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# taz.de -- In China ist ein Sack Reis umgefallen: Mitten in Peking
> Auf dem Sanyuanli-Markt ist es passiert. Und es muss ruckartig gewesen
> sein. Aber niemand macht sich die Mühe, den Sack Reis wieder
> aufzustellen.
Bild: Reis gibt es in Peking in Massen.
PEKING taz | Gelangweilt blickt die Händlerin auf. „Ja“, sagt sie. Sie
verkaufe Duftreis aus Thailand, Jasminreis habe sie auch, gelblichen
Ganzkornreis, gewöhnlichen Rundkornreis aus der Provinz Liaoning und zwei
Sorten, die schon arg verstümmelt aussehen.
Es gebe Klebereis und dann Reis in kleinen Plastiktüten, zusammengemischt
mit Bohnen und unterschiedlichen Getreidearten für „Acht Köstlichkeiten“,
eine unter Chinesen gerade in den Wintermonaten sehr beliebte Nachspeise.
Dass auch der Boden vor ihrem Stand voller Reiskörner ist, scheint die
Händlerin nicht weiter zu stören.
In China ist ein Sack Reis umgefallen. Den vielen Reiskörnern nach zu
urteilen, die ziemlich großflächig um den Sack herum liegen, als seien sie
im hohen Bogen dorthin geschleudert worden, muss derselbe ruckartig
umgekippt sein. Mitten in Peking auf dem Sanyuanli-Markt. Und niemand macht
sich die Mühe, das 10-Kilo-Behältnis mit dem bereits herausrieselnden Reis
wieder aufzustellen.
Auch die junge Verkäuferin hinter dem Reisstand nicht. Sie hat ohnehin auch
die Reste und das Einweggeschirr ihres Mittagessens auf den Boden geworfen.
Da fällt der umgefallene Reissack gar nicht weiter auf.
## Reis gibt es überall
Dabei gilt der Sanyuanli-Markt als gepflegte Adresse. Auch die inzwischen
in der chinesischen Hauptstadt zahlreich ansässigen wohlhabenden Ausländer
kommen gern hierher. Er ist bekannt dafür, dass Gemüse und Obst, vor allem
aber auch Fleisch und Fisch hier als frisch gelten und für chinesische
Verhältnisse mit wenig Schadstoffen belastet sind.
Im vorderen Bereich locken die Marktschreier mit exotischen Früchten aus
China und der ganzen Welt. Äpfel aus der Provinz Shandong, Orangen aus
Kalifornien, thailändische Papayas, Litschis aus dem Süden Chinas und
Melonen aus dem tiefen Westen. Dann kommen die Stände mit Fleisch und
Fisch, die Haushaltswaren- und die Gemüsestände. Der Reisstand mit dem
umgefallenen Sack befindet sich eher am Ende der schlauchartigen
Markthalle. Noch ein Stand, der Katzenfutter verkauft, und gegenüber einer
mit Tofu im Angebot – dahinter türmen sich bereits die leeren Kartons und
sonstiger Müll der Marktschreier. „Reis gibt es in der Stadt an jeder
Ecke“, sagt die junge Verkäuferin. Dafür brauche man nicht zum Sanyuanli zu
kommen.
Die Konkurrenz hält sich denn auch in Grenzen. Direkt neben dem Reisstand
befindet sich nur noch ein weiterer Stand. Er hat haargenau das gleiche
Angebot. Ein Mann in den 20ern sitzt hinter dem Stand und hackt eifrig auf
einem Smartphone herum. Ein anderer hockt davor und hat seinen Kopf über
den Stand gebeugt. Er schläft. Seine Hand baumelt mit noch einem glühenden
Zigarettenstummel zwischen den Fingern gen Boden.
Auch wenn die beiden Stände nicht zusammengehören – sie werden von den
gleichen Lieferanten beliefert. „Jeden Morgen kommt einer vorbei und stockt
den Bestand auf“, erzählt sie. Das Reisgeschäft verlaufe sehr eintönig.
Großen Konjunkturschwankungen sei sie nicht ausgesetzt. „Die Leute kaufen
Fleisch und Gemüse, und wenn ihnen noch einfällt, dass zu Hause kein Reis
mehr da ist, kommen sie auch noch mal schnell bei uns vorbei.“ Anders als
etwa die Frauen bei den Obst- oder Gemüseständen reiße sie sich nicht um
Kunden. „Entweder die Leute brauchen Reis, oder sie brauchen keinen“,
findet sie.
Ein Kunde kommt dann doch mit einer Großbestellung. 10 Kilo vom
hochwertigen Jasminreis möchte er kaufen und zählt bereits die 70 Yuan –
das sind 9,70 Euro –, die diese Menge kostet. Als sie den Reis in eine
dünne Plastiktüte füllt, fragt er nach was Robusterem. „Habe ich nicht“,
antwortet sie. Wenn er keine Plastiktüte haben möchte, solle er doch den
billigen Reis nehmen – und zeigt auf den umgefallen Sack.
8 Jan 2013
## AUTOREN
Felix Lee
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