# taz.de -- Zunehmende Migration: Einwanderungsziel Deutschland | |
> Zum dritten Mal in Folge steigt die Zahl der Zuwanderer deutlich an. Das | |
> ist nicht zuletzt ein Ergebnis der Wirtschaftskrise in den | |
> Nachbarstaaten. | |
Bild: Migrantinnen aus muslimisch geprägten Ländern können im Münchner „P… | |
BERLIN taz | Im vergangenen Jahr sind so viele Einwanderer nach Deutschland | |
gekommen, wie seit rund 20 Jahren nicht mehr. Besonders aus den | |
südeuropäischen Krisenstaaten wächst dabei die Zahl der neu Zugezogenen | |
kräftig an. Das zeigen vorläufige Berechnungen, die das Statistische | |
Bundesamt am Dienstag veröffentlicht hat. | |
Danach zogen 2012 rund 1.081.000 Personen hierher, während gleichzeitig | |
712.000 Menschen Deutschland den Rücken kehrten. Daraus ergibt sich ein | |
Zuwanderungsplus von fast 370.000 Personen. Die überwiegende Mehrzahl der | |
Einwanderer waren dabei „ausländische Personen“, wie die Statistiker sagen. | |
Nur 115.000 der über eine Million Eingewanderten galten hingegen als | |
Deutsche. Darunter fallen Spätaussiedler und Deutsche, die aus dem Ausland | |
zurückkehrten. Ihre Zahl blieb nahezu konstant. | |
Das Einwanderungsplus von 370.000 Personen liegt noch ein bisschen höher, | |
als die Statistiker in ihrer letzten Schätzung vorausgesagt hatten. | |
Ursprünglich waren sie für 2012 von einer Nettoeinwanderung (= Zuzüge minus | |
Fortzüge) in Höhe von 340.000 Personen ausgegangen. Bereits 2010 hatte das | |
Plus bei rund 127.000 Personen gelegen, 2011 bei rund 280.000 Personen. | |
Hinter diesen Zahlen verbergen sich ganz unterschiedliche Lebenswege: | |
Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch Personen, die für einen begrenzten | |
Arbeitsaufenthalt hierherkommen, sind darunter, aber auch Menschen, die | |
langfristig nach Deutschland migrieren. Die Statistiker können dabei nur | |
erfassen, wer sich bei einer Meldebehörde an- oder abgemeldet hat. | |
## Wachsende Attraktivität | |
Die Klage vergangener Jahre, dass Deutschland immer unattraktiver wird und | |
die Politik nicht wisse, wie der Fachkräfteengpass bekämpft werden soll, | |
gehören damit wohl erst einmal der Vergangenheit an. Noch in den Jahren | |
2009 und 2008 wanderten nämlich mehr Menschen aus Deutschland aus als neu | |
ein und von 2004 bis 2007 fiel die Einwanderung allenfalls spärlich aus. | |
Die neueren Entwicklungen machen hingegen deutlich: Die Attraktivität | |
Deutschlands als Einwanderungsland wächst parallel zur Ausweitung der | |
Wirtschaftskrise in Europa. Mehr Einwanderer kamen 2012 im Vergleich zu | |
2011 vor allem aus Spanien (+ 9.000 Personen bzw. 45 Prozent), Griechenland | |
(+ 10.000 Personen bzw. 43 Prozent), Portugal (+ 4.000 Personen bzw. 43 | |
Prozent) und Italien (+ 12.000 Personen bzw. 40 Prozent). | |
Doch auch die Zahl der MigrantInnen aus den relativ frisch der EU | |
beigetretenen osteuropäischen Ländern nimmt weiter zu. Vor allem Menschen | |
aus Slowenien machten sich dabei im Vergleich zu 2011 vermehrt auf den Weg | |
nach Deutschland (+ 2.000 Personen oder 62 Prozent), dahinter folgten | |
Menschen aus Ungarn und Rumänien. Doch auch aus Afrika und Asien stieg die | |
Zahl der MigrantInnen zwischen 2011 und 2012 um 14 bzw. 10 Prozent an. Den | |
Großteil der Einwanderer zog es dabei nach Bayern, Nordrhein-Westfalen, | |
Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen. | |
Das Bundesarbeitsministerium begrüßte am Dienstag die neuen Zahlen. | |
„Besonders positiv ist, dass vielfach jüngere, höher qualifizierte | |
Arbeitnehmer zu uns kommen. Ohne Zuwanderung von Akademikern wie auch | |
Facharbeitern wird Deutschland seine wirtschaftliche Leistungskraft in | |
Zukunft nicht halten können“, sagte eine Sprecherin zur taz. | |
## Die Schattenseiten | |
Ebenso positiv sahen Politiker der Grünen und der Linkspartei die | |
Entwicklung. Sie wiesen allerdings auch auf die Schattenseiten hin. „Die | |
gestiegenen Einwanderungszahlen sind vor allem Ausdruck der | |
Austeritätspolitik wegen der ökonomischen Krise und der Ungleichverteilung | |
des Reichtums und der Lebens- und Arbeitschancen in der EU“, sagte Sevim | |
Dagdelen. Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion betonte, | |
dass etlichen Flüchtlingen sowie Migranten aus Nicht-EU-Staaten im | |
Regelfall der Weg nach Deutschland versperrt bleibe. | |
„Deutschland ist nicht unbedingt attraktiver für Einwanderer geworden, aber | |
die restliche Welt mit ihren Krisen eben ein bisschen unattraktiver“, sagte | |
Memet Kilic, migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. | |
Er mahnte qualitativ bessere Sprachkurse an. Es fehle zudem an | |
berufsorientierenden Sprachkursen, so Kilic. | |
So attraktiv Deutschland für die einen, so unattraktiv ist es für die | |
anderen. Rund 712.000 Menschen kehrten 2012 diesem Land den Rücken, | |
darunter 133.000 Deutsche. Letztere zog es vor allem in die Schweiz, in die | |
USA oder nach Österreich. Von den ausländischen Personen, die genug von | |
Deutschland hatten, packten die meisten ihre Koffer mit dem Reiseziel | |
Polen, gefolgt von Rumänien und Bulgarien. | |
7 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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