# taz.de -- Nach der Niedersachsen-Wahl: Hannover will in Berlin mitregieren | |
> Mindestlohn fordern, Betreuungsgeld abschaffen: Rot-Grün in Niedersachsen | |
> will auch bundespolitisch mitmischen. Dank neuer Verhältnisse im | |
> Bundesrat. | |
Bild: Noch gar nicht verhandelt und schon einig: SPD-Spitzenkandidat Weil (l.) … | |
HANNOVER taz | Der Wahlsieg von Rot-Grün war noch keine zwölf Stunden alt, | |
da stellten SPD und Grüne in Hannover gestern erste politische Initiativen | |
vor. Daran, dass die Wunschkoalition auch zustande kommt, zweifelt niemand, | |
auch wenn die Mehrheit im Niedersächsischen Landtag mit nur einem Sitz | |
hauchdünn ist. | |
SPD-Landesgeschäftsführer Michael Rüter kündigte an, man werde die durch | |
das Kippen von Niedersachsen zustande gekommene rot-grüne | |
„Gestaltungsmacht“ im Bundesrat schnell nutzen. Als Erstes soll aus | |
Hannover eine Initiative für einen bundesweiten Mindestlohn kommen. Auf | |
Landesebene soll ein neues Landesvergabegesetz einen Mindestlohn von 8,50 | |
Euro für öffentlich geförderte Unternehmen und öffentliche Unternehmen | |
festschreiben. Die Grünen wollen auch ökologische Kriterien mit aufnehmen. | |
Auch beim Atommüllendlager-Suchgesetz will Niedersachsen im Bundesrat | |
mitreden. Gorleben gehöre „nicht auf die Karte“, sagte Rüter. Der | |
Grünen-Spitzenkandidat Stefan Wenzel warnte die scheidende Landesregierung | |
davor, in ihren letzten Tage Fakten zu schaffen. Co-Spitzenkandidatin Anja | |
Piel sagte „maximale Bürgerbeteiligung“ zu. Sollte die Union versuchen, die | |
Endlager-Frage etwa über den Bundesrat im Eilverfahren neu aufzurollen, | |
„werden wir erst mal auf die Bremse treten“. | |
Sogar das gerade von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführte | |
Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken, will | |
die SPD über den Bundesrat wieder zu Fall bringen. Im Land selbst will | |
Rot-Grün an der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Krippenplätze arbeiten, | |
wo noch 10.000 Plätze fehlen. Gleichzeitig soll der Betreuungsschlüssel | |
verbessert werden, um eine intensivere frühkindliche Förderung zu | |
ermöglichen. | |
## Studiengebühren sollen weg | |
Die Studiengebühren, an denen Schwarz-Gelb bis zuletzt als letztes | |
Bundesland neben Bayern vehement festgehalten hatte, wird die neue | |
Regierung streichen. Daran gibt es auch nach der Wahl keinen Zweifel, wie | |
Rüter versicherte. Allerdings steht die Entscheidung unter | |
Finanzierungsvorbehalt: „Abschaffung frühestens 2014“, ist die momentane | |
Sprachregelung. | |
Rot-Grün wird die Hürden für die Neugründung von Gesamtschulen senken. | |
Bisher war Voraussetzung, dass sie mit fünf Parallelklassen starten, was in | |
ländlichen Gebieten kaum zu erreichen ist. Anders als von CDU und FDP | |
geplant, soll die Gesamtschule auch weiterhin in neun Jahren zum Abitur | |
führen. An Gymnasien will die SPD das Abitur nach acht Jahren beibehalten, | |
die Grünen wollen den Gymnasien freistellen, ob es acht oder neun Jahre | |
dauert. | |
Einigen müssen sich SPD und Grüne über Fragen wie diese in den nächsten 30 | |
Tagen. Dann muss laut Landesverfassung die neue Regierung vereidigt werden. | |
Dissens könnte es bei den Verhandlungen vor allem über die Agrarwende | |
geben: Dass man mehr bäuerlichen und ökologischen Landbau will, darüber ist | |
sich Rot-Grün einig. | |
Hier machen aber vor allem die Grünen Druck. Schon am Nachwahltag kündigte | |
ihr Spitzenkandidat Wenzel an, man wolle auf das Instrument des | |
Grundwasserschutzes setzen, um die Massentierhaltung im Land einzugrenzen. | |
„Für mich ist es kein Ziel, Schweineland Nummer eins zu sein“, sagte | |
Wenzel. Zudem habe es „keinen Sinn, mit den knappen Landesgeldern große | |
Agrarkonzerne zu unterstützen“. Dringender müssten bäuerliche | |
Familienbetriebe Perspektiven bekommen. | |
## Verfassungsschutz abschaffen? | |
Die Frage ist allerdings, welchen Stellenwert das Thema in einer rot-grünen | |
Landesregierung haben soll: Der künftige SPD-Ministerpräsident Stephan Weil | |
plant ein neues Ministerium für Europa, regionale Entwicklung und | |
Landwirtschaft. Ein eigenes Agrarressort gäbe es dann nicht mehr – genau | |
darauf haben die Grünen aber Ambitionen. | |
Auch bei der Verkehrspolitik ist man sich noch uneins: Hier steht für die | |
Grünen „der Erhalt der Straßen vor dem Neubau“, wie ihre Spitzenkandidatin | |
Anja Piel es gestern formulierte. Die SPD aber hat sich bereits klar zum | |
Autobahnausbau bekannt, inklusive umstrittener Projekte wie Küstenautobahn | |
A 20 und A 39. Nicht scheitern lassen wird man die Koalitionsverhandlungen | |
indes an der Frage des Verfassungsschutzes: Den wollen die Grünen laut | |
ihrem Wahlprogramm in Niedersachsen abschaffen. | |
21 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
T. Havlicek | |
J. Kahlcke | |
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