# taz.de -- Bericht der Weltarbeitsorganisation: Risiko sozialer Unruhen steigt | |
> Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheiten nehmen zu. Schuld ist die | |
> Finanzkrise. Damit sei auch der soziale Frieden in den Krisenländern | |
> bedroht, warnen UN-Experten. | |
Bild: Heftige soziale Proteste wie hier in Spanien werden laut ILO wahrscheinli… | |
GENF dpa | Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise nimmt die | |
Arbeitslosigkeit und damit das Risiko sozialer Unruhen nach Ansicht von | |
UN-Experten in vielen Industriestaaten weiter zu. Und zwar am stärksten in | |
der Europäischen Union. Deutschland allerdings gehört laut Angaben der | |
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu den wenigen Ländern, in denen | |
die Beschäftigungsrate jene vor der Finanzkrise übersteigt. | |
Weltweit werde die Zahl der Menschen ohne Job von jetzt 200 Millionen bis | |
2015 um acht Millionen wachsen, warnt die ILO in ihrem am Montag | |
vorgelegten Weltarbeitsmarktbericht 2013. | |
„Wir brauchen einen auf Jobs und produktive Investitionen fokussierten | |
globalen Aufschwung sowie besseren sozialen Schutz für die ärmsten und | |
verwundbarsten Gruppen“, betonte ILO-Generaldiretor Guy Ryder zur der | |
Vorlage der Umfangreichen [1][Studie] der UN-Sonderorganisation in Genf. | |
„Und wir müssen gegen die soziale Ungleichheit vorgehen, die in vielen | |
Teilen der Welt größer wird. | |
Das Risiko sozialer Unruhen sei in 46 von 71 untersuchten Volkswirtschaft | |
gewachsen, erklären die ILO-Experten. In der Europäischen Union habe sich | |
diese Gefahr - nach einem Index mit Faktoren wie Arbeitsmarktlage, | |
Lebensstandard und Vertrauen in die jeweilige Regierung - von | |
durchschnittlich 34 Prozent im Jahr 2006 auf 46 Prozent im Jahr 2012 | |
erhöht. | |
Maßgeblich schuld ist laut ILO die teils dramatische Sparpolitik mit | |
zunächst steigender Arbeitslosigkeit als Folge: „Die Zunahme des | |
Unruhe-Risikos in der Europäischen Union ist wahrscheinlich ein Ergebnis | |
der politischen Reaktionen auf die Staatsschuldenkrise und deren | |
Auswirkungen auf das Leben der Menschen sowie deren Wahrnehmung von | |
Wohlstand“, heißt es in dem Bericht. | |
## Düsteres Wirtschaftsszenario | |
So befinde sich die Eurozone seit dem dritten Quartal 2011 in einer | |
Rezession, während die Arbeitslosigkeit dort die Rekordhöhe von mehr als 12 | |
Prozent erreicht habe. Zugleich gehe die Einkommensschere in der Eurozone | |
weiter auseinander. „Dieses düstere wirtschaftliche Szenario hat ein | |
fragiles Umfeld geschaffen, in dem immer weniger Menschen Möglichkeiten | |
sehen, einen guten Job zu bekommen und ihren Lebensstandard zu verbessern“, | |
heißt es in dem Bericht. | |
Am stärksten habe die Gefahr von Unruhen in Zypern, Tschechien, | |
Griechenland, Italien, Portugal, Slowenien und Spanien zugenommen. | |
Deutschland gehört zu den Ländern mit deutlich gesunkenem Unruhe-Risiko. | |
Überhaupt bekommt die Bundesrepublik im Wahljahr 2013 von der | |
UN-Sonderorganisation Traumnoten: Die Beschäftigungsrate - der Anteil aller | |
Menschen im arbeitsfähigen Alter, die einen Job haben - sei in Deutschland | |
von 54,7 Prozent Ende 2007 auf 57,1 Prozent Ende 2012 gestiegen. | |
Zwischen 2007 und 2012 seien in der Bundesrepublik mehr als 2 Millionen | |
neue Jobs geschaffen worden - „verglichen mit 2,7 Millionen Jobs, die im | |
selben Zeitraum in der EU insgesamt verloren gingen“. Die einst | |
vergleichsweise hohe deutsche Arbeitslosenrate sei heute eine der | |
geringsten in der EU; die Jugendarbeitslosigkeit betrage 7,7 Prozent | |
gegenüber 23,5 Prozent in der EU. Allerdings gebe es Defizite hinsichtlich | |
der Qualität der Jobs. So sei der Anteil von Beschäftigten mit niedrigsten | |
Löhnen oder in Zeitarbeit in der Bundesrepublik nicht weiter | |
zurückgegangen. | |
## Positve Entwicklung in Österreich, Ungarn, Polen und Rumänien | |
Eine positive Entwicklung verzeichneten im EU-Raum auch die Arbeitsmärkte | |
in Österreich, Ungarn, Luxemburg, Malta, Polen und Rumänien. Auch dort | |
liegen die Beschäftigungsraten über dem Vorkrisen-Niveau. Hingegen seien | |
sie in Zypern, Griechenland, Portugal und Spanien in den letzten zwei | |
Jahren um jeweils 3 Prozentpunkte gesunken. Insgesamt müssten in den 27 | |
EU-Ländern fast 6 Millionen neue Jobs entstehen, allein um das | |
Vorkrisen-Niveau bei der Beschäftigung wieder zu erreichen. | |
Im weltweiten Vergleich zeigt sich laut ILO immer stärker ein | |
Ungleichgewicht bei der Arbeitsmarktlage: Während die Mehrzahl der | |
europäischen und andere industrialisierte Länder immer noch mit den | |
Krisenfolgen ringen, gehe in aufstrebenden Volkswirtschaften und vielen | |
Entwicklungsländern der Aufschwung weiter. | |
Auffallend sei dabei auch, dass im Weltmaßstab der Anteil der aufstrebenden | |
Länder an produktiven Investitionen stark auf 47 Prozent zugenommen habe. | |
Damit sei auch die Beschäftigung in diesen Ländern gestiegen. Die | |
entwickelten Industriestaaten seien 2012 bei den weltweiten Investitionen | |
nur noch auf einen Anteil von knapp über einem Drittel gekommen - | |
verglichen 60 Prozent im Jahr 2000. | |
3 Jun 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ilo.org/global/research/global-reports/world-of-work/lang--en/in… | |
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