| # taz.de -- Debatte Eurokrise: Die Welt von McKinsey | |
| > Die fetten Jahre sind zurück, glaubt das „Manager Magazin“. Nichts könn… | |
| > falscher sei: Der Crash rückt nach der sogenannten Zypern-Rettung näher. | |
| Bild: Schöne Typografie. Aber dumme These. | |
| Die Beraterfirma McKinsey stellt sich Deutschlands Zukunft golden vor. | |
| Millionen neuer Arbeitsplätze sollen bis 2025 entstehen, das Wachstum soll | |
| jährlich 2,1 Prozent betragen, und die Exporte sollen gar um 80 Prozent | |
| steigen. Diese „Exklusivstudie“ wurde für das [1][Manager Magazin] | |
| erstellt, das damit seine Titelseite schmückte. Man darf annehmen, dass | |
| diese Studie für das Blatt umsonst war – so prominente Werbung wusste | |
| McKinsey sicher zu würdigen. | |
| Doch abseits dieser seltsamen Cross-over-Geschäfte, die mit Journalismus | |
| fast nichts mehr zu tun haben, ist das Weltbild interessant, das Manager | |
| Magazin und McKinsey verbreiten. Auf dem Titel prangt die Schlagzeile „Die | |
| fetten Jahre sind zurück“, und im Heft heißt es dann „Goldene Zeiten“. | |
| Natürlich in goldenen Lettern, damit die Botschaft auch verstanden wird. | |
| Während anderswo die Eurokrise wütet, steht Deutschland „vor einem zweiten | |
| Wirtschaftswunder“, wie McKinsey weiß. Auf zehn Magazinseiten wird der | |
| Eindruck erweckt, als sei Deutschland eine Insel, die eher lose mit ihren | |
| Euronachbarn verbunden ist. Die Eurokrise kommt zwar vor, ist aber mit dem | |
| Stichwort Bankenunion schnell abgehakt. Weitere Maßnahmen seien 2013 wegen | |
| der deutschen Wahlen nicht drin, darf EZB-Direktor Jörg Asmussen erklären. | |
| So skurril der Artikel ist – er dürfte die Stimmung unter den | |
| selbsternannten Eliten recht gut spiegeln. Allseits macht sich satte | |
| Selbstzufriedenheit breit, und die realen Gefahren der Eurokrise werden | |
| unterschätzt. | |
| ## Nur eine kleine Rezession | |
| Die Stimmung erinnert an den Sommer 2007, als die Finanzkrise schon | |
| durchschlug – aber immer noch geglaubt wurde, jeder Bankzusammenbruch sei | |
| ein Einzelereignis. Der heutige IWF-Chefsvolkswirt Olivier Blanchard | |
| schrieb damals an der fünften Auflage seines Lehrbuchs für Makroökonomie, | |
| das zu den Standardwerken in der Volkswirtschaftslehre gehört. Aber das | |
| Wort Finanzkrise fällt dort nirgends, stattdessen hielt Blanchard höchstens | |
| eine harmlose Rezession für denkbar – und selbst diese für eher | |
| unwahrscheinlich. | |
| Blanchard war nicht allein mit seinem freudigen Optimismus, sonst wäre es | |
| niemals zur Lehman-Pleite im September 2008 gekommen. Dieser politisch | |
| gewollte Konkurs war der interessante Fall, wo sich Eliten selbst geschadet | |
| haben, obwohl sie den vollen Zugriff auf die Staatskassen hatten. Man muss | |
| sich das Szenario noch einmal vor Augen führen: Der damalige US-Präsident | |
| George W. Bush befand sich bereits im Wahlkampf gegen Barack Obama, und es | |
| war völlig klar, dass eine Rezession die Demokraten an die Regierung hieven | |
| würde. Gleichzeitig war Hank Paulson Finanzminister, er war vorher Chef der | |
| Investmentbank Goldman Sachs gewesen. Noch enger konnten die Verbindungen | |
| zwischen Weißem Haus und Wall Street gar nicht sein. | |
| Um es zynisch zu formulieren: Dezent hätte man mit Steuergeldern die | |
| Verluste sozialisieren können, um die Gewinne weiterhin privat abzuschöpfen | |
