# taz.de -- Deutschland profitiert von Freizügigkeit: Falsche Angst vor Zuwand… | |
> Deutschland ist Magnet für Fachkräfte, sagen Forscher. Die Angst vor | |
> Ausnutzung der Sozialsysteme durch Zuwanderer aus Südosteuropa sei | |
> übertrieben. | |
Bild: Roma in Serbien: Der Anteil der nach Deutschland kommenden Armutszuwander… | |
BERLIN taz | Deutschland profitiert gerade jetzt, in Zeiten der | |
europäischen Schuldenkrise, von der Freizügigkeit in Europa. Die | |
Bundesrepublik sei in den letzten Jahren zu einem „Magnet für gut | |
qualifizierte Zuwanderer aus der EU“ geworden. Das stellt der | |
Sachverständigenrat der Deutschen Stiftungen für Integration und Migration | |
(SVR) in seinem Jahresgutachten fest, das er am Freitag in Berlin | |
präsentierte. | |
Mehr als zwei Drittel aller Zuwanderer im ersten Halbjahr 2012 seien Bürger | |
der Europäischen Union gewesen. Deutschland profitiere von diesen | |
Einwanderern gleich in dreifacher Hinsicht: Sie seien jung, gut | |
qualifiziert und sie kämen zahlreich. Durchschnittlich sind sie zehn Jahre | |
jünger als die Mehrheitsbevölkerung. Außerdem hätte mehr als jeder Fünfte | |
einen Hochschulabschluss – das gilt auch für Zuwanderer aus Bulgarien und | |
Rumänien. In der Mehrheitsbevölkerung liegt der Anteil der Akademiker bei | |
18,1 Prozent. | |
Der Trend, dass vor allem Mittel- und Hochqualifizierte Deutschland | |
verlassen und Geringqualifizierte zuwandern, konnte demnach gestoppt | |
werden, so die SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld. Deutschland könne die | |
neuen Zuwanderer gut gebrauchen, um dem drohenden Mangel an Fachkräften und | |
dem demographischen Wandel zu begegnen. | |
Die Angst vor einer Armutswanderung aus Südosteuropa in die deutschen | |
Sozialsysteme sei dagegen unberechtigt. Fast drei Viertel (72 Prozent) | |
aller Bulgaren und Rumänen, die nach 2007 nach Deutschland gekommen und | |
zwischen 25 und 44 Jahren alt sind, gingen einer Erwerbstätigkeit nach, | |
heißt es im Jahresgutachten. „Armutszuwanderung ist bislang die Ausnahme, | |
nicht die Regel“, betonte die Juristin Christine Langenfeld. Sie warnte | |
aber davor, dass es dazu noch kommen könne, wenn das Wohlstandsgefälle in | |
Europa weiter zunehme, zumal für Rumänien und Bulgarien ab 2014 die volle | |
Arbeitnehmerfreizügigkeit gelte. | |
## Ausbeutung in illegalen Jobs | |
Bislang haben nur einzelne Kommunen in Deutschland mit einem verstärkten | |
Zuzug von armen und gering qualifizierten Roma aus Südosteuropa zu tun, der | |
die sozialen Probleme verstärkt, die in diesen Städten oder Stadtteilen | |
bereits vorhanden sind. | |
Roma-Zuwanderer aus Südosteuropa würden oft als Scheinselbstständige in | |
illegalen Arbeitsverhältnissen ausgebeutet und zahlten Wuchermieten für | |
schlechten Wohnraum, kritisierte Langenfeld. Sie forderte deshalb gezielte | |
integrationspolitische Maßnahmen, am besten in Absprache mit | |
Roma-Organisationen. | |
Finanzschwache Kommunen müssten von ihren Landesregierungen, dem Bund und | |
der EU unterstützt werden. Die Akzeptanz der Freizügigkeit in Europa | |
hierzulande hänge auch davon ab, wie diese Herausforderung gemeistert | |
werde. | |
## Lebensbedingungen in Herkunftsländern verbessern | |
Vor allem aber müssten die Lebensbedingungen dieser Zuwanderer in ihren | |
Herkunftsländern verbessert werden. Die Diskriminierung der Roma zu | |
beenden, sei eine Frage der Menschenrechte, so Langenfeld. Deutschland habe | |
hier eine „besondere historische Verantwortung“. | |
Für die Zukunft wünscht sich der Sachverständigenrat ein eigenes | |
Ministerium für Integration und Migration. Die Zuständigkeit für diesen | |
Bereich müsse nach der Bundestagswahl „aus dem Innenministerium abgezogen | |
werden“, sagte Christine Langenfeld. Dieses habe stets den | |
„Sicherheitsaspekt“ in den Vordergrund gestellt. Ein eigenständiges, | |
„kompetenzstarkes“ Ministerium könnte einen stärkeren Akzent auf den | |
Arbeitsmarkt setzen, betonte sie. | |
Am Nachmittag übergaben die Forscher des Sachverständigenrats ihr | |
Jahresgutachten erstmals an Bundespräsident Joachim Gauck. Am Freitag | |
äußerte sich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zur Armutszuwanderung aus | |
Südosteuropa. In Duisburg forderte er ein Sofortprogramm des Bundes zur | |
Unterstützung von Kommunen, die deswegen vor Problemen stehen. „Wir reden | |
über einen zweistelligen Millionenbetrag, den der Bund dafür zur Verfügung | |
stellen muss“, sagte Gabriel. In der Stadt Duisburg hatte sich der Streit | |
um Armutszuwanderer aus Rumänien zuletzt besonders zugespitzt. | |
12 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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