscher Sprache e.V. (VDS) zu Wort: Nach
französischem Vorbild soll auch in Deutschland der „ideologisch motivierten
Missbrauch der Sprache zwecks gesellschaftlicher Veränderung“ beendet
werden, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Verein möchte also das
Gendern abschaffen. Warum eigentlich?
taz: Herr Klatte, der Verein spricht vom „Genderwirrwarr“ in Deutschland.
Was verwirrt Sie denn?
Holger Klatte: Niemand weiß mehr genau, wie man diskriminierungsfrei
formulieren soll und was an den ursprünglichen Formen, das heißt an dem
generischen Maskulinum, so ungerecht ist. Ich glaube, der normale Sprecher
oder Schreiber kommt da nicht mehr mit und weiß nicht, wie er das richtig
umsetzen soll. Diese vielen verschiedenen Vorschläge, wie das Binnen-I oder
Gendersternchen, sind nicht gesellschaftlich gewachsen, sondern wurden von
Spezialisten ausgearbeitet. Die haben sich natürlich wesentlich stärker in
diese Thematik eingearbeitet. Aber die allgemeinen Schreiber und Sprecher
kommen da nicht mit. Diese Gruppen von Spezialisten nehmen so viel Einfluss
auf die deutsche Sprache, die ihnen übrigens nicht gehört. Davon wird die
breite Masse schlichtweg überfordert.
Sie fordern eine festgelegte Bezeichnungspolitik ohne Gender* und Binnen-I.
Ist das nicht Zensur?
Das generische Maskulinum, und auch die weibliche Form, Bäckerin etwa, gibt
es seit der Frühzeit der deutschen Sprache. Das ist also nichts, was
ideologisch durchgesetzt worden ist, sondern historisch gewachsen. Jetzt
aber kommt der Versuch, die Sprache umzuformen, eindeutig nicht von denen,
die die Sprache tagtäglich nutzen, sondern von dieser Gruppe von
Spezialisten. Natürlich gibt es gesellschaftliche Ungerechtigkeiten gegen
Geschlechteridentitäten. Ich glaube aber, man sollte das einfach
gesellschaftlich verändern, da muss man nicht an der Sprache herumdoktern.
Ich halte es für wichtiger und richtiger, zum Beispiel in Unternehmen
Frauenquoten einzurichten, als eine neue Sprachregel zu erfinden, die kein
Mensch versteht und kein Mensch braucht.
Viele Menschen verschiedener Geschlechter und sexueller Orientierungen
fühlen sich vom generischen Maskulinum oder den Pluralformen nicht
entsprechend repräsentiert. Was ist Ihr Vorschlag, beispielsweise für die
korrekte Ansprache einer Gruppe intergeschlechtlicher Menschen?
Wenn Sie ein Substantiv wie „Bäcker“ haben, dann kann der Mensch
intergeschlechtlich, weiblich, oder was auch immer sein. Sie wissen ja
selber, dass es verschiedene geschlechtliche Identitäten gibt, und wenn man
das alles aus dem historisch gewachsenen Genus eines Wortes herauslesen
soll, dann überfordert man die Sprache und dann überfordert man auch die
Schreiber. Ich denke, wenn man das unbedingt bezeichnen muss, dass dieser
Bäcker möglicherweise eine andere geschlechtliche Identität hat, dann kann
man das auch tun. Aber man muss nicht jedes Mal, wenn man von Bäcker oder
Bäckerinnen spricht, einordnen, dass ein Mensch möglicherweise eine andere
geschlechtliche Orientierung hat. Es ist meiner Ansicht nach nicht
notwendig, jegliche geschlechtliche Identität in jedem Satz umzusetzen,
weil das Geschlecht und das grammatische Genus nichts miteinander zu tun
haben.
Wäre es in Bezug auf besagtes „Wirrwarr“ nicht produktiver, sich
gesamtgesellschaftlich auf eine Schreibweise zu einigen, zum Beispiel auf
das Gender*, statt sie allesamt abzuschaffen?
Das Sternchen zieht auch zahlreiche negative Argumente auf sich. Es kann
nicht gesprochen werden. Wenn die Sprachgemeinschaft als Ganzes sagen würde
„super, das Gendersternchen finden wir alle toll“, wäre ich auch nicht
dagegen. Aber ich glaube nicht daran. Ich glaube eher, dass es doch gewisse
Abneigungen hervorruft. Deswegen möchten wir, dass eine
gesamtgesellschaftliche Diskussion stattfindet. Wenn zum Beispiel in
Berliner Stadtparlamenten vorgeschrieben wird, dass Anträge
geschlechtergerecht formuliert sein müssen, dann wissen die Bürger oft gar
nicht, wie das erfolgen soll.
Der VDS zeichnet jedes Jahr den sogenannten „Sprachpanscher des Jahres“
aus. Wie qualifiziert man sich für diesen Titel?
Gruppen oder Personen, die besonders negative Einwirkungen auf die deutsche
Sprache haben, qualifizieren sich für den „Sprachpanscher des Jahres“. Das
kann zum Beispiel ein zu starker Einfluss der englischen Sprache durch das
Benutzen von „Denglisch“ sein. Wir hatten dieses Jahr auch das erste Mal
eine Person auf der Liste, die versucht hat, besonders dramatische Regeln
in der geschlechtergerechten Sprache durchzusetzen: [2][Lann Hornscheidt].
Jeder kann eine solche Kandidatur oder Einrichtung vorschlagen, die 36.000
Mitglieder des VDS wählen dann.
5 Dec 2017
## LINKS
[1] /Genderneutrale-Sprache-in-Frankreich/!5465982
[2] /Die-Streitfrage/!5028403
## AUTOREN
Gundula Haage
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