# taz.de -- Europäische Globalisierungskritiker: Avanti ist nicht Campact | |
> Globalisierungskritiker versuchen mit Hochdruck, eine neue Qualität des | |
> europäischen Protests zu etablieren – kommen aber nicht wirklich in die | |
> Puschen. | |
Bild: Campact-Protest vor dem Bundekanzleramt in Berlin (Archivbild vom Juli 20… | |
BERLIN taz | Matteo Guainazzi hatte viel zu tun in Schwalmstadt-Ziegenhain, | |
in Rüsselsheim und Wetzlar. Eine Woche reiste der bärtige Autor und | |
[1][Attac-Aktivist] aus Spanien durch Hessen, um in der Provinz die | |
deutsche Landbevölkerung zu sensibilisieren, für das, was da im Krisenland | |
Spanien gerade passiert. Vielleicht hat Guainazzi das einzig richtige | |
Mittel gefunden: reden. Viel reden. | |
Er ist einer der wenigen, die derzeit mit dem Thema halbwegs durchkommen. | |
Europäische Globalisierungskritiker versuchen seit Monaten, neue | |
transnationale Bündnisse zu schmieden – und oft sind sie anschließend | |
frustriert. | |
Vor einem Monat eröffneten Europabewegte ein neues Kampagnenportal in | |
Brüssel: „[2][Avanti Europe]“ heißt es und hat ein wahrhaft etabliertes | |
Vorbild: das deutsche [3][Campact-Netzwerk], über das | |
öffentlichkeitswirksam Protestaktionen organisiert werden. | |
Geht es nach seinen Machern, soll Avanti Europe eine neue Qualität des | |
europäischen Protests etablieren: ein kräftiges, kritisches, vor allem aber | |
europäisches Kampagnenportal sein, eine unabhängige Stimme in der | |
europäischen Demokratie- und Finanzkrise. | |
## Unterstützung fehlt | |
Allein: Das Projekt stockt, wie viele ähnliche auf europäischer Ebene. | |
Keine 3.000 UnterzeichnerInnen unterstützen bislang die erste Petition mit | |
dem Thema Griechenland. | |
[4][Sven Giegold], Avanti-Mitbegründer und früherer Attac-Aktivist, der | |
heute für die Grünen im Europarlament sitzt, sagt: „Wir stellen immer | |
wieder fest, dass es schwer ist, eine gemeinsame europäische Vision zu | |
entwickeln. Die Sichtweisen auf die Eurokrise sind in den Ländern sehr | |
unterschiedlich.“ | |
Giegold ist einer der Suchenden, die sich fragen: Wie kann sich eine | |
europäische Gegenöffentlichkeit formieren, die nicht zurück in die | |
Nationalstaaten drängt und ein Gegengewicht zur Sparpolitik Angela Merkels | |
bildet? „Das wäre zwar dringend nötig. Doch wie das gelingt, ist völlig | |
offen.“ | |
## Ende Mai in Frankfurt | |
In Deutschland versucht das linke Bündnis [5][Blockupy Frankfurt] Ende Mai | |
erneut, mit Bankenblockaden einen solchen Impuls zu setzen. Doch bereits im | |
letzten Jahr ließ der Zustrom europäischer Protestler stark zu wünschen | |
übrig. Außer einer überschaubaren Zahl italienischer und slowenischer | |
AktivistInnen gab es aus den Nachbarländern kaum Beteiligung. | |
Nicht schlimm, findet Mitorganisator Christoph Kleine: „Es geht nicht | |
darum, dass viele AktivistInnen möglichst weite Wege in Europa zurücklegen, | |
sondern darum, dass es in ganz Europa Widerstand gibt.“ Aber: In jedem | |
Nationalstaat etwas Rambazamba, macht das schon eine europäische Bewegung | |
aus? | |
Immerhin: Erst vor Kurzem feierte eine europäische Basisinitiative einen | |
großen Erfolg, als mit der [6][Petition gegen Wasserprivatisierung] | |
erstmals überhaupt ein Volksbegehren auf EU-Ebene die nötige Anzahl von | |
einer Million Unterschriften erreichte. | |
## Gemeinsame Sprache fehlt | |
„Im Hinblick auf spezifische Einzelfragen funktioniert die Vernetzung gut“, | |
sagt Giegold. Wenn es um soziale Fragen gehe, fehle die gemeinsame Sprache. | |
„Bewegungsakteure, Gewerkschaften und Kirchen haben es in Deutschland | |
verschlafen, sich zu europäisieren.“ | |
Das sieht Bernd Hüttemann ganz ähnlich. Er ist Generalsekretär der | |
[7][Europäischen Bewegung Deutschland] – ein vom Auswärtigen Amt | |
mitfinanzierter Verein, eher Lobby als Bewegungsakteur und Kämpfer für die | |
europäische Idee. Hüttemann hält es für „eine romantische Vorstellung, da… | |
eine soziale Bewegung auf der Straße ohne organisierte Strukturen | |
auskommt.“ | |
Soziale Bewegungen und etablierte Verbändestrukturen seien in der Pflicht, | |
sich stärker miteinander zu vernetzen. „Denn bislang“, sagt Hüttemann, | |
„gibt es eine starke transnationale soziale Bewegung in Europa einfach | |
nicht.“ | |
22 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.attac.de/ | |
[2] http://www.avantieurope.eu/ | |
[3] http://www.campact.de/ | |
[4] http://www.sven-giegold.de/ | |
[5] http://blockupy-frankfurt.org/ | |
[6] http://www.right2water.eu/ | |
[7] http://www.netzwerk-ebd.de/ | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
Martin Kaul | |
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