Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hürden beim NPD-Verbot: Gefahren der Zukunft abwenden
> Zuletzt wurde die KPD verboten: im Jahr 1956. Seitdem hat sich viel
> geändert. Deshalb ist unklar, was bei einem Verbotsverfahren gegen die
> NPD das Ergebnis wäre.
Bild: Auch so eine Hürde im NPD-Verbotsverfahren: Das seriöse Auftreten des B…
BERLIN taz | Eine Partei, die „darauf ausgeht, die
freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu
beseitigen“, kann verboten werden. So steht es im Grundgesetz (Artikel 21).
Doch was das konkret bedeutet, ist unklar. Bisher hat das
Bundesverfassungsgericht lediglich zwei Parteien verboten: 1952 die
rechtsextremistische SRP und 1956 die kommunistische KPD.
Damals war gerade erst der Faschismus überwunden worden. Der Kalte Krieg
war auf dem Höhepunkt. Doch seither hat sich gezeigt, dass die Demokratie
in Deutschland fest verankert ist. Ob die Maßstäbe der 50er Jahre heute
noch gelten, ist deshalb zweifelhaft.
Zumindest die Definition der durch ein Parteiverbot geschützten
„freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ dürfte aber noch Bestand haben.
Konkret listete das Gericht im SRP-Urteil neun Elemente auf: Achtung vor
den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten – Volkssouveränität –
Gewaltenteilung – Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament
– Bindung der Verwaltung an die Gesetze – Unabhängigkeit der Gerichte –
Mehrparteiensystem – Chancengleichheit für alle politischen Parteien –
Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Abzustellen ist laut Grundgesetz auch nicht nur auf das Verhalten der
Partei selbst, sondern auch auf dasjenige der „Anhänger“. Als solche galten
1952 „alle, die sich für die SRP einsetzen“, also nicht nur die Mitglieder
der Partei. Ob und wie weit die Haltungen und Taten der sogenannten
Kameradschaftsszene der NPD zuzurechnen sind, ist eine der großen offenen
Fragen eines neuen Verfahrens.
Auch die damals vom Bundesverfassungsgericht definierte Zusatzhürde, dass
nur eine Partei zu verbieten ist, die „eine aktiv kämpferische, aggressive
Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“ einnimmt, hat eher vage
Konturen. In den 50er Jahren genügte bereits die kämpferische „Agitation“,
es kam nicht auf die Ausübung von Gewalt an. Aber heute?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2003 ebenfalls Kriterien
für Parteiverbote aufgestellt. Danach muss ein Parteiverbot gesetzlich
vorgesehen sein, ein legitimes Ziel verfolgen, und es muss eine „dringende
gesellschaftliche Notwendigkeit“ geben, die Partei zu verbieten. So fordert
der Gerichtshof, dass eine zu verbietende Partei eine „unmittelbare Gefahr“
für die Demokratie darstellen muss, sie müsse das „reale Potenzial“ haben,
die Macht zu ergreifen.
Das Bundesverfassungsgericht dürfte versuchen, die Kriterien des
Straßburger Gerichtshofs zumindest ansatzweise bereits zu berücksichtigen.
Sonst besteht die Gefahr, dass ein Parteiverbot später wieder aufgehoben
wird.
## Mehr Möglichkeiten der Überwachung
Deshalb wird Karlsruhe bei einem Verbotsantrag streng prüfen, ob ein
NPD-Verbot verhältnismäßig ist. Und wie bei fast jeder
Verhältnismäßigkeitsprüfung ist schwer abzuschätzen, was am Ende der
Abwägung herauskommt. So ist zum Beispiel zu berücksichtigen, dass der
Staat heute ungleich mehr Möglichkeiten hat, eine eventuell gefährliche
Partei zu überwachen, als in den 50er Jahren.
