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# taz.de -- Krise in Portugal: Verfassungsgericht kippt Sparpaket
> Einschnitte im Sozialhaushalt und bei Staatsgehältern: Geht nicht, sagen
> die Verfassungsrichter. Die Regierung weiss nun nicht, wie sie die
> Troika-Auflagen erfüllen soll.
Bild: Portugal schrammt am finanziellen Abgrund vorbei: Tram in Lissabon.
LISSABON afp/dpa | Portugals Mittel-Rechts-Regierung hat das
Verfassungsgericht des Landes für eine Zuspitzung der Finanzkrise
verantwortlich gemacht. Die Richter hatten mehrere Sparbeschlüsse im
Haushalt 2013 für verfassungswidrig erklärt.
Die Regierung sei mit dem Urteil des Gerichts nicht einverstanden, sagte
Regierungssprecher Luís Marques Guedes in der Nacht zum Sonntag nach einer
Krisensitzung des Kabinetts von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Die
Entscheidung werde „negative Auswirkungen auf das Land“ haben, warnte
Guedes.
Das Budget des laufenden Jahres sieht massive Steuererhöhungen sowie
Kürzungen bei Renten, Gehältern und Sozialleistungen vor. Die
Verfassungsrichter urteilten nun aber, dass beispielsweise die Abschaffung
des 14. Monatsgehaltes für Staatsdiener und Rentner sowie Abgaben auf
Arbeitslosenhilfe und Krankengeld nicht verfasssungsgemäß sind. Das Urteil
sei rückwirkend gültig, stellte der Vorsitzende Richter Joaquim Sousa
Ribeiro klar.
Eine Reihe anderer Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wurden von den
Richtern gebilligt. Das Teil-Veto bedeutet nach Berechnungen
portugiesischer Medien, dass sich im Staatshaushalt eine Deckungslücke von
etwa 1,3 Milliarden Euro auftut. Die konservativ-liberale Regierungspartei
PSD äußerte sich „sehr besorgt“. „Wir haben praktisch keinen
Handlungsspielraum", sagte die PSD-Politikerin Teresa Leal Coelho. Der
sozialistische Oppositionsführer António José Seguro verlangte den
Rücktritt der Regierung und Neuwahlen.
## „Ansehen Portugals könnte Schaden nehmen“
Portugal hatte 2011 von der „Troika“ aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB)
und Internationalem Währungsfonds (IWF) ein 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket
erhalten. Im Gegenzug musste das ärmste Land in Westeuropa sich bei den
Geldgebern zu einer drastischen Sparpolitik verpflichten, um das
Haushaltsdefizit abzubauen und die Staatsfinanzen zu sanieren. Die
Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho muss nun nach neuen
Wegen suchen, um die vereinbarten Vorgaben umzusetzen.
Eine erste Krisensitzung am Samstagnachmittag brachte keine Lösung. Die
Regierung erklärte anschließend lediglich, dass das Urteil eine weitere
Belastung für das krisengebeutelte Land bedeute. „Die Regierung respektiert
die Gerichtsentscheidung, aber warnt die Portugiesen vor den negativen
Auswirkungen auf das Land“, sagte Regierungssprecher Guedes.
Das Urteil des Verfassungsgerichts bringe „das Land in Schwierigkeiten bei
der Umsetzung seiner Haushaltsziele“, sagte Guedes weiter. Zu möglichen
neuen Sparplänen des Kabinetts machte er keine Angaben. Der
Regierungssprecher warnte jedoch davor, dass das Ansehen Portugals bei
internationalen Investoren Schaden nehmen könnte. Die Regierung in Lissabon
hofft offenbar darauf, dass ihre Geldgeber die Frist zur Rückzahlung von
Krediten weiter verlängern.
## Der Präsident stützt die Regierung
Angesichts der neuen Schwierigkeiten sprach Passos Coelho am Samstagabend
auch mit Präsident Anibal Cavaco Silva. Dieser erneuerte seinen Rückhalt
für die Regierung und erklärte: „Die Regierung verfügt über die nötigen
Voraussetzungen, um ihr Mandat zu erfüllen.“ Damit reagierte der Präsident
offenbar auch auf am Samstag in den Medien laut gewordene Spekulationen,
dass Passos Coelho zurücktreten könnte. Dieser will am Sonntagnachmittag
eine Rede an die Nation halten.
Das überschuldete Portugal hatte von Eurostaaten und IWF die Zusage für
Kredite von 78 Milliarden Euro erhalten, um nicht in die Pleite zu
rutschen. Im Gegenzug verpflichtete sich die damalige Regierung unter
Führung der Sozialistischen Partei (PS) zu einem strikten Sparkurs und
Privatisierungsmaßnahmen.
Diesen Sparkurs will der konservative Regierungschef Passos Coelho
fortsetzen. Durch den von seiner Regierung beschlossenen Haushaltsplan 2013
sollten Mehreinnahmen von 5,3 Milliarden Euro erzielt werden, die zu 80
Prozent durch Steuererhöhungen erfolgen sollten.
Gegen den Sparhaushalt hatte nicht nur die linke Opposition
Verfassungsbeschwerde eingelegt, sondern auch Präsident Cavaco Silva, der
ebenso wie der Regierungschef der PSD angehört. Der Staatschef hatte seine
Klage damit begründet, dass der Haushalt „berechtigte Zweifel an der
Gerechtigkeit bei der Verteilung der Opfer" wecke.
Massiver Druck gegen den Sparkurs der Regierung kommt auch von der Straße:
Angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Rezession hatten Anfang März
hunderttausende Menschen gegen die verordnete Sparpolitik protestiert.
7 Apr 2013
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