| und den Schaden unauffällig zu begrenzen. Aber in gemeinsamer Blindheit | |
| beschloss man, Lehman Brothers zu opfern. Obama siegte, weltweit setzte | |
| eine schwere Depression ein. Die Banken verloren den Nimbus, masters of the | |
| universe zu sein. | |
| ## Die Eliten als Lemminge | |
| Nun kann man Obamas Sieg und den Imageverlust der Banken durchaus begrüßen, | |
| aber es bleibt der irritierende Verdacht, dass Eliten wie Lemminge sind, | |
| die munter in den eigenen Untergang springen – und ihre Wähler dabei | |
| ebenfalls in den Abgrund reißen. Bei der Eurokrise ist nur noch die Frage, | |
| wann dieser „Lehman-Moment“ erneut eintritt. | |
| Die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, dass wir ihn mit der verkorksten | |
| „Rettung“ von Zypern gerade schon erlebt haben. Denn Zypern und Lehman | |
| Brothers haben eines gemein: Man hielt sie anfangs für unbedeutend. Zypern | |
| hat nur etwa 800.000 Einwohner, Lehman war eine eher unwichtige Bank. Bei | |
| den Kleinen kann man es ja mal probieren, scheint die Idee der | |
| selbstgewissen Eliten zu sein. | |
| Also wurde bei den zypriotischen Banken und bei Lehman der gleiche Trick | |
| angewandt: In beiden Fällen wurden die Gläubiger rigoros herangezogen. Bei | |
| Lehman sorgte dies dafür, dass sich die Finanzkrise weltweit in fast alle | |
| Banken und Länder fraß, weil panische Investoren ihr Geld abzogen. Bei | |
| Zypern dürfte der Effekt ähnlich sein. Wann immer irgendwo in der Eurozone | |
| ein Problem auftaucht, werden die Anleger die Banken stürmen, um noch | |
| rechtzeitig ihre Konten zu räumen. | |
| Mögliche Anlässe gibt es genug: Italien hat keine Regierung, Slowenien auch | |
| eine Bankenkrise, Malta einen überdehnten Bankensektor, Spanien ist in der | |
| Rezession, Portugal überschuldet – und Griechenland häuft neue Defizite | |
| auf, weil sich die Wirtschaft in freiem Fall befindet. | |
| ## Merkel und die Musterknaben | |
| Die allgemeine Unsicherheit nach der Lehman-Pleite zwang Kanzlerin Merkel | |
| zu einem historisch beispiellosen Schritt. Sie stellte sich 2008 vor die | |
| Fernsehkameras und erklärte den Deutschen, dass alle Spareinlagen sicher | |
| seien. Es handelte sich also um eine unbegrenzte Einlagensicherung, die | |
| durch den Staat garantiert wurde. | |
| Bisher gilt diese Garantie nur für Deutschland, doch dürfte sich die | |
| Kanzlerin demnächst gezwungen sehen, die unbegrenzte Einlagensicherung auf | |
| die gesamte Eurozone auszuweiten. Denn sonst fliegt der Euro auseinander, | |
| weil ständig Hunderte von Milliarden Euro auf der Flucht sind. | |
| Allerdings ist zweifelhaft, ob sich die Deutschen zu einer solchen | |
| europaweiten Garantie durchringen können. Bisher waren sie eisern dagegen, | |
| dass „deutsches Geld“ die Spareinlagen im Süden rettet. Die Bundesbürger | |
| wollen nicht glauben, dass dies die billigste Lösung wäre. Man müsste es | |
| ihnen also erklären. Doch stattdessen werden sie von ihren angeblichen | |
| Eliten auch noch darin bestärkt, sich als Musterknaben zu fühlen. Die | |
| „Exklusivstudie“ von McKinsey ist eine traurige Lektüre, weil sie zeigt, | |
| dass Selbstzufriedenheit in Deutschland als höhere Erkenntnis gilt. Der | |
| Crash rückt näher. | |
| 31 Mar 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,890765,00.html | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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