| # taz.de -- Franz Walter zur Niedersachsen-Wahl: „Die SPD-Themen waren dünn�… | |
| > Die Wahlkampfthemen in Niedersachsen haben nicht genug polarisiert, sagt | |
| > der Politiloge Franz Walter. Um besser dazustehen, müsse die SPD | |
| > „knüppelhart“ sein. | |
| Bild: Mehr so allgemein gehalten, der SPD-Slogan – „Anpacken. Besser machen… | |
| taz: Herr Walter, wie konnte das passieren – eine derartig erfolgreiche | |
| FDP? | |
| Franz Walter: Das ist kein neues Phänomen. Wenn es darauf ankommt und es um | |
| die Existenz der FDP zu gehen scheint, dann kann man sich ziemlich sicher | |
| sein, das sie bei Wahlen drin ist. Das Huckepackverfahren hat in den 70er | |
| Jahren mit der SPD so gut funktioniert wie in den 90er Jahren mit der CDU. | |
| Ein beachtlicher Teil des deutschen Bürgertums will, dass diese Partei auch | |
| im Parlament vertreten ist – selbst wenn man um die geringe Substanz ihres | |
| Personals weiß. Aber die FDP vertritt nun einmal am stärksten die | |
| Interessen der gewerblichen Unternehmer. | |
| Aber Parteichef Philipp Rösler hat nun trotzdem keine Lust mehr... | |
| Was insofern konsequent sein mag, als dass der Held des selbständigen | |
| Mittelstandes eben tatsächlich der Rainer Brüderle ist. Er steht für den | |
| klassischen Kern der deutsche Liberalen, gewissermaßen für die petite | |
| bourgeoisie. Währenddessen ist das Projekt der Generation | |
| Westerwelle/Rösler/Lindner gescheitert. Die wollten eine moderne Partei | |
| kosmopolitischer Jungkreativer, die aus eigener Raison bis zu 20 Prozent | |
| der Stimmen einfahren sollte. Nun aber steht man wieder bei Genscher und | |
| Kinkel: Ohne Unterstützung der CDU läuft nichts. | |
| Hätten SPD und Grüne womöglich mehr als 1 Stimme Mehheit im Landtag, wenn | |
| sie ebensolch ein Huckepackverfahren wie Schwarzgelb gemacht hätten – also | |
| eine Leihstimmenkampagne, bei der Erst- gegen Zweitstimmen gedealt werden? | |
| CDU- und FDP-Milieus sind ja schon seit Jahrzehnten eng miteinander | |
| verknüpft. Da ist das leichter. Aber große Mühe hat man sich bei | |
| Sozialdemokraten und Grünen in der Tat nicht gegeben. Ist ja schon auch | |
| interesssant, dass weder Schwarzgelb noch Rotgrün mit ihren circa 46 | |
| Prozent eine eindeutige politische und gesellschaftliche Mehrheit haben. | |
| … aber zwischen den Lagern passiert nicht viel. Die Grünen haben | |
| Schwarz-Grün deutlich ausgeschlossen. | |
| Hier in Niedersachsen konnte es kein Schwarz-Grün geben. Die Grünen haben | |
| tatsächlich einen harten Lagerwahlkampf geführt im Sinne einer linken | |
| Bürgerlichkeit. Deshalb waren sie erfolgreich. Das kann man nicht so lässig | |
| aufs Spiel setzen. | |
| Hätte der klassische Lagerwahlkampf die SPD- und Grünenwähler nicht noch | |
| viel stärker mobilisieren müssen? | |
| Es war ein Lagerwahlkampf ohne polarisierende Lagerthemen. Das war das | |
| Problem. Wäre die SPD bundesweit knüppelhart gegen die Rente mit 67, gegen | |
| Zweiklassenmedizin, für mehr Kinderkrippen, gegen das Betreuungsgeld, für | |
| bessere Pflegeversorgung eingetreten, dann würde sie vielleicht dort besser | |
| dastehen, wo man kaum noch wählen geht. Einfach nur „Anpacken. Besser | |
| machen.“ – das ist schon ein wenig dünn, wenn auch knapp ausreichend. | |
| Lässt sich der Steinbrück-Malus quantifizieren? | |
| Erfahrene SPD-Wahlkämpfer hier in Niedersachsen sagen: 2 Prozent hat der | |
| Kerl uns gekostet. In den letzten Tagen sind die Werte für Stephan Weil | |
| deutlich besser geworden. Auch die Kompetenzwerte für die Niedersachsen-SPD | |
| stiegen in einem erstaunlichen Maße. Aber an den Haustüren wurde man wegen | |
| Steinbrück beschimpft. | |
| Hätte es ein Thema gegeben, mit dem sich die SPD stärker hätte profilieren | |
| können? | |
| In historischer Perspektive hat es für höheren Spitzensteuersatz, | |
| Mindestlohn, Bürgerversicherung, Finanzmarktregulierung noch nie so hohe | |
| Zustimmungswerte gegeben. Es werden nur eben keine robusten politischen | |
| Mehrheiten daraus gemacht. | |
| Die Piraten sind raus. Verdiente Strafe für zu wenig Professionalität? | |
| Das stark ländliche Niedersachsen ist sicherlich im Unterschied etwa zu | |
| Berlin kein fruchtbarer Humus für eine solche Partei. Wie soll so ein | |
| junger Verein aus Superindividualisten auch gleich Professionalität in die | |
| Organisation bekommen? | |
| Waren die Piraten nur ein 2012er Hype? | |
| Vermutlich. Es ist ja auch so: Wenn das alles richtig ist, was die Piraten | |
| sagen und fordern, welchen Sinn soll dann Delegation, Repräsentation, also | |
| Parlamentarismus haben? Dann muss man Politik in der Tat radikal anders | |
| angehen. | |
| 21 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
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