Auch die Verfassungsschutzberichte, mit denen man Parteien stigmatisieren
und die Bevölkerung warnen kann, gab es damals noch nicht. Sie sind eine
Erfindung der späten 60er Jahre. Wenn man ein Parteiverbot als letztes
Mittel der Demokratie ansieht, dann kann es nur zulässig sein, wenn im
konkreten Fall mildere Mittel nicht ausreichen.
Problematisch ist auch die ungleich verteilte Stärke der NPD. Während sie
in Ostdeutschland zumindest die gesellschaftliche Atmosphäre mitprägt und
vergiftet, ist sie im größten deutschen Bundesland, in NRW, ziemlich
irrelevant.
Der Wechsel an der NPD-Spitze von Udo Voigt zum etwas seriöser auftretenden
Holger Apfel machte ein Verbot auch nicht einfacher. Wenn es der NPD
gelingt, dies als bewusste Zäsur darzustellen, dann sind Vorkommnisse der
Voigt-Ära vor Gericht nur noch begrenzt verwertbar. Denn ein Parteiverbot
soll Gefahren in der Zukunft abwehren und nicht Untaten in der
Vergangenheit bestrafen. All das führt nicht zwingend dazu, dass der Antrag
auf ein Parteiverbot scheitern muss – aber ein Selbstläufer ist so ein
Verfahren sicher nicht.
1 Dec 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
NPD-Verbot
NPD
Schwerpunkt Neonazis
Rechtsextremismus
Verbotsverfahren
Bundesverfassungsgericht
Bundesrat
Bundesregierung
NPD
NPD
NPD
NPD
NPD-Verbot
NPD
NPD
NPD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pro und Contra NPD-Verbot: Gegenwehr sieht anders aus
Alle warten ergeben auf ein Urteil über ein Verbot der NPD. Eine wehrhafte
Demokratie hätte das nicht nötig. Das Nein zum NPD-Verbot.
Pro und Contra NPD-Verbot: Raus aus der Legalität
Die NPD will nicht nur die Demokratie abschaffen, sie bedroht viele
Menschen mit physischer Gewalt. Ein klares Ja zum Verbot.
Ortstermin bei der NPD-Bundesführung: Lust aufs Verbotsverfahren
In einem Hotel bei Schwerin präsentiert sich die NPD-Bundesführung
selbstbewusst und kämpferisch: Verfassungsfeinde, sagen sie, sind die
anderen.
Einstimmiger Beschluss: Innenminister für NPD-Verbot
Einstimmig, aber mit einer Protokollnotiz: Auf ihrer Herbsttagung
beschlossen die Innenminister von Bund und Ländern einstimmig einen neuen
Antrag zum NPD-Verbot.
Länder fordern NPD-Verbot: Auch das Saarland macht mit
Als letztes Bundesland unterstützt nun auch das Saarland das geplante neue
NPD-Verbotsverfahren. Bei einem Treffen wollen sich die Innenminister
besprechen.
Länder drängen auf NPD-Verbot: 1.007 Seiten Hass
Hetzparolen, Gewalttaten, NS-Sehnsuchtsprosa: Die Länder glauben, genügend
Belege für ein NPD-Verbot zu haben. Sie wollen das Verbotsverfahren
starten.
Union streitet über NPD-Verbot: Minister gegen Minister
Die Innenminister der Länder wollen beim NPD-Verbot notfalls im Alleingang
vorpreschen. Bundesinnenminister Friedrich drückt auf die Bremse.
Kommentar NPD in Karlsruhe: Heftiger Aktionismus
Die NPD will von Karlsruhe wissen, ob sie verfassungsfeindlich ist. Wer das
populistisch findet, sollte mal in den Spiegel schauen.
Karlsruhe soll Legalität prüfen: NPD bemüht Verfassungsrichter
Die NPD hat das Verfassungsgericht angerufen: Es soll feststellen, ob die
Partei verfassungmäßig ist oder nicht. Für das Gericht ist das juristisches
Neuland.